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Magazinrundschau vom 13.10.2020 - Deadline

Comic-Hexenmeister Alan Moore ist schon ein fabelhafter Grantler. Einst sang er ein Loblied auf den Comic und erforschte dessen Möglichkeiten und Komplexitäten, während er die Filmindustrie mit Hass und Spott übersäte. Seit 2018 hat er sich vom Comicschreiben zurückgezogen und es wird auch wirklich und tatsächlich nichts Neues mehr von ihm geben, unterstreicht Moore, der stattdessen nun einen Independent-Film namens "The Show" geschrieben und den Stoff als Serie lancieren will, im Gespräch: "Als ich meine ersten Schritte in der Comicindustrie machte, ging erhebliche Anziehungskraft davon aus, dass dieses Medium vulgär war. Es wurde geschaffen, um Leute aus der Arbeiterklasse, vor allem Kinder zu unterhalten. Die Industrie hat sich gewandelt, jetzt dreht sich alles nur noch um 'Graphic Novels' und das zu Preisen, die sich nur die Mittelschicht leisten kann. Ich habe nichts gegen Leute aus der Mittelschicht, aber das Medium war einfach nie als Hobby für Menschen in den besten Lebensjahren gedacht. Es sollte ein Medium für Leute ohne Kohle sein. Die meisten Menschen setzen heute Comics mit Superheldenfilmen gleich. Das macht es für mich nur noch problematischer. Ich habe seit Tim Burtons erstem Batman-Film keinen Superheldenfilm mehr gesehen. Sie haben das Kinos vernichtet und bis zu einem gewissen Grad auch die Kultur. Vor einigen Jahren sagte ich mal, dass man sich Sorgen machen sollte, wenn hunderttausende Erwachsene sich in eine Schlange stellen, um Figuren zu sehen, die vor 50 Jahren geschaffen wurde, um 12-Jährige zu unterhalten. Vielleicht spricht daraus eine gewisse Form der Sehnsucht, sich den Komplexitäten der modernen Welt zu entziehen und zu einer nostalgisch erinnerten Kindheit zurückzukehren. Das schien mir gefährlich, denn das infantilisiert die Bevölkerung. Natürlich mag das alles reiner Zufall sein, aber 2016, als die USA eine nationalsozialistische Mandarine wählten und Großbritannien sich entschloss, die EU zu verlassen, waren sechs der zwölf erfolgreichsten Filme Superheldenfilme. Ich will nicht behaupten, dass das eine das andere verursacht hat, aber ich denke, beides sind Symptome derselben Sache - von Realitätsverweigerung und dem Drang nach vereinfachten und sensationellen Lösungen."