Urs Faes

Und Ruth

Roman
Cover: Und Ruth
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001
ISBN 9783518412121
Gebunden, 184 Seiten, 16,36 EUR

Klappentext

Die Frau auf dem Bahnhof, ist es wirklich Ruth, die geheimnisvolle Freundin eines Mitschülers auf der Klosterschule, kaum verändert nach all den Jahren? Oder nur eine Einbildung? Zu erzählen wäre eine irritierende Liebesgeschichte. Plötzlich, unabweisbar tauchen Erinnerungsbilder auf aus einer Welt, die jahrzehntelang versunken war. Eine Eisenbahnbrücke wird sichtbar, ein Stauwehr, eine Totenwache...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.05.2001

Trotz einiger Kritikpunkte zeigt sich Sibylle Birrer beeindruckt von diesem "Stimmungsbild adoleszenter Teilnahmslosigkeit". Es geht, wie der Leser erfährt, um die Erinnerungen eines Mannes an seine Internatszeit und den Gewissenskonflikt wegen einer möglichen Mitschuld am Selbstmord eines Mitschülers. Birrer scheinen hier vor allem die verschiedenen Gegensätze und Kontraste zu gefallen: etwa zwischen dem grauen Internatsalltag der sechziger Jahre einerseits und einer geradezu grotesk anmutenden Leidenschaftlichkeit eines Wagner liebenden Physiklehrers. Oder der Wechsel zwischen "atmosphärischer Verknappung und bildhafter Ausschmückung". Dabei zeigt sich Birrer sehr angetan von Faes' geschickt eingesetzten Mitteln hinsichtlich des Erzähltempos: "hier ein Rubato, dort ein Accelerando oder eine Fermate", und das alles "mitnichten manieristisch", wie die Rezensentin betont. Bedauerlich findet Birrer lediglich, dass im Buch ausgerechnet die Erinnerungen an den Selbstmord des Mitschülers blass bleiben und sich Faes dabei mit Andeutungen begnügt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.05.2001

Der Autor, schreibt Lutz Hagestedt, habe einige "glückliche Entscheidungen" getroffen. Der Ehrgeiz und der Anspielungsreichtum, mit denen Faes dem Leser das Motiv einer "Lebensschuld" so peu à peu nahebringt, gehören dazu. Und auch das Changieren der Sprechhaltung, das Präsens des "erinnernd wiederholenden Nachvollzugs des vor langer Zeit Durchlebten und Durchlittenen". Zudem gefällt Hagestedt die Mehrfachkodierung der Figuren, die biblische und mythologische Bezüge ermöglicht und die erfahrbar wird, "ohne dass sie erklärt werden müsste". So weit, so gut. Dann aber ist Faes ein Schweizer. Und der Schweizer, meint Hagestedt, ist ein umständlicher Mensch: "Der Erzähler ... scheint entschlossen, alles dreimal zu sagen." Diese Missachtung des Ökonomie-Prinzips (insbesondre bei der Verwendung der Metapher) tut dem Buch nicht gut. Sie führt erst zur Idiomatik und dann "zum flachen Oberflächenbefund", zur Phrase, "zu papierener Prosa und falscher Bildlichkeit". Schreibt Hagestedt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 14.04.2001

Martin Luchsinger zeigt sich nachhaltig beeindruckt von Urs Faes neuen Roman, den er gleich in der Überschrift seinen bislang besten nennt. Besonders lobenswert findet Luchsinger, dass es der Autor diesmal geschafft hat, Überfrachtung zu vermeiden und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, ohne daraus eine Anleitung zum Handeln abzuleiten, "subtil und krass zugleich" . Die Erzählung rekonstruiert die Suche nach dem Grund für einen Selbstmord vor 40 Jahren in einem Internat. Faes lässt den Erzähler und ehemaligen Zimmergenossen Halluzinationen von des Toten Ex-Freundin haben, mit der er sich in Folge auseinandersetzen muss und schafft so "eine paradoxe Form eines Dialoges", die die Annäherung an dieses Thema erst ermöglicht. Diesen Kunstgriff, den Ich-Erzähler, offen über "Schuld und Tod" nachdenken zu lassen, findet Luchsinger sehr gelungen.
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