Tom McCarthy

Der Dreh von Inkarnation

Roman
Cover: Der Dreh von Inkarnation
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783518431238
Gebunden, 445 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Tief in den Archiven der Zeit- und Bewegungspionierin Lillian Gilbreth liegt ein Geheimnis. Berühmt für die Herstellung solider Lichtspuren, die die Bewegungsmuster von Arbeitern aufzeichnen, hatte Gilbreth, zur Begeisterung von NASA und KGB, die Möglichkeiten von Massenüberwachung und Big Data revolutioniert. Aber hatte sie, wie sie in einem ihrer Briefe andeutet, gegen Ende ihres Lebens tatsächlich auch ein "perfektes" Uhrwerk entdeckt, das "alles verändern" würde? Eine weltumspannende Jagd beginnt, nach dieser einen Box, die in ihrem Nachlass fehlt, und wir folgen einem jungen Bewegungserfassungsforscher namens Mark Phocan durch unsere flirrende Gegenwart, über geopolitische Verwerfungslinien und durch Experimentierzonen und mitten hinein in die Dreharbeiten zum Blockbuster-Film "Inkarnation", einer epischen Weltraumtragödie, die endgültig die Geheimnisse menschlicher Erfahrung lüften soll... "Der Dreh von Inkarnation" ist eine Breitwand-Odyssee durch medizinische Labore, Computergrafikstudios und militärische Forschungseinrichtungen, dunkle Orte, an denen die Grenzen unserer Möglichkeiten - zu unterhalten, zu verstehen, zu heilen, zu töten - ständig getestet und weiter verfeinert werden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.10.2023

Eine "Poesie des Medialen", ganz an den großen Medientheoretiker Friedrich Kittler angelehnt, liest Rezensent Tobias Döring in Tom McCarthys neuem Roman, auf den man, wie er deutlich macht, viele Perspektiven haben kann. Diese Perspektiven machen eine Inhaltsangabe schwer, räumt er ein, als Spionagethriller kann man das Buch ebenso bezeichnen wie als Nerdgeschichte, Wissenschaftsroman und groß angelegte Spurensuche, die das Lesepublikum selbst vornehmen muss. Es geht um physikalische Bewegungskurven ebenso wie um Datenflüsse, bei denen der Kritiker noch nicht ganz sicher ist, ob er sich da wirklich einklinken will, auch verlangt "dieses strapaziöse Buch" ein "ziemliches Vokabeltraining" in der technisch-naturwissenschaftlichen Sprache ab. So wird der Roman für ihn auch sehr technisch und wenig menschlich, McCarthy will "alles Humanistische austreiben", er scheint sich noch nicht ganz sicher zu sein, wie er das zu bewerten hat, aber er weiß mit Sicherheit, dass der Übersetzer Ulrich Blumenbach ganze Arbeit geleistet hat, wie er schließt.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 21.04.2023

Rezensent Samuel Hamen hält Tom McCarthys Roman für visionär und aufregend und nicht für kalt, wie Kritiken bei der Original-Veröffentlichung 2021 feststellten. Wie der Autor anhand eines Sci-Fi-Filmdrehs und seiner Hintergründe erkundet, wie sich technologische Parameter unseres Daseins verändern, das scheint Hamen gekonnt und von überzeugender intellektueller Schärfe. Wenn die Filmemacher im Buch wortreich über Stil und Technik streiten und dauernd von Exoskeletten, Zeitmusteranalysen und Lillian Gilbreth die Rede ist, findet Hamen das außerdem ziemlich humorvoll.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.04.2023

Rezensent Jan Wilm findet in Tom McCarthys Roman sowohl Referenzen an den "postmodernen Detektivroman" eines Alain Robbe-Grillet als auch an Tim und Struppi. Die Basis für McCarthys Roman sind die Studien der amerikanischen Psychologin Lilian Gilbreth, einer Pionierin der Technologie der Bewegungserfassung, die die Möglichkeiten von Überwachungstechnologien und Big Data erheblich erweiterten, informiert der Kritiker. Im Buch jagen alle einer verschollenen Schachtel aus Gilbreth' Nachlass nach, die Revolutionäres enthalten soll. Packend und fabulierfreudig gestaltet der Autor das, freut sich Wilm, dabei dekonstruiert er die technologieabhängige Gegenwart auf humorvolle Weise. Das ist "große Literatur", versichert der Kritiker.