Leipzig düst

Der Krieg ist ein Fußballspiel

Unterwegs auf der Leipziger Buchmesse. Von Anne Koch
20.03.2003. Michel Houellebecq erklärt auf dem blauen Sofa warum er die Schläfer wesentlich interessanter findet als Bush oder Saddam.
Diese Nacht flogen die ersten Bomben auf den Irak, und am Morgen danach öffnen sich die Tore der Leipziger Buchmesse. Alles ging seinen gewohnten Lauf, könnte man denken, wäre da nicht eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg, die justament heute im Zufahrtsgebiet der Messe gefunden, sofort entschärft werden musste und den Verkehr in der Stadt für Stunden lahm legte. So einige Besucher und Teilnehmer dürften es deshalb nicht rechtzeitig zur Verleihung des Demokratiepreises 2003 geschafft haben.

Gelauscht werden konnte gestern spätnachts einer Lesung Michel Houellebecqs, der reichlich zerknittert drei bisher unveröffentlichte Essays und mehrere Gedichte vortrug. Glücklicherweise las Martin Wuttke die übersetzten Passagen, denn ein nuschelnder, schwerverständlicher Autor bewies nur zu gut, dass die Lesung eines bekannten Dichters nicht automatisch eine gute sein muss.

Am Morgen danach ein deutlich ausgeruhter Houellebecq im Gespräch auf dem blauen Sofa. Den momentanen Krieg der USA gegen den Irak vergleicht Houellebecq mit einem "Fußballspiel", zu dem es kommen musste, weil eine Mannschaft nicht immer nur trainieren kann, sondern sich "von Zeit zu Zeit" in einem "Spiel" zu beweisen hat. So nun auch die amerikanische Armee, die "beschäftigt werden" müsse. Das Öl ist seiner Meinung nach nur eine "Nebenursache" für einen Krieg. Geeigneter Stoff für einen Roman wären Bush und Saddam allerdings nicht, ihm sind die Attentäter vom 11.September lieber. "Die Person des Terroristen, der als Schlafender jahrelang präsent war, aber nicht in Erscheinung trat, hat etwas faszinierendes, aber doch nicht Bush oder Saddam Hussein." Houellebecq verzieht keine Miene, niemand traut sich zu lachen.

Dass ein weiterer Krieg auf dieser Welt nur Stunden zuvor begonnen hatte, bemerkte man im Gewusel der Verlagsstände und Besucher allenfalls an ein, zwei aufgestellten Fernsehern, die Bush-Reden übertrugen.

Anne Koch