Bücher der Saison

Kinderbücher

Eine Auswahl der interessantesten, umstrittensten und meist besprochenen Bücher der Saison.
05.11.2018. Mäuse im U-Boot, Hund und Kater als Pensionswirte, Slapstick mit Flüchtling, eine Reise in die Tzitty und Sex mit Tiefe.

Bilderbücher bis 6 Jahre

Da staunt er nicht schlecht, der SZ-Rezensent Carsten Matthäus: Erst überqueren Torben Kuhlmanns Mäuse den Atlantik, dann fliegen sie auf den Mond und jetzt erfinden sie das U-Boot. Warum dieses neue Buch allerdings "Edison" heißt, wissen nur schlaue Kids, keine Perlentaucher :(. Egal, es geht um eine Schatzsuche auf dem Meeresgrund, superschlaue Mäuse, die Bionik so gut handhaben wie einen Bleistift. Matthäus ist einfach entzückt von der Leichtigkeit, mit der diese Mäuse durch die Wissenschaftsgeschichte tanzen. Ganz nebenbei zeigen sie außerdem, "wie Ideen ausprobiert, um anschließend wieder verworfen zu werden", erklärt Papillionis in seinem Blog. Wer forscht, macht Fehler. Man darf sich davon einfach nicht beirren lassen, lernt er.

"Eins zwei drei VIELE" ein Wimmelbuch der Zoologin Nicola Davies und der Illustratorin Emily Sutton, weckt sogar in der Rezensentin Entdeckerlust: über Meere und Seen geht es, durch die Wüste und in den Regenwald und sogar unter Vogelfedern. Ein wunderbar buntes Bilderbuch über die Natur, als wäre "das naturhistorische Museum explodiert", freut sich NZZ-Kritikerin Manuela Kalbermatten. Dieses Buch öffnet einem "Herz und Verstand für das unfassbare Gewusel überall" und wie alles mit allem zusammenhängt, lobt Matt Hartmann auf gute-kinderbücher.de. Ähnlich geht es den Rezensenten mit Oliver Jeffers' Bilderbuch "Hier sind wir" mit dem der New Yorker Künstler seinem neugeborenen Sohn die Welt erklärt - samt Sonnensystem und Erde, Land und Himmel, Mensch und Tier. Hier lernt man sich im Detail als Teil eines großen Ganzen begreifen, lobt Manuela Kalbermatten in der NZZ. Zeit-Kritikerin Katrin Hörnlein ist begeistert von den leuchtend-liebevollen Illustrationen Jeffers'. Und in der FAZ ist Fridtjof Küchemann überzeugt, dass nicht nur Kleinkinder ihren Spaß haben werden, sondern auch viele frisch gebackene Eltern, die sich in Jeffers' überschäumender Vaterfreude wiederfinden werden.


6 - 12 Jahre

Ingvar Ambjörnsens "Samson und Roberto Glück und Spuk und ach herrje!" erzählt von Hund und Kater in einem Armenghetto. Da kommt die gute Nachricht: Hund Samson erbt. Wie die beiden dann losziehen und das Erbe, eine heruntergekommene Pension, wieder fitmachen, hat SZ-Rezensentin Verena Hoenig bestens unterhalten. Ein tolles, witziges Duo, das der Rezensentin ganz nebenbei noch zeigt, wie man mit vielen verschiedenen Arten friedlich unter einem Dach leben kann. Der australische Kinderbuchautor Shaun Tan ist eine Ausnahme in seinem Feld, ein Künstler, bei dem man sich nicht mehr fragt, ob die Bücher für Erwachsene oder Kinder sind. Auch "Reise ins Innere der Stadt" ist so ein Gesamtkunstwerk, versichert in der SZ Thomas von Steinaecker, das hier das Verhältnis von Großstadtbewohnern und Tieren beleuchtet: Krokodile im Hochhaus, Schmetterlingsplage am Mittag, eine Eule im Krankenhaus. Aber es geht bei aller Zivilisationskritik immer gut aus, versichert der Kritiker, der immer noch über die hypnotischen Illustrationen Tans staunt.

Um Tiere geht's auch in A.L. Kennedys "Onkel Stan und Dan und das fast ganz ungeplante Abenteuer" Onkel Stan muss hier einen Dachs retten und vier depressive Lamas, die entführt worden sind. Das ist böse, aber gleichzeitig mit viel Humor erzählt, eben sehr britisch, versichern begeistert Alexander Menden in der SZ und Fridtjof Küchemann in der FAZ. Beim Sprachwitz Kennedys bleibt kein Auge trocken und die Illustrationen Gemma Corrells passen auch vorzüglich zur Geschichte, loben die Kritiker. Martin Musers Kinder-Roadmovie "Kannawoniwasein" bleibt dagegen ganz in der Menschenwelt. Dem zehnjährigen Finn wird auf der Fahrt nach Berlin der Rucksack geklaut, mit seinem ganzen Geld. Und dann setzt ihn auch noch der Schaffner mitten in der Pampa aus. Sieht übel aus, bis sich das Mädchen Jolanta seiner annimmt. Zusammen machen die beiden sich auf den Weg in die "Tzitti". Musers Buch erinnert den Zeit-Rezensenten  Christian Staas erst an Kästners "Emil und die Detektive", aber der Roman ist eindeutig 21. Jahrhundert, stellt er bald fest. Staas lobt Tempo und Witz des Buchs und eine "Welthaltigkeit" in der Beschreibung unterschiedlicher Milieus, die schön lässig rüberkommt.

Auch einige Sachbücher für die mittlere Altersgruppe wurde besprochen. Besonders gut gefiel SZ-Rezensent Stefan Fischer Gerda Raidts "Meine ganze Familie" in dem es um Abstammung, Erbschaften, Verwandtschaft und die Segelohren des Opas geht, so Stefan Fischer, und um unser größtes Erbe: die Natur. Ebenfalls in der SZ empfiehlt Hubert Filser Emma Giulianis wunderbaren Band über das antike "Ägypten" den Carole Saturno reich bebildert hat. Die Falt- und Klappelemente wecken im Rezensenten allerdings den Wunsch, es vor wissbegierigen Kinderhänden zu bewahren. Auch thematisch bleibt kein Augen trocken, versichert Filser, Totenkult, Rituale, Religion und Alltag werden angesprochen und über Formen und Farben erschlossen. Ein Buch, bei dem man vielleicht aufpassen muss, dass die Erwachsenen es auch herausrücken! Großes Lob schließlich noch für "Bibi Dumon Taks große Vogelschau" Eins der schönsten Kinderbücher in diesem Jahr, versichert Zeit-Kritikerin Maria Linsmann. Die niederländische Autorin hat 30 Vogel-Illustrationen aus dem vogelkundlichen Standardwerk "Nederlandsche Vogelen" ausgewählt und mit eigenen Texten ergänzt - humorvoll, eigensinnig und doch sehr fundiert, schwärmt die Rezensentin.


Jugendbuch (ab 12 Jahre)

Bei den Jugendbüchern fallen Empfehlungen schwer. Wollen Jugendlich wirklich nur Bücher über Vergewaltigung lesen, über Flüchtlingskinder, Kinder im Krieg, über Depression, Suizid und Pornografie? Oder stehen eher die Rezensenten auf diesen Stoff? Bei Antonia Michaelis' "Tankstellenchips" gehts um einen jungen Flüchtling, dem die Abschiebung droht, und seinen neuen Freund, der aus dem Heim abgehauen ist. Die beiden beobachten versehentlich einen Überfall und fliehen zusammen vor Polizei und Verbrechern. Ein "Problembuch" ist das aber nicht, versichert in der SZ Roswitha Budeus-Budde. Michaelis erzählt die Geschichte der beiden als temporeichen, provokanten Slapstick, der trotzdem immer Bodenhaftung behält, verspricht die Rezensentin.

In Jeff Zentners "Zusammen sind wir Helden" geht's um drei Außenseiter aus einem Kaff in Nashville und ihre Träume. Wie die drei versuchen, sich aus den eher trostlosen Verhältnissen zu befreien, hat den Rezensenten gut gefallen. Das ist zwar manchmal beklemmend, aber hoffnungsvoll, meint in der Zeit Judith Scholter. Und man lernt, das Herkunft nicht alles ist, man kann sein Leben auch selbst bestimmen, lobt in der SZ eine nachdenkliche Antje Weber. Schließlich sei noch auf Elisabeth Steinkellners "Dieser wilde Ozean, den wir Leben nennen" hingewiesen. Es geht um die Sehnsüchte junger Menschen nach Entgrenzung, Sex und Tiefe, erklärt Zeit-Kritikerin Anja Robert, die das erstaunlich lässig und gelungen dargestellt findet. Die zwei Teenager müssen zwar auch noch jede Menge andere Probleme schultern, aber Arne Rautenberg lässt das in der FAZ durchgehen, weil Steinkellner temporeich und mit einer "vital-sprühenden Sprache" erzählt.