Carlo Caduff

Warten auf die Pandemie

Ethnographie einer Katastrophe, die nie stattfand
Cover: Warten auf die Pandemie
Konstanz University Press, Konstanz 2017
ISBN 9783862530953
Kartoniert, 252 Seiten, 39,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Marc Dosch. An pessimistische Ausblicke haben wir uns gewöhnt. Untergangsszenarien, Krisenerzählungen und apokalyptische Visionen bestimmen den Markt der Zukunftsprognosen. Sie alle leben davon, dass nicht stattfindet, was sie ankündigen. Aber was geschieht eigentlich, wenn das angekündigte Unglück ausbleibt? In den vergangenen Jahren warnten Experten immer wieder vor verheerenden Grippeepidemien. Nicht vor einem leichten Schnupfen oder der saisonal auftretenden Influenza, die alljährlich für den Tod von bis zu 30.000 Menschen allein in Deutschland verantwortlich gemacht wird, sondern vor einer viel gravierenderen Pandemie, die weltweit Millionen von Menschen dahinraffen könnte. Aus solchen Prognosen und Warnungen wird stets ein dringender Handlungsbedarf abgeleitet. Ohne umfassende Vorsichtsmaßnahmen könnte eine solche Krankheit die gesamte Wirtschaft lahmlegen und eine Kettenreaktion auslösen, die über Nacht die Welt verändern würde. Was bedeutet es aber, wenn der Erreger einer Krankheit vorwiegend im Modus der Ankündigung zirkuliert? Warten auf die Pandemie erzählt, was geschah, als nichts geschah. Das Buch von Carlo Caduff zeigt, wie im Wechselspiel von Wissenschaft, Gesundheitsverbänden und Öffentlichkeit die Akteure und die Institutionen durch die Zirkulation dramatischer Untergangsszenarien eine Drohkulisse aufbauten, die äußerst produktiv war. Obwohl das prognostizierte Unheil gar nicht eintrat, erzeugten die Krisenszenarien und Untergangserzählungen ein tiefes Gefühl der Verunsicherung. Dass die tödliche Krankheit ausblieb, die verheerende Epidemie sich doch nicht ausbreiten konnte, führte nämlich gerade nicht dazu, dass man die Bemühungen um ihre Bekämpfung eingestellt hätte. Vielmehr wurden die Vorbereitungen auf ihren Ausbruch zu einer staatlichen Daueraufgabe. Die Schreckensszenarien einer globalen Seuche bleiben im öffentlichen Bewusstsein und verändern so die Welt, in der wir leben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.09.2017

Christoph Gradmann hat Einwände gegen das Buch des Londoner Anthropologen Carlo Caduff über die Angst vor Pandemien in hochentwickelten Gesellschaften. Zwar findet er es lesenswert und den Hauptgegenstand (das Beispiel der Grippe) gut gewählt, doch scheint es ihm im Ganzen zu kurz zu greifen. Hätte der Autor seinen Ansatz, wissenschaftliche Prognosen als Prophetien zu diskutieren, intensiver verfolgt, etwa, indem er Theologie, Philosophie und Kunst befragt hätte, wäre das der Untersuchung laut Gradmann gut bekommen. Caduffs mit Feldstudien in den Labors garnierte "Revue" sozialwissenschaftlicher Theorien allein genügt dem Rezensenten nicht. Auch im Historischen findet er die Arbeit zu schwach. Mehr Neugier!, ruft er dem Autor zu.
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