Post aus Bangkok

Bangkok offene Stadt

Von Ulf Biedermann
06.02.2003. Die thailändischen Mahouts protestieren gegen ein Elefantenverbot in Bangkok. Sie könnten ein Verkehrschaos auslösen.
Bangkok ist längst ein Synonym für Verkehrschaos. Schuld ist die Geschichte. Die Stadt am Chao Praya River ist plan- und konzeptionslos in alle Himmelsrichtungen gewachsen, und der Straßenbau schlurfte stets chancenlos hinterher. Daran ändern auch der Skytrain mit Siemenstechnologie und die Ende nächsten Jahres fertiggestellte U-Bahn nichts. Die Stadtverwaltung hat in der Vergangenheit einfach zu viele Fehler gemacht. Um teures Bauland zu gewinnen, wurden Kanäle zugeschüttet, die heute als billige Transportwege für den Schwergutverkehr fehlen. So stauen sich die Lkws an der Stadtgrenze, um nach 22 Uhr das Pkw-Chaos auf den Hauptrouten der thailändischen Hauptstadt durch Lastwagenkolonnen zu ersetzen. So weit, so schlecht.

Doch jetzt droht der finale Kollaps. Denn aus Surin im armen Nordosten des Landes, zieht seit einer Woche eine graue Invasionsarmee aus über hundert Elefanten in Richtung Metropole. Begleitet von fünfhundert Mahouts, wie man die Pfleger und "Chauffeure" der Tiere nennt, sollen die Kolosse für ihr Recht auf Arbeit und Niederlassungsfreiheit demonstrieren. Denn die Regierung will die Elefanten, die Abend für Abend ihr Futter in den von Touristen frequentierten Strassen erbetteln, aus der Metropole verbannen. Richtige Entscheidung, sagen die diversen organisierten Tierschützer. Dummes Zeug, wettern die Elefanten-Treiber und -Besitzer. Die Nation fragt: Was ist schief gelaufen mit den Elefanten?

Der Elefant ist für Thailand, was der Bundesadler für Deutschland darstellt, ein Wappentier, Symbol, ein Stück Tradition. Der König sammelt weiße Elefanten, jene raren Exemplare mit Pigmentstörungen, die ihnen rosa Flecken auf der grauen Haut bescheren. Der höchste Orden des Landes ist der des "White Elephant" und die jüngste und marktbeherrschende Biersorte des Landes heißt "Beer Chang", Elefanten-Bier. Elefanten zogen in früherer Zeit für Thailand in den Krieg gegen seine streitsüchtigen Nachbarn. Elefanten waren unverzichtbar für die Holzwirtschaft, als in den tropischen Urwäldern noch Edelhölzer geschlagen werden konnten.

Doch Bulldozer, Allradantrieb und industrielle Abholzung haben die Elefanten-Arbeitsplätze vernichtet. Die arbeitslosen Kerle haben Hunger und neigen zu emotionalen Ausbrüchen, wenn sie ihre täglich rund 600 Kilo Futter nicht in den Magen bekommen. Es gab Verkehrsunfälle mit amoklaufenden Elefanten, viel Aufregung, Verletzte und auch ein paar Tote, weil ein paar Tonnen geballter Ärger ihr Schicksal zwischen die eigenen Stoßzähne nahmen.

Im Streit um das richtige Konzept schießen die Lösungsvorschläge ins Kraut. Die Regierung hat angeboten, die demonstrierenden Tiere für 500 bis 750 Euro pro Kopf aufzukaufen und in den Wäldern der Nordwestprovinz Kanchanaburi frei zu setzen (hier ein Artikel aus der Bangkok Post zu diesem Vorschlag). Davon hält der Chef des Wildlife-Fund Thailand schlichtweg nichts. Der Generalsekretär der Organisation, Surapon Duangkhae, warnte, dass domestizierte Elefanten eine enge Beziehung zu ihren Betreuern aufbauen und ohne deren Nähe unberechenbar seien. Außerdem sei das Preisangebot unrealistisch niedrig. Ein ganz normaler Wasserbüffel koste heutzutage schon knappe 1000 Euro. Schützenhilfe bekam der Elefantenfreund von Senator Pensak Chaksuchinda, der den Wert eines Elefanten auf mindestens 5000 Euro schätzte.

Genau, sagen die ausländischen Tierschützer, die hinter der organisierten Bettelei nichts als Geschäftemacherei vermuten. Reiche Geschäftsleute würden Elefanten kaufen und an die Armen vermieten. Bis zu 800 Euro würde so ein Elefant pro Monat zusammenbetteln. Die Organisation Friends of Asian Elephant schätzt, dass landesweit fünfhundert Elefanten herrenlos durch de Gegend streunen, vierzig davon in Bangkok. Auch sonst verdienen die elefanten Mitleid, weil sie mit dem Rüssel in Auspuffhöhe wandern und im Verkehrschaos gefgährdet sind, weshalb viele am Schwanz sicherheitshalber schon ein Rücklicht tragen.

Der Mensch hat sie geholt, er muss gefälligst für sie sorgen, sagen die einen und fragen, woher denn die Gewissheit kommt, dass es Elefanten eher gefalle, in Camps für die Touristen den Affen zu spielen? Elefanten gehören nicht in Städte, wettern die anderen.

Hannibal war der Erste, der einer Weltstadt mit Elefanten drohte. Auf seinem Marsch über die Alpen Richtung Rom erfroren die meisten seiner achtundreißig grauen Riesen. Ein Marsch nach Bangkok wäre ihm wie ein Kinderspiel erschienen. Die Temperaturen liegen bei 30 Grad, es weht eine leichte, kühle Brise aus dem Norden, und die Menschen entlang der Route horten Bananen und Zuckerrohr, um die Giganten der Landstrasse zu unterstützen. Wird sich Bangkok zur offenen Stadt erklären?