Barbara Honigmann

Georg

Roman
Cover: Georg
Carl Hanser Verlag, München 2019
ISBN 9783446260085
Gebunden, 160 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

"Mein Vater heiratete immer dreißigjährige Frauen. [Nur] er wurde älter… Sie hießen Ruth, Litzy, das war meine Mutter, Gisela und Liselotte…" Das ist die private Seite einer Lebensgeschichte, die um die halbe Welt führt: Herkunft aus Frankfurt, Odenwaldschule, Paris-London-Berlin, dazwischen Internierung in Kanada, nach der Emigration der Weg in die DDR. Und bei alldem die wiederkehrende Erfahrung: "Zu Hause Mensch und auf der Straße Jude." Barbara Honigmann erzählt von ihrer deutsch-jüdisch-kommunistischen Sippe.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 02.05.2019

Rezensent Terry Albrecht rührt die Vatergeschichte, die Barbara Honigmann hier aus neutraler Erzählperspektive erzählt, nicht zuletzt wegen der Bezüge, die die Autorin herstellt zwischen dem schillernden Leben eines Bohemiens zwischen Exil, Spionage und DDR-Kulturelite einerseits und ihrem eigenen Leben andererseits. Die Prägungen, die die Vaterbiografie in Honigmanns Lebensgeschichte hinterließ, werden für Albrecht bei der Lektüre deutlich. Faszinierend findet er darüber hinaus den Wechsel zwischen Nähe und Distanz, der diese Erinnerungen an ein Leben zwischen 1903 und 1984 prägt, sowie ihre individuelle Taktung. Honigmann folge eigenen Einfällen, nicht der Chronologie der Geschehnisse, erklärt Albrecht. Das so entstehende Porträt eines Mannes des 20. Jahrhunderts überzeugt Albrecht gerade auch durch seine Lückenhaftigkeit.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.03.2019

Hanna Engelmeier staunt, wie zugewandt und zugleich dezent Barbara Honigmann in diesem Buch vom Leben ihres Vaters berichtet, obgleich sie ihm selbst als Kind oft unverständig gegenüberstand. Engelmeier liest das Buch als Ergänzung zu der Geschichte, die Honigmann über ihre Mutter verfasste. Für die Rezensentin eine interessante Lektüre, da die Autorin den umtriebigen Vater unter anderem anhand von Geheimdienstakten zu fassen versucht und sich assoziierend dem Verstorbenen nähert, ohne die eigene Beziehung zu ihm eigentlich zu thematisieren. Dass dabei auch ein Bild des Intellektuellenmilieus der DDR entsteht, ist für Engelmeier ein willkommener Bonus.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.03.2019

Für den Rezensenten Markus Clauer ist Barbara Honigmann längst eine "Instanz" in puncto Elternbücher. Entsprechend erfreut nimmt der Kritiker das neue Vaterbuch der Autorin zur Hand, das ihr einmal mehr von dem jüdischen Journalisten und Bohemian Georg, seinen Liebschaften, seiner Emigration ins Londoner Exil und seinem Leben in der DDR-Kulturelite erzählt. "Herznah, unverblümt und schnoddrig" nennt der Kritiker den Erzählton, der aber durchaus auch melancholische Noten zulasse. Nicht nur als Memoir, sondern auch als "Phänomenologie von Liebe und Verrat" und deutsche Geschichte kann er das Buch unbedingt empfehlen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.02.2019

Rezensent Paul Jandl schätzt Barbara Honigmanns Versuch, das Leben ihres Vaters zu rekonstruieren. Das Leben des Journalisten Kommunisten und Bohémiens Georg Honigmann in den "Glamour-Regionen" der DDR wirkt auch tatsächlich romanhaft, meint Jandl. Ansonsten aber überwiegen die Fakten, erklärt er. Das Widersprüchliche der Figur wird für Jandl gespiegelt in den Sprüngen, die die Erzählung nimmt. Jandl liest das Buch auch als Ergänzung zu Honigmanns Mutter-Buch "Ein Kapitel aus meinem Leben", ein Selbsterklärungsversuch scheint es ihm allerdings nicht zu sein.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.02.2019

Jakob Hessing spürt die Nähe zum Vater in Barbara Honigmanns "Georg" auf jeder Buchseite. Überhaupt bewundert er das Vermögen der Malerin und Schriftstellerin, derart eindringliche und einfühlsame Porträts zu entwerfen, dass man ihre Figuren nicht mehr vergisst. Den Vater, dessen Humor unter der Zensur der DDR-Diktatur zu zerbrechen drohte, begleitet der Kritiker hier durch vier Ehen, zuletzt mit der Schauspielerin Gisela May, liest aber auch, wie die Autorin über die Auseinandersetzung mit ihrem Vater, der sein Judentum ablehnte, dem es aber im Kommunismus auch von staatlicher Seite untersagt wurde, selbst zum Judentum zurückfand. Nicht zuletzt erfährt Hessing hier einiges über das Schicksal kommunistischer Gruppen im London der Kriegsjahre und jenes von West-Emigranten, die ins Visier der Stasi gerieten.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.02.2019

Zu Barbara Honigmanns siebzigsten Geburtstag blickt Rezensent Lothar Müller etwas weitgreifender auf das von ihm geschätzte Werk der Schriftstellerin, die immer wieder ihre Familiengeschichte zum Anlass ihres Schreibens nimmt - ohne jedoch das Literarische zu vernachlässigen, wie der Kritiker hinzufügt. Einmal mehr begegnet er hier Honigmanns Vater Georg, dem nichtreligiösen jüdischen Journalisten und Lebemann, der die Judenverfolgung im englischen und kanadischen Exil überlebt, vier Ehen und noch mehr Affären führt und sich im Rentenalter in der DDR der Frage nach einem "Für und Wider die Emanzipation der Juden" widmet. Wie Honigmann ihren Vater frei von Sentimentalitäten in den Griff bekommt, hat den Rezensenten beeindruckt.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.02.2019

"Georg" ist nicht das erste Buch, in dem Barbara Honigmann sich ihren Eltern zuwendet, weiß Rezensentin Judith von Sternburg, bereits in "Eine Liebe aus nichts" traten sie auf, und in "Ein Kapitel aus meinem Leben" ging es um eine frühere Ehe ihrer Mutter. Nun also ist Honigmanns Vater Georg an der Reihe, ein 1903 in Wiesbaden geborener, nicht religiöser Jude, der als London-Korrespondent der Vossischen Nachrichten die Judenverfolgung in England und Kanada überlebt und nach Kriegsende als überzeugter, wenn auch reichlich naiver Kommunist in die DDR immigriert, fasst die Rezensentin zusammen. Wie es der Autorin gelingt, sich ihrem lebenslang wurzellosen Vater in nüchterner, gänzlich unspekulativer Weise zu nähern und so sein Leben "exemplarisch und individuell zugleich" erscheinen zu lassen, macht "Georg" für Sternburg zu einem "so intensiven, abgrundtief traurigen Buch".

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 01.02.2019

Ebenso "schmal" wie "intensiv" nennt Rezensentin Manuela Reichart dieses Buch, das die in Straßburg lebende Berliner Autorin Barbara Honigmann ihrem Vater Georg gewidmet hat. Die Kritikerin liest hier die Geschichte des jüdischen Journalisten und Bohemian, der für das Deutsche Reich spionierte. Wie die Autorin ihren Vater umkreist, bewegend und um Verständnis ringend, dabei auch den Einfluss des Vaters auf die eigene Lebensgeschichte reflektierend, findet Reichart beeindruckend.