Thomas Bauer

Die Kultur der Ambiguität

Eine andere Geschichte des Islam
Cover: Die Kultur der Ambiguität
Verlag der Weltreligionen, Berlin 2011
ISBN 9783458710332
Gebunden, 462 Seiten, 32,90 EUR

Klappentext

Alle Kulturen müssen mit Ambiguität leben. Sie unterscheiden sich jedoch dadurch, wie sie damit umgehen. Zweideutigkeit wird hingenommen, ja mitunter wird sie bewußt erzeugt und nimmt wichtige kulturelle Funktionen ein, etwa in Konventionen der Höflichkeit und der Diplomatie, durch Riten oder Kunstwerke. Sie kann aber auch vermieden und bekämpft werden. Kulturen unterscheiden sich also durch ihre unterschiedliche Ambiguitätstoleranz. In islamischen Kulturen ist in dieser Hinsicht während der letzten Jahrhunderte ein Wandel zu beobachten, der sich so deutlich und mit solch drastischen Konsequenzen kaum anderswo zeigt: von einer relativ großen Toleranz hin zu einer bisweilen extremen Intoleranz gegenüber allen Phänomenen von Vieldeutigkeit und Pluralität. Während zum Beispiel im 14. Jahrhundert die Varianten des Korantexts und die Vielzahl an Auslegungsmöglichkeiten als Bereicherung galten, ist dies heute vielen Muslimen ein Ärgernis. Die Erforschung des Umgangs mit kultureller Ambiguität ist ein Gegenstand der Mentalitätsgeschichte. Verläss man den eurozentrischen Blickwinkel und stellt Denken, Fühlen und Handeln der Menschen in den Mittelpunkt des Interesses, kommt man zu einer alternativen, nicht teleologisch gefärbten Geschichtserzählung.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.02.2012

Thomas Bauers Thesen könnten "unser Verständnis der arabisch-islamischen Geschichte verändern" verkündet Rezensent Christian Meier über die "Kultur der Ambiguität". Der Rezensent erfährt, dass der Islam früher in der Lage war, große Unterschiede in der Gesellschaft zu integrieren, ohne sie auszulöschen. Diese Toleranz für Ambiguität sei ein wesentlicher Teil der verschiedenen Kulturen im Nahen Osten gewesen und hätte sich erst durch den Einfluss "rationalistischer westlicher Ideologien" verändert. Meier prophezeit, dass das Buch auf Widerstand stoßen wird und fragt sich schon einmal, ob die gepriesene Toleranz nicht nur im "intellektuellen Diskurs" anzutreffen sei und ob Bauer das moderne Europa im starken Kontrast zu ihr wirklich angemessen darstellt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.10.2011

Die Journalistin und Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur möchte Thomas Bauers Buch über muslimische Kultur allen ans Herz legen, die gern mit aus dem Kontext gerissenen Koranzitaten, sei es als Islamkritiker oder als Fundamentalisten, ihre Thesen apodiktisch zu untermauern pflegen. Der Autor zeigt darin nämlich die vielen alternativen Wahrheiten, die in der muslimischen Kultur herrschten, und belegt, dass der Islam von je her von "Ambiguität" und "Pluralismus" geprägt war. Bauer kann anhand vieler Beispiele aus der Medizin, der Philosophie oder der Kunst, aber auch nachweisen, dass es entgegen gängigen Behauptungen jahrhundertelang keine Trennung zwischen weltlicher und religiöser Sphäre gegeben hat und die Religion durchaus nicht alle Lebensräume durchdrungen hat, so die Rezensentin sehr angetan.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.09.2011

Eine bahnbrechende Darstellung des Islams, einen neuen kulturwissenschaftlichen Klassiker vom Kaliber von Edward Saids "Orientalismus" sieht Stefan Weidner in Thomas Bauers Großessay. Laut Weidner versucht der Islamwissenschaftler nicht weniger als eine Revision unseres Islambildes, indem er frühe orientalische Quellen quasi für sich sprechen lässt. Und Weidner traut seinen Ohren nicht: Nichts von preskriptiver Intoleranz! Im Gegenteil, geduldete, ja erwünschte Mehrdeutigkeit überall, sogar in der Koranforschung und in der Rechtspflege! Und den Paradigmenwechsel hin zu einer ausschließlich verstandenen islamischen Wahrheit erklärt der Autor dem verblüfften Rezensenten auch. Bauer verweist auf den Zwang, sich dem exkludierenden Wahrheitsdenken des Westens anzupassen!
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