Verena Güntner

Power

Roman
Cover: Power
DuMont Verlag, Köln 2020
ISBN 9783832183691
Gebunden, 254 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Die selbstbewusste Kerze ist gerade noch ein Kind. Sie lebt in einem kleinen, von Wald und Feldern umgebenen Dorf, das kaum mehr zweihundert Bewohner hat. Die Alten, zu denen die Nachbarin Hitschke gehört, sind in der Überzahl. Kerze verteidigt ihr Dorf gegen den Schwund, sie ist hier fest verwurzelt. Eines Tages geht Power, der Hund der Hitschke, verloren, und Kerze verspricht, ihn zu finden. Eine Suche beginnt, der sich immer mehr Kinder anschließen. Als die Kinder schließlich im Wald verschwinden, erklärt die Dorfgemeinschaft den Ausnahmezustand. Verena Güntner erzählt die Geschichte einer Radikalisierung und davon, was mit einer Gemeinschaft geschieht, die den Kontakt zu ihren Kindern verliert.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 16.04.2020

Rezensentin Eva Pfister fragt sich, was Verena Güntners Roman für ein Text ist, und wie man ihn zu lesen hat. Ein kleiner Hund namens Power geht verloren, ein selbstbestimmtes Mädchen mit dem Namen Kerze begibt sich im Wald auf die Suche, und bald schließen sich ihr auch die anderen Kinder des Dorfes an. Auf allen Vieren folgen sie ihrer harschen Anführerin durchs Unterholz. Für einen klassischen Coming-of-age-Roman ist diese Handlung zu unrealistisch, zu magisch, findet die Rezensentin. Obwohl die Differenz zwischen Eltern und Kindern, die Abkopplung einer Generation von der anderen durchaus eine zentrale Rolle spielt. Man könnte "Power" als Parabel auf aktuelle demografische Entwicklungen lesen - das Sterben der Dörfer und die Ablösung der Kleinbauern durch mächtige Landwirte. Für einen "politischen Gesellschaftsroman" fehlen dem Text aber die Nuancen und Schattierungen, meint Pfister, ohne dies zu kritisieren. Vielmehr scheint sie darin eine Qualität zu entdecken, die das märchenhafte Wesen des Textes unterstützt. Die Rezensentin jedenfalls zeigt sich äußert berührt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.03.2020

Rezensent Hubert Winkels sieht das "Ende der Parabel" gekommen mit diesem Roman von Verena Güntner. Wenn ihm die Autorin von dem Mädchen Kerze erzählt, die alle Kinder des Dorfes versammelt, um Hund Power imWald zu suchen, wobei die Kinder zunehmend selbst zum Rudel werden -inklusive toben, beißen und am Anus der anderen riechen - weiß Winkels nicht recht, ob er eine moderne Variante des "Herrn der Fliegen", eine"dystopische Umkehrung" von "Emil und die Detektive" oder einen Romanüber einen "Freiheitsakt mit antizivilisatorischen Motiven" liest. Stört den Rezensenten aber auch nicht weiter: Wenn keine Interpretationsmöglichkeiten bleiben, bleibt dennoch: "gute Literatur",schließt er.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 12.03.2020

"Beeindruckend monströs" findet Rezensentin Verena Auffermann diesen zweiten Roman Verena Güntners, der in einem Dorf spielt, in dem die Erwachsenen offenbar abstoßend kalte Figuren sind. Anders die Kinder, die den Erwachsenen eine Lektion in Sachen Mitgefühl erteilen, indem sie sich selbst in Hunde verwandeln, um einen verlorenen Hund zu suchen, lesen wir. Die "schmucklose Sprache" findet die Rezensentin genau richtig, um der ganzen Kälte dieser Gesellschaft, die keine persönlichen Gefühle zuzulassen scheint, angemessen Ausdruck zu verleihen. Die gelegentlichen Ausflüge Güntners ins Phantastische hätten gar nicht sein müssen, findet sie.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.03.2020

"Deprimierend und verstörend" nennt Rezensent Tilman Spreckelsen diesen Roman von Verena Güntner, was ihn aber nicht davon abhält eine klare Leseempfehlung auszusprechen. Die Geschichte um die kleine Kerze, die sich auf die Suche nach einem entlaufenen Hund begibt und sich ähnlich Simenons Maigret in das Opfer einfühlt, führt dem Kritiker die Abgründe und Gewalt des Dorflebens vor Augen. Darüber hinaus bewundert er, wie Güntner die Fremdartigkeit und Rätselhaftigkeit des Geschehens aus verschiedenen Perspektiven schildert. Sogkraft und der enthüllende "poetische Schleier" der Sprache machen den Roman für Spreckelsen zum "Höhepunkt" der Saison.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 07.03.2020

Rezensent Elmar Krekeler möchte Verena Güntners Dorfroman am liebsten gleich zweimal lesen. Die Referenzfreude der Autorin ächzt vielleicht ein bisschen, aber das tut der Sogkraft des Romans keinen Abbruch, versichert er. Gebannt folgt er der kleinen Kerze, die auf der Suche nach dem Nachbarshund alle Dorfkinder wie eine Rattenfängerin mit in den Wald lockt, wo die Kinder bald verwildern: Kerze ist ein "Herr der Fliegen des 21. Jahrhunderts", erkennt Krekeler. Auch die im Dorf zurückgelassenen Erwachsenen "verrohen" bald, fährt der Kritiker fort. Wie Güntner von Ängsten, Schuld und Radikalisierung erzählt, magisch, märchenhaft und mit scharfer Beobachtungsgabe, findet der Rezensent bemerkenswert.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 04.03.2020

Rezensentin Katharina Granzin versteht nicht ganz, worum es Verena Güntner mit ihrem Roman eigentlich geht. Die Geschichte um einen Haufen im Wald verschwindender und verwildernder Kinder liest sie zwar "weg wie nichts", doch das im Text aufgebaute Bedrohungspotenzial verpufft einfach, muss Granzin feststellen. Dass sich hinter dem frischen, geraden und dadurch irgendwie verdächtigen Duktus der Prosa nichts Arges verbirgt, kann Granzin kaum glauben. Doch genau so ist es: Eine Entwicklung findet im Buch einfach nicht statt, ein Geheimnis gibt es nicht, verrät sie.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.02.2020

Was hier passiert hat mit Realismus nichts zu tun, erklärt Rezensentin Judith von Sternburg, und trotzdem ist es wahrhaftig, denn es erzählt von Wahrheiten: Von einem entfremdeten und nicht nur von Gott verlassenen Dorf, vom Erwachsenwerden und der Freiheit durch Selbstermächtigung in einer dunklen Welt. Nun könnte man glauben, es handle sich um eine einfache Parabel, aber auch mit dieser literarischen Kategorie greift man bei Güntners Roman "Power" zu kurz, glaubt die Kritikerin. Die Figuren und Elemente in diesem Buch stehen vor allem für sich selbst: Unlogisch handelnde Erwachsene, ein zielstrebiges Kind namens Kerze, eine Gruppe weiterer Kinder, die sich auf der Suche nach einem Hund zu Tieren verwandeln und ein einsamer Nazi, dessen Wille gebrochen wird. Die personale Erzählstimme wechselt von Figur zu Figur, am liebsten jedoch zu Kerze. Sie weiß über alles Bescheid und erzählt davon in einem einfachen, präzisen und doch raumgreifenden Ton, so von Sternburg. Zurecht wurde dieser einfallsreiche und düster "schillernde" Roman für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert, so die schaudernde Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.02.2020

Rezensentin Marie Schmidt hat sich mit den beiden neuesten Dorfromanen auseinandergesetzt. Verena Güntners Buch kann sie besten Gewissens empfehlen: Die Geschichte, in der die Dorfkinder sich in den Wald zurückziehen und fortan wie Hunde in einem Rudel leben, erscheint ihr als brillante Allegorie auf die Verweigerung des Akkulturationsprozesses, denn das geordnete Dorfleben, dem die Erwachsenen nachgehen, geht ihr zufolge auf Kosten der Menschlichkeit. Auch Güntners humorvolle Spiele mit der genreüblichen Gesellschaftskritik haben Schmidt gefallen - alles andere als eine harmlose Kindergeschichte, schließt sie.
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