Essay

Sogenanntes Verzichtsmodell

Von Martin Vogel
12.05.2017. Der Streit um die VG-Wort-Ausschüttungen ist keineswegs ausgestanden. Am 20. Mai wird getagt: Kommen die Anträge des Vorstands durch, werden die Verlage von neuem begünstigt - und die Autoren müssen noch länger auf die ihnen zustehenden Gelder warten. Die Gewerkschaften vertreten wie stets in diesem Spiel ebenfalls die Interessen der Verleger.
I.

Bei der Mitgliederversammlung der VG Wort am 20. Mai geht es für die Urheber um viel Geld, das ihnen eigentlich nach dem Gesetz ohne Weiteres ausgezahlt werden müsste. Doch die Beschlussvorlagen des Vorstandes für diese Versammlung versprechen nichts Gutes.

Schon vor über zwanzig Jahren hat das Bundesverfassungsgericht keinen Zweifel daran gelassen, dass urheberrechtliche Verwertungsgesellschaften als Treuhänder nur diejenigen an den Erlösen aus der Rechtewahrnehmung beteiligen dürfen, die ihnen Rechte übertragen haben (Beschluss vom 10.12.1996 - 1 BvR 1858/96 - Bandübernahmeverträge). Auch der Bundesgerichtshof hat diese Selbstverständlichkeit in der Folgezeit wiederholt bekräftigt. Die Verwertungsgesellschaften GEMA, VG Wort und VG Bild-Kunst haben trotzdem jahrelang an ihrer Praxis festgehalten, vom Aufkommen aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen der Urheber (insbesondere aus der Geräteabgabe) entgegen ihren Treuhandpflichten bis zu 50 Prozent an Verleger auszuschütten, obwohl Verleger bei ihnen keine solchen Ansprüche eingebracht haben. Allein bei der VG Wort kassierten Verleger so - auf Kosten der berechtigten Urheber - jährlich über 30 Millionen Euro. Die staatliche Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften, ausgeübt durch das Deutsche Patent- und Markenamt, ist dagegen nicht eingeschritten. Im Gegenteil: Sie hat sogar der Satzungsbestimmung der VG Wort zugestimmt, mit der die offensichtliche Verletzung der Treuhänderpflichten gegenüber den Urhebern bemäntelt werden sollte.

Mit dem BGH-Urteil vom 21.4.2016 "Verlegeranteil" ist dieser glatte Verstoß gegen den Treuhandgrundsatz aufgeflogen (I ZR 198/13). Dem Urteil ging ein langwieriges Verfahren voraus, in dem die VG Wort nach eigenen Angaben etwa 1 Million Euro an Verfahrenskosten (zum weitaus größten Teil Kosten für Rechtsgutachten) zu Lasten der durch ihre Verteilungspraxis geschädigten Urheber aufgewendet hat, um die Verleger bei ihren Ausschüttungen weiter begünstigen zu können. Im Verfahren "Verlegeranteil" und gegenüber der Öffentlichkeit hat sich die VG Wort mit allerlei abwegigen Argumenten verteidigt - bis hin zu der wahrheitswidrigen Behauptung, auch Verleger würden gesetzliche Vergütungsansprüche bei der VG Wort einbringen. Dabei mussten Verleger gegenüber der VG Wort nicht einmal behaupten, Inhaber von solchen Rechten zu sein,von einer Übertragung solcher Rechte konnte erst recht keine Rede sein.

Den Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts München und zudem des Europäischen Gerichtshofs folgend hat der BGH, wie im Hinblick auf seine klare ständige Rechtsprechung zu erwarten war, an allen Argumenten der VG Wort kein gutes Haar gelassen.

Wer sich als Urheber auf die nicht selten dringend benötigten Nachzahlungen freute, wurde enttäuscht. Über ein Jahr nach dem Urteil liegt die Wiedergutmachung gegenüber den geschädigten Urhebern (es geht um 100 Millionen Euro, die während des Rechtsstreits rechtswidrg an Verleger ausgeschüttet worden sind) nach wie vor in weiter Ferne.

Denn die VG Wort nahm ihre Treuhandpflichten weiterhin nicht so ernst. Dabei wurde und wird sie nachhaltig unterstützt von ver.di sowie dem Verband Deutscher Schriftsteller, dem Übersetzerverband, der Deutschen Journalisten-Union und anderen ver.di-Untergruppen, dem Deutschen Journalistenverband und Berufsverbänden wissenschaftlicher Autoren wie etwa dem Deutschen Hochschulverband. Zwei Verbände wissenschaftlicher Autoren erhalten sogar jährlich erhebliche Zahlungen, die nach dem BGH-Urteil "Verlegeranteil" eigentlich den Urhebern auszuschütten wären. Warum sollten sich solche Verbände für die Interessen der geschädigten Urheber einsetzen, sich infolge dessen die VG Wort zum Gegner machen und deren stattliche Zahlungen aus den Wahrnehmungserträgen aufs Spiel setzen? Die im Verwaltungsrat der VG Wort vertretenen Mitglieder der genannten Verbände sorgten bereits 2012 für die notwendige Unterstützung der VG Wort und der Verleger, als es darum ging, an die Verleger auch weiterhin - wenngleich nunmehr unter Vorbehalt - bis zu 50 Prozent der allein den Urhebern zustehenden gesetzlichen Vergütungen auszuschütten.

Manch einer wird sich fragen, weshalb Gewerkschaften und Berufsverbände der Urheber jahrzehntelang in so schwerwiegender Weise gegen die Interessen ihrer eigenen Mitglieder agiert und den Verlegern Vergütungsanteile zugeschustert haben, die allein den Urhebern zustanden. Die Antwort ist einfach: In den Gewerkschaften und Berufsverbänden sind mehrheitlich angestellte Urheber organisiert, die wirtschaftlich deutlich weniger als freie Autoren auf die Erlöse aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen angewiesen sind. Für Angestellte sind Tarifverträge von vorrangigem Interesse.

Bei der Verhandlung von Tarifverträgen hoffen die Funktionäre womöglich auf ein Entgegenkommen der Verleger dafür, dass sie ihnen einen Teil der gesetzlichen Vergütung der Urheber überlassen haben. Also: Ein Nullsummenspiel für die Angestellten, aber ein erheblicher Schaden für die Freien und ein Grund für die Funktionäre zum Selbstlob! Sie vergessen, dass gesetzliche Vergütungsansprüche keine beliebige Verhandlungsmasse sind: Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind gesetzliche Vergütungsansprüche (wie die Geräteabgabe) ein Ausgleich der Urheber für den Schaden, den gerade sie (nicht die Verleger!) dadurch erleiden, dass ihre Werke durch gesetzlich zugelassene Privatkopien genutzt werden dürfen (siehe auch mein Perlentaucher-Artikel "Verspottung der Urheber").


II.

Der VG Wort musste stets bewusst sein, dass sie Erträge aus der Wahrnehmung gesetzlicher Vergütungsansprüche nicht an Verleger ausschütten durfte. Erst recht galt das nach dem Beginn des Verfahrens "Verlegeranteil". Auch eine Ausschüttung an Verleger "unter Vorbehalt" verbot sich daher von selbst. Die VG Wort war auch nicht berechtigt, für den Fall des Unterliegens vor dem BGH Rückstellungen aus Erträgen zu bilden, die lange zurückliegenden Geschäftsjahren zuzurechnen sind. Dies hat die VG Wort jedoch getan und für die Rückstellungen vor allem Nachzahlungen verwendet, die sie im Jahr 2009 von der zahlungspflichtigen Geräteindustrie für die Jahre 2002 bis 2007  für vergütungspflichtige Multifunktionsgeräte und für die Jahre 2008 bis 2013 für PC-Repro erhalten hatte. Hinzu kamen nicht ausgeschüttete Erträge der Geschäftsjahre 2012 bis 2015.

Auch mit diesem Vorgehen verletzt die VG Wort in grober Weise ihre Treuhandpflichten. Die von der Geräteindustrie für die Jahre 2002 bis 2007 nachgezahlten Beträge sind an diejenigen Urheber auszuschütten, deren Rechte die VG Wort in diesen Jahren wahrgenommen hat. Diese Verpflichtung zur periodengerechten Ausschüttung bedeutet, dass die Nachzahlungen der Vergütungsschuldner für vergütungspflichtige Geräte und aus nicht ausgeschütteten Erträgen der Geschäftsjahre 2012 bis 2015 ganz anderen Urhebern zustehen als denjenigen, denen die VG Wort nach dem Urteil des BGH "Verlegeranteil" Nachzahlungen schuldet. Rückstellungen sind zur Absicherung von Marktrisiken gedacht, nicht dagegen zum Abfedern von Schäden durch vorsätzliche Verletzungen von Treuhandpflichten. Derzeit lässt ein wissenschaftlicher Autor die Rechtmäßigkeit dieser Rückstellungen der VG Wort gerichtlich überprüfen.

Außerdem haben die Vorstände der VG Wort und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zur Verminderung ihres Haftungsrisikos ein sogenanntes "Verzichtsmodell" entwickelt. Die Einzelheiten des Verzichtsmodells sind in einem Korrekturverteilungsplan festgelegt, den die Mitgliederversammlung der VG Wort am 26.11.2016 beschlossen hat. Danach konnten bis Ende Februar 2017 alle Autoren gegenüber der VG Wort auf die ihnen zustehenden Nachzahlungen verzichten. In dieser Höhe sollte sich die Rückzahlungsverpflichtung der Verleger gegenüber der VG Wort vermindern. Auch dagegen bestehen schon deshalb erhebliche rechtliche Bedenken, weil ein Verzicht zum Rückfall der Verzichtsbeträge in den Verteilungstopf führen muss. Auch das Verzichtsmodell wird derzeit gerichtlich überprüft. Beide Klageschriften können im Netz abgerufen werden.

Nach wie vor ist die VG Wort nachdrücklich mit Unterstützung der Urheberverbände, namentlich von ver.di und dem DJV, darum bemüht, die Interessen der Verleger auf Kosten der Urheber zu fördern. Sie beruft sich jetzt auf neue Vorschriften des Verwertungsgesellschaftengesetzes (§§ 27, 27a VGG), die unter massivem Einsatz der Verlegerlobby und mit Unterstützung der VG Wort Ende Dezember 2016 durch den Bundestag gepeitscht worden sind. Um die rechtlichen Bedenken, die gegen diese Vorschriften bestehen, hat sich dabei niemand geschert (mehr dazu hier). Warum auch: Verleger und VG Wort können sich auf die unbedingte Unterstützung der Presse, vor allem angestellter Journalisten der FAZ und der SZ, verlassen, wenn es um die Erledigung der Schmutzarbeit persönlicher Diffamierungen geht - Sachkenntnis spielt dabei eine allenfalls untergeordnete Rolle (mehr hier, "Die FAZ musste ihre Artikel über Martin Vogel und den VG Wort-Streit richtigstellen") . Urheber haben dem kaum etwas entgegenzusetzen. Sie haben als solche keine Lobby.


III.

Wie die VG Wort fortfährt, die Interessen der Verleger grundlos zu fördern, obwohl diese bei ihr keine Rechte einbringen, zeigen einige Beispiele aus den Vorschlägen zur Änderung des Verteilungsplans, die der Vorstand am 20. Mai - sicher mit Billigung der staatlichen Aufsicht durch das Deutsche Patent- und Markenamt - zur Abstimmung stellen will (das dabei maßgebliche Verwertungsgesellschaftengesetz, VGG, kann hier abgerufen werden).

Zu TOP 5a (Vorschläge zur Änderung des Verteilungsplans)

1. § 1 Abs. 1 Verteilungsplan-Entwurf
Diese aus dem früheren Verteilungsplan übernommene Vorschrift soll unverändert bleiben. Danach soll bei der Verteilung darauf abgestellt werden, wer "Inhaber von Urheber- und Nutzungsrechten an Sprachwerken" ist und mit der VG Wort einen Wahrnehmungsvertrag abgeschlossen hat.

Nach dieser Regelung kommt es nicht - wie rechtlich zwingend - auf die Rechteeinbringung an, sondern nur auf die Rechtsinhaberschaft. Dabei wird der Fall nicht berücksichtigt, dass ein Urheber oder Verlag zwar Inhaber von Rechten ist, diese Rechte aber nicht bei der VG Wort eingebracht hat (§ 10 Satz 1, § 12 Abs. 1 VGG). Wer aber keine Rechte eingebracht hat, darf auch keine Ausschüttungen erhalten (Art. 11 Abs. 4 VG-Richtlinie).

2. § 3 Abs. 2 Verteilungsplan-Entwurf
Nach dieser Vorschrift soll die Ausschüttungsberechtigung bei ausschließlichen Nutzungsrechten unabhängig davon sein, wer die Rechte bei der VG Wort eingebracht hat. Diese auf den ersten Blick harmlos klingende Vorschrift soll Verleger massiv auf Kosten der Urheber begünstigen:

Eine Verwertungsgesellschaft darf Einnahmen aus den Rechten grundsätzlich nur an diejenigen ausschütten, die Rechte eingebracht haben. Dies folgt nicht nur aus dem Treuhandgrundsatz, sondern auch aus der zwingenden Vorschrift des Art. 11 Abs. 4 VG-Richtlinie (Richtlinie 2014/26/EU vom 26.2.2014). Nutzungsrechte werden jedoch schon jetzt in aller Regel von den Urhebern durch ihren Wahrnehmungsvertrag vorab bei der VG Wort eingebracht. Verleger können diese Rechte deshalb in den erst später folgenden Verlagsverträgen nicht mehr erwerben.

Da die VG Wort in Zukunft nur noch auf der Grundlage von Wahrnehmungsverträgen tätig werden will, werden Verlage allenfalls in seltenen Ausnahmefällen noch Nutzungsrechte bei der VG Wort einbringen können. Für gesetzliche Vergütungsansprüche gilt nichts anderes (selbst dann, wenn man die umstrittene Meinung teilt, dass Verleger gesetzliche Vergütungsansprüche erwerben können, um sie im Eigeninteresse bei einer Verwertungsgesellschaft einzubringen).

Grundlage der gegenüber den Urhebern grob unbilligen Verteilungsplanregelung soll § 27 Abs. 2 VGG sein. Diese Vorschrift ist jedoch unionsrechtswidrig, da sie klar gegen den bereits zitierten Art. 11 Abs. 4 VG-Richtlinie verstößt (siehe dazu Vogel, "Verspottung der Urheber", unter IV.).

3. § 3 Abs. 6 Verteilungsplan-Entwurf
Diese Vorschrift des Verteilungsplans ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, mit welchen Mitteln Autoren in den Gremien der VG Wort durch rechtswidrige Begünstigung "eingebunden" werden.

§ 3 Abs. 6 Satz 1 Verteilungsplan-Entwurf lautet:

"Herausgeber werden in der Sparte Vervielfältigung von stehendem Text (Vergütung für wissenschaftliche sowie Fach- und Sachbücher gem. § 45 und § 54) mit 50 Prozent des ausschüttungsfähigen Urheberanteils berücksichtigt, wenn sie ein Sammelwerk mit mindestens vier Textbeiträgen verschiedener Urheber zusammengestellt oder eine wissenschaftlich kommentierte Ausgabe eines gemeinfreien Werkes herausgegeben haben."

Diese Vorschrift soll unverändert aus dem früheren Verteilungsplan übernommen werden. Sie ist jedoch offensichtlich rechtswidrig. Herausgeber haben als solche kein Urheberrecht an den Beiträgen, die in der herausgegebenen Veröffentlichung enthalten sind. Als Herausgeber können sie allenfalls ein Urheberrecht an der schöpferischen Grundstruktur der Veröffentlichung besitzen, das heißt ein Urheberrecht an dem sogenannten Sammelwerk (§ 4 UrhG, vergleiche Leistner in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 5. Aufl. 2017, § 4 UrhG Rdnr. 34). In aller Regel werden Herausgeber in dieser Eigenschaft aber nicht einmal Urheber eines Sammelwerkes, weil die Zusammenstellung und Ordnung von Beiträgen anderer nur ausnahmsweise so kreativ ist, wie dies für den Urheberrechtsschutz notwendig ist. Bei juristischen Kommentaren etwa ist die Gestaltung fast durchweg sachbedingt. Herausgeber gehören zwar häufig aufgrund eigener Textbeiträge für das Sammelwerk oder durch die Mitarbeit an Beiträgen anderer zu den Miturhebern des Sammelwerkes. Ist dies der Fall, gelten aber für sie die allgemeinen Vorschriften des Verteilungsplans. In ihrer Eigenschaft als Herausgeber stehen ihnen auch dann keine Wahrnehmungserträge zu.

Sollte das Sammelwerk ausnahmsweise urheberrechtlich schutzfähig sein, gibt es keine rechtmäßigen Vervielfältigungen des Sammelwerkes als solchem. Das Sammelwerk wird nur in seltenen Fällen insgesamt vervielfältigt. Ist dies doch einmal der Fall, ist die Vervielfältigung rechtswidrig. Für rechtswidrige Vervielfältigungen wird jedoch keine Gerätevergütung geschuldet. Für diese Vervielfältigungen kann es deshalb auch keine Ausschüttungen der VG Wort geben.

Es ist danach rechtswidrig, wenn die VG Wort an Herausgeber in dieser Eigenschaft Wahrnehmungserträge ausschüttet. Es kommt deshalb gar nicht mehr darauf an, dass die vorgesehene Quote von 50 Prozent unverkennbar unverhältnismäßig ist.

Die Ausschüttungen an Herausgeber sind nur dadurch erklärbar, dass Herausgeber traditionell in Vorstand und Verwaltungsrat der VG Wort eine starke Stellung haben. Es handelt sich neben den rechtswidrigen Ausschüttungen an Verleger um einen weiteren Fall, in dem die VG Wort Insidern rechtswidrig Wahrnehmungserträge zuschanzt. Es geht meines Erachtens darum, die Herausgeber in die Gremien der VG Wort "einzubinden". Die Rechtswidrigkeit von Ausschüttungen an Herausgeber, noch dazu in dieser Höhe, ist so offensichtlich, dass eine vorsätzliche Verletzung der Treuhänderpflichten naheliegt.

4. § 3a Verteilungsplan-Entwurf
Diese Regelung beruht auf § 27a VGG, der jedoch unionsrechtswidrig ist (vergleiche von Ungern-Sternberg GRUR 2017, 217/234; Vogel, "Verspottung der Urheber" unter IV.).

TOP 5b (Vorschläge zur Änderung des Verteilungsplans)

1. Abschnitt I § 1 Abs. 1 des Entwurfs des Übergangs- und Ergänzungsverteilungsplans
a) Einbeziehung der nachträglichen Einnahmen aus der Gerätevergütung für die Jahre 2002 bis 2007

Entgegen früheren Erklärungen will die VG Wort nun doch die nachträglichen Einnahmen aus der Gerätevergütung für die Jahre 2002 bis 2007 - für 2001 ist wohl eine Sonderregelung geplant, das heißt eine Verteilung nach dem alten Verteilungsplan - zur Gänze für die Ausschüttungen für das Jahr 2016 einsetzen. Das ist rechtswidrig, weil die VG Wort - wie oben II. dargelegt - verpflichtet ist, Wahrnehmungserträge periodengerecht auszuschütten, das heißt für die Jahre, für die sie eingenommen worden sind.

b) Zurückhaltung der Hälfte des Autorenanteils

Nach den Vorstellungen der VG Wort sollen die Autoren weiter auf die Auszahlung der Ertragsanteile warten, die rechtswidrig an die Verleger ausgeschüttet worden sind. Auch dabei geht es allein darum, die Verleger zu begünstigen.

Der Entwurf sieht vor, dass die Autoren zunächst nur eine Abschlagszahlung von 50 Prozent auf die ihnen vorenthaltenen Ausschüttungen erhalten sollen. Die andere Hälfte soll ihnen erst nach dem 30. September 2017 zukommen (Abschnitt I § 1 Abs. 1 und 2 des Entwurfs des Übergangs- und Ergänzungsverteilungsplans). Wer daraus schließt, dass mit den Nachzahlungen wenigstens im Oktober zu rechnen ist, irrt: In Abschnitt I § 1 Abs. 6 ist versteckt geregelt, dass die Ausschüttung der zweiten Hälfte der den Urhebern zustehenden Beträge "schnellstmöglich, spätestens mit der Hauptausschüttung 2018", also zwei Jahre nach dem BGH-Urteil "Verlegeranteil", erfolgen soll.

Der Grund für diese weitere Verzögerung um bis zu ein Jahr (!) ergibt sich aus Abschnitt I § 1 Abs. 1 und 2: Es geht wieder einmal um eine Begünstigung der Verleger.

Die allein berechtigten Autoren sollen bis zum 30. September 2017 erklären können, "ob sie im Hinblick auf die Vergütung der entsprechenden Werke einer Beteiligung des jeweiligen Verlags zustimmen". In der Sache bedeutet das, dass die berechtigten Urheber auf die bereits mögliche sofortige Auszahlung des "Verlegeranteils" weiter bis zu ein Jahr warten müssten, nur weil vielleicht einige (wenige) Urheber ihren Verlegern einen Anteil an den ihnen zustehenden Erträgnissen zukommen lassen wollen. Die VG Wort würde damit in grober Weise ihre Treuhänderpflichten gegenüber den vielen tausend berechtigten Urhebern verletzen, gerade auch gegenüber den Nichtmitgliedern unter den Urhebern, nur um erneut den Verlegern einen Gefallen zu tun. Dafür gibt es nicht den geringsten Sachgrund. Autoren, die der Ansicht sind, dass ihr Verleger eine Beteiligung an den ihnen zustehenden Erträgen verdient hat, könnten diesem einen Anteil daran ohne weiteres unmittelbar überweisen.

Die vorgesehene Verzögerung der Ausschüttungen an die Urheber wäre ein klarer Verstoß gegen § 28 Abs. 2 VGG, der vorschreibt, "dass die Einnahmen aus den Rechten spätestens neun Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres, in dem sie eingezogen wurden, verteilt werden". Zudem ist eine Verwertungsgesellschaft nach §23 VGG verpflichtet, die Einnahmen aus den Rechten "mit der gebotenen Sorgfalt" zu verteilen. Diese Sorgfaltspflicht wird verletzt, wenn die Ausschüttungen zu Gunsten der Verleger, die in diesem Zusammenhang nichts anderes als nichtberechtigte Dritte sind, derart verzögert werden. Ein sachlicher Grund im Sinne des § 28 Abs. 3 VGG, der die VG Wort an der ordnungsgemäßen Durchführung der Verteilung hindern würde, ist nicht gegeben.


IV.

Wer gehofft hatte, die VG Wort werde sich nach dem BGH-Urteil vom 21.4.2016 eines Besseren besinnen, hat sich getäuscht. Nicht die Interessen der Urheber, die bei ihr Rechte einbringen, bestimmen ihr Handeln, sondern die Interessen der Verleger, denen die einschlägigen Rechte fehlen. Es findet eine Umverteilung statt, die mit treuhänderischer Rechteverwaltung nur sehr bedingt zu tun hat.

Weitere kritische Punkte hat ein Artikel auf VG Info aufgegriffen. Auch er offenbart die Kaltschnäuzigkeit, mit der die VG Wort zusammen mit den Verbänden der Verleger und Urheber, von denen sie einige auch noch finanziell unterstützt, die Interessen der Verleger befördert, obwohl diese ihr nur ein geringes Rechtevolumen anvertraut haben. Da die Aufsichtsbehörde nicht ihrer Aufgabe entsprechend korrigierend eingreift, bleibt zur Korrektur der rechtlich höchst zweifelhaften Verhältnisse in der VG Wort nur der Rechtsweg. Verleger sind im Wahljahr dem verantwortlichen Justizminister, dem das DPMA untersteht, eben besonders wertvoll.

Martin Vogel