Ruth Rehmann

Ferne Schwester

Roman
Cover: Ferne Schwester
Carl Hanser Verlag, München 2009
ISBN 9783446233942
Gebunden, 328 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Ende der vierziger Jahre: Die junge Madeleine hat im Zweiten Weltkrieg alles verloren, Familie und Heimat. Ihr Traum, einen Neuanfang zu machen, erfüllt sich nicht. Als auch die Liebe zu Anton scheitert, wagt sie den großen Schritt. Madeleine schließt sich einer Gruppe deutscher Journalisten an, die als Erste über Frankreich nach Algerien reisen dürfen. Doch dort scheint sich schon der nächste Krieg anzubahnen. Nach vielen Jahren kehrt Ruth Rehmann mit einem großen Roman zurück, wie es ihn in Deutschland noch nicht gegeben hat: die Geschichte einer jungen Frau, die die Enge des zerstörten Europa der Nachkriegszeit hinter sich lässt und erst in der Fremde ihre eigene Geschichte versteht.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.03.2010

So habe noch keiner über die Nachkriegszeit geschrieben, stellt ergriffen Helmut Böttiger über diesen Roman fest, als dessen Stationen er Heidelberg, Oberbayern, Algerien, Marseille und Paris benennt. Das Faszinierende wie Prekäre an diesem Buch von Ruth Rehmann besteht für den Kritiker in einer Mischung aus suggestivem Zeitkolorit und geschilderter intensiver Nächstenliebe, aus der "fast traumhafte Skizzen" entstehen, wie er schreibt. Dieser "interessante, überraschende Roman" sei daher voller unerwarteter Geschichten, oder "sinnlich aufgeladener, plastischer Situationsbilder", in denen Böttiger sich die allgemeine Lage jener Zeit spiegeln sieht. Auch gelingt es der 1922 geborenen Autorin, sehr authentisch den Lebenshunger ihrer von den Zeiten entwurzelten Protagonistin Clara einzufangen. Nur die Rahmenhandlung findet Böttiger eine Spur aufgesetzt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.01.2010

Begeistert von der schillernden Erzählart des neuen Romans "Ferne Schwester" von Ruth Rehmann zeigt sich Joseph Hanimann. Die achtundsiebzigjährige Autorin legt nun nach zehnjähriger Pause eine Geschichte vom Ende des Krieges vor, in der eine junge Deutsche eine Reise von Berlin über Marseille nach Algier antritt, um sich, so der Rezensent, in den Nachkriegswirren selbst zu finden. Für Hanimann liegt die Besonderheit dieses Buches in der Reichhaltigkeit und Mehrdeutigkeit der Komposition und Figurendarstellung Rehmanns. Außerdem betont er ausdrücklich, dass dies der wohl erste deutsche Roman ist, der sich mit der Situation in Nordafrika nach dem Krieg beschäftigt, wo sich bereits ein weiterer Krieg anbahnt. Voller Lob äußert sich der Rezensent über den Klang des Buches, den, wie er meint, nur Autoren der Nachkriegsjahre beherrschen.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.10.2009

Als Sensation bezeichnet Rezensent Andreas Wirthensohn dieses "Alterswerk einer großen Verkannten" der Nachkriegsliteratur. Obwohl ihm diese plakative Zuschreibung dann angesichts des Feinsinns dieses autobiografisch grundierten Textes doch recht unzureichend erscheint. Zunächst staunt der Rezensent, wie frisch, lebendig und jung dieses Werk der Siebenundachtzigjährigen daher kommt, das seinem Eindruck zufolge der Roman einer ganzen Generation geworden ist: all jener, die zu jung waren, um im Nationalsozialismus persönlich schuldig zu werden, und die doch die geistigen und materiellen Verheerungen mit voller Wucht zu tragen gehabt hätten. Die Frau, die der Rezensent hier erzählen hört, entwickelt - wie er schreibt - in Briefen an eine "geistige" Schwester ihre Lebenskoordinaten. Es beginne in den letzten Kriegsmonaten und schildere auf dem Weg durch die Zeit auch die Geschichte einer Emanzipation, die für den Rezensenten voller Eindringlichkeit und "nicht zuletzt sprachlichen" Lebendigkeit ist. Im Vergleich dazu wirkt ein Buch wie beispielsweise die "autobiografischen Einlassungen des Zwiebelhäuters Günter Grass" auf ihn "peinlich selbstgefällig".