Yisang

Mogelperspektive

Das poetische Werk
Cover: Mogelperspektive
Droschl Verlag, Graz 2005
ISBN 9783854206965
Gebunden, 168 Seiten, 19,00 EUR

Klappentext

Aus dem Koreanischen und mit Nachworten von Marion Eggert, Matthias Göritz und Hanju Yang. Den meisten mitteleuropäischen Lesern ist nicht bewusst, dass sich die Moderne nicht nur auf den Schauplätzen der europäischen (und nordamerikanischen) kulturellen Inszenierungen ereignete, sondern auch, z.B., in Ostasien. In Korea etwa war der Dichter Yisang in den 20er und 30er Jahren des 20. Jhds. eine solche Figur des kulturellen Umbruchs, deren Bedeutung mit den Jahren nur noch zunahm und beinahe zu mythischer Größe anwuchs. Der Autor, der seinen bürgerlichen Namen gemeinsam mit seiner bürgerlichen Existenz ablegte und mit dem Pseudonym Yisang zeichnete, starb mit 27 Jahren nach einem unsteten Leben in der Hauptstadt der Kolonialmacht Japan, das damals Korea besetzt hielt, an Tuberkulose, knapp nach seiner Verhaftung wegen "ungesunden Gedankenguts" (nämlich antikolonialistischer Gesinnung). Heute zählen seine Werke, die er in wenigen Jahren schrieb, zu den Grenzsteinen der Moderne in Korea.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.12.2005

Hocherfreut zeigt sich Rezensent Jörg Drews über diesen Band mit Gedichten des Koreaners Yisang (1910 - 1937), den Marion Eggert, Hanju Yang und Matthias Göritz herausgegeben haben. Wie Drews berichtet, markierten Yisangs Gedichte einen radikalen Bruch mit den Gedichtmustern der koreanischen Literatur, zeichnen sie sich doch durch eine Geschlossenheit aus, der ohne die japanische Rezeption der westlichen Literatur der Moderne nicht möglich gewesen wäre. Er würdigt die Gedichte, die damals einen Schock bei den Zeitgenossen auslösten, als ästhetisch revolutionär. Yisang habe das stilistische Repertoir etwa der Bildlichkeit, der Verkettung von Sätzen, des Changierens zwischen realistischer und metaphorischer Wortverwendung neu gehandhabt und konstruktiv freigesetzt. "Man könnte sagen, dies sei ja ‚reine Literatur’, selbstbezügliche ‚Literatur-Literatur’", versucht Drews die Besonderheit dieser Gedichte auf den Punkt zu bringen, "aber die Beunruhigung durch diese Gedichte und kurzen Prosastücke ist bis heute tiefer als die durch manches an die aktuelle Politik gebundene Werk".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 30.11.2005

Jan Wagner bespricht einen Gedichtband des 1910 geborenen Yisang, und stellt den Lyriker als den ersten modernen Dichter Koreas vor. Der Autor gilt als der "koreanische Rimbaud" und erinnert in seinen avantgardistischen Gedichten an die "französischen Surrealisten", erklärt der Rezensent, der dann gleich selbst findet, dass dieser Vergleich "zu kurz greift". Denn wie "fremdartig" und "schockierend" Yisangs in Prosa verfassten Gedichte auf das Lesepublikum der 30er Jahre gewirkt haben muss, findet der eingenommene Wagner auch heute noch in den Versen spürbar, die sich jeglicher "poetischer Normerfüllung", sei sie politischer oder sinnstiftender Natur, verweigern. Der Rezensent räumt ein, dass es mitunter - bei allen "freudvollen Mühen", die "Hermetik" der Verse zu durchdringen - auch "Längen" gibt und ihn die "semantische Entregelung" der Sprache bei Yisang nicht immer zu "überzeugen" vermag. Dafür preist Wagner den Autor als "Meister der spektakulären Gedichtanfänge" und findet manche Textstellen "schlicht umwerfend". Und zudem zeigt er sich vom "authentischen Ich", das aus diesen Gedichten spricht, berührt, denn Tod und Krankheit, die häufig in diesen Texten auftauchen, lassen sich nicht zuletzt auch auf den bereits mit 27 Jahren an Tuberkulose gestorbenen Autor selbst beziehen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.10.2005

"Man könnte", schreibt Katharina Borchardt, "die Geschichte des modernen Korea und seiner Literatur durchaus als eine Geschichte der Inhaftierung seiner Dichter schreiben". Yisang (1910-1937) war einer von vielen, die von der japanischen Kolonialmacht im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts ins Gefängnis gesperrt wurden. Ironischerweise geht seine Bedeutung für die koreanische Literatur auf Einflüsse zurück, die er in Japan erwarb: Es war Yisang, der als erste Koreaner mit dadaistischen und surrealistischen Gedichten auf sich aufmerksam macht - so sehr, informiert Borchardt, dass ein Schrei der Empörung durch die an konfuzianische Naturlyrik gewohnte literarische Öffentlichkeit ging. Doch da hatten Yisangs formale Experimente schon die literarische Moderne nach Korea gebracht.
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