Romane und Erzählungen / Lyrik, Reportagen, Erinnerungen / Politische Bücher / Sachbücher

Lyrik


Ko Un gilt als einer der bedeutendsten Dichter Südkoreas. Auch er war wegen seines Protests gegen die Militärdiktatur 1980 im Gefängnis, so dass die Zeit die Geschichte des modernen Korea und seiner Literatur mittlerweile als eine Geschichte der Inhaftierung seiner Dichter versteht. Die in "Die Sterne über dem Land der Väter" versammelten Gedichte erschienen nach seiner Entlassung und kritisieren neben dem japanischen Kolonialismus auch die Diktatur. Es sind aber auch einige Stücke aus Ko Uns riesigem Projekt zu bewundern, allen Personen, denen er jemals begegnet ist, ein Gedicht zu widmen. Diese "Geschichtsschreibung von unten" begeistert die Zeit, die das Vorhaben auch als Beleg des buddhistischen Empathie-Ideals deutet.

Yisang, der 1937 mit 27 Jahren nach der Verhaftung wegen "ungesunden Gedankenguts" in Tokio starb, hat mit seinen dadaistischen und surrealistischen Gedichten die Moderne nach Korea gebracht. Ausgerechnet beim Erzfeind Japan hatte er die Anregungen für seine formalen Experimente bekommen, die die heimische, an konfuzianische Naturlyrik gewohnte literarische Öffentlichkeit in empörte Aufregung versetzten. Der Dichter wurde zu einem Symbol des kulturellen Umbruchs in Korea in den 20er Jahren, sein in "Mogelperspektive" versammeltes lyrisches Werk somit nicht nur zu einem literarischen, sondern auch zeitgeschichtlichen Dokument.

Mit aufrichtiger Sympathie und Rührung haben die Kritiker Friederike Mayröckers "Abschiedsbuch" für Ernst Jandl "Und ich schüttelte einen Liebling" gelesen. Mit nicht nachlassender Sprachkraft habe Mayröcker eine "Symbiografie" (SZ) über die Liebe, das Schreiben und die Abwesenheit geschrieben, ein von "künstlerischer Rücksichtslosigkeit" geleiteter Blick auf den Kern des Menschlichen. Die NZZ würde am liebsten Amy Clampitts "Eisvogel" zur Pflichtlektüre machen. Beeindruckt hat sie vor allem, dass Clampitt und ihre Verse immer auf Reisen sind, von Mexiko bis nach Hellas, von Asur bis Auschwitz. Die 1996 verstorbene Amerikanerin, die ihr Debüt als Dichterin 1983 im Alter von 63 Jahren gab, sei eine "Visionärin, die nie den Kopf verliert". Ans Herz gelegt wird uns noch ein Gedichtband der polnischen Nobelpreisträgerin Wislawa Szymborska, "Der Augenblick / Chwila" (), dessen "schwebende Anmut" die FR bewundert.


Reportagen und Essays

Wieder ist der Historiker Karl Schlögel durch Osteuropa gereist, nach Nischni Nowgorod, Krakau und Riga, nach Brünn und Bukarest - und in die litausche Provinzstadt Marjampole zum größten Gebrauchtwagenmarkt der Welt. Hier, unter den Händlern und Fernfahrern, hat er die eigentlichen Europäer gefunden. Die FAZ bewundert den genauen Blick auf "Alltägliches", den Schlögel in seinen Essays und Reportagen "Marjampole" beweist. Sehr erfrischend findet die NZZ das Buch angesichts der sonstigen "Mattigkeit" des europhilen Diskurses. Die FR mag zwar nicht ganz Schlögels Diktum "Europäisierung ist offene Grenzen plus Automobilisierung" folgen, hat sich aber trotzdem von seiner Entdeckerfreude anstecken lassen.

"Das kommt auf uns zu", freut sich die taz über das Osteuropa, das der polnische Schriftsteller Andrzej Stasiuk in seinen Reportagen "Unterwegs nach Babadag" beschreibt. Seit sieben Jahren reist Stasiuk durch den "ewig unfertigen Saustall des Ostens", wie er liebevoll alles nennt, was sich zwischen Ostsee und Schwarzem Meer auftut: von Albanien über Rumänien bis Transnistrien. "Stasiuk lesen heißt, das Bewusstsein zu erweitern", schwärmt die taz. Gelobt wird auch Wolfgang Büschers Reportage "Deutschland eine Reise" Wie schon für sein Vorgängerbuch "Berlin - Moskau" () hat sich Büscher für drei Monate zu Fuß aufgemacht, diesmal in eine "fremde, düstere Zauberwelt" - die deutsche Grenze entlang. Die SZ lobt das Buch als kenntnisreich und hintergründig und rät, über den recht hohen Pathosgehalt einfach hinwegzulesen.


Erinnerungen / Tagebücher

In ausgelassenste Schwärmereien gerieten die Kritiker über Martin Walsers Tagebücher aus den Jahren 1951 bis 1962 "Leben und Schreiben" (). "Selten habe ich in jüngster Zeit ein Buch gelesen, das so wispert und knistert und raunt von der Faszination durch Frauen", frohlockt Fritz J. Raddatz in der Zeit, der über den wunderbaren Tagebüchern den "brachialen Redner" Walser glatt vergessen hat. Überaus scharfsinnig findet auch die FR diesen Band, der schon ganz im typischen Walser-Stil geschrieben sei: "Eigentümlich scharf und weich zugleich." Tief berührt hat der Theatermacher Luc Bondy die Rezensentinnen von SZ, NZZ und Zeit mit seinen Erinnerungen an die Kindheit "Meine Dibbuks" (). NZZ-Rezensentin Barbara Villiger Heilig hat dabei Hinweise darauf gefunden, dass Bondys "schwebender Witz" aus der generellen Schwierigkeit des Daseins rührt. Ach ja, ein Dibbuk ist der Geist eines Toten, der sich eines Lebenden bemächtigt.

"Was für ein Buch, was für eine Figur!": In den höchsten Tönen spricht die taz von Peter Glotz' und seinen Erinnerungen "Vom Heimat zu Heimat" (). Ein "letztes, glänzendes Stück " sei dem bereits schwer erkrankten Glotz hier gelungen. Es beginnt mit der Flucht der Familie aus Böhmen und endet mit dem Umzug in die Schweiz. Dazwischen liegen die deutsche Nachkriegsgeschichte, eine Karriere als SPD-Politiker , Intellektueller und als Universitätsrektor - und immer wieder neue Heimaten.

Romane und Erzählungen / Lyrik, Reportagen, Erinnerungen / Politische Bücher / Sachbücher