Ruth Klüger

unterwegs verloren

Erinnerungen
Cover: unterwegs verloren
Zsolnay Verlag, Wien 2008
ISBN 9783552054417
Gebunden, 240 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Ruth Klügers autobiografisches Überlebensbuch "weiter leben", war ein beklemmendes Augenzeugnis der Konzentrationslager von Theresienstadt, Auschwitz-Birkenau, Christianstadt. Doch was kam nach dem Krieg? Aus dem dreizehnjährigen Mädchen, dem die Gaskammer nur durch einen glücklichen Zufall erspart geblieben war, wurde eine angesehene Literaturwissenschaftlerin, eine selbstbewusste Feministin und eine international ausgezeichnete Schriftstellerin. Der American Way of Life in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die komplexe Beziehung zu ihren zwei Söhnen, die unglückliche Ehe und die als Befreiung empfundene Scheidung sind Themen dieser Autobiografie. Hier erzählt eine Frau, die sich ihre Muttersprache ebenso zurückerobert wie ihre Geburtsstadt Wien, die sich mit den Verlusten, die das Altern bringt, auseinandersetzt und sich den Schatten und Visionen der Vergangenheit, aber auch denen der Gegenwart stellt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 29.11.2008

Diese Memoiren der KZ-Überlebenden Ruth Klüger knüpfen dort an, wo ihr Erinnerungsbuch "weiterleben" von 1992 aufhörte, und beleuchten ihren Werdegang als Literaturwissenschaftlerin in den USA nach dem Krieg. Respekt zollt Rezensent Klaus Bittermann ihrer unversöhnlichen Position zum Antisemitismus, die andere Kritiker ihr oft als Bitterkeit oder veraltetes Denken ausgelegt haben. In Bittermann Augen ist Ruth Klüger aber eher jemand mit einer rar gewordenen Einstellung, nämlich der, "intellektuell wach zu sein für gesellschaftliche Stimmungen, radikal zu sein".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.11.2008

Als "furioses Werk der Erinnerung" würdigt Paul Jandl dieses Buch der in den USA lebenden Wiener Germanistin und Schriftstellerin Ruth Klüger. Anknüpfend an ihre Erinnerungen "weiter leben", die ihre Kindheit im Holocaust beschreiben, schildert Klüger in "unterwegs verloren" ihre Zeit nach dem Krieg in den USA. Die Erinnerungen scheinen Jandl "lakonisch-trotzig", wenn Klüger behauptet, auch die Trauer habe ein Ablaufdatum, sieht er in dem Buch doch eben dieser Trauer ein Denkmal gesetzt. Am meisten haben ihn Klügers Erinnerungen beeindruckt, wenn es um Nachrufe geht, auf ihre Mutter, ihren Bruder, auf Freunde und Feinde, zu denen auch Siegfried Unseld und Martin Walser zählen. Hier werden die Erinnerungen für ihn zu "großer Literatur".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.10.2008

"Kein behagliches Buch", schreibt Rezensentin Ursula März über den zweiten Teil von Ruth Klügers Memoiren, doch sei Behaglichkeit wahrlich keine Kategorie, die dieser Text im Auge hätte. Vielmehr handele es sich um das Buch einer "ebenso empfindsamen wie aggressiven politischen und menschlichen Kränkbarkeit" - verfasst aus der Perspektive der doppelten Kränkung als Jüdin und als Frau im 20. Jahrhundert. Ruth Klüger schreibe von den Zumutungen eines kaum kaschierten Antisemitismus in der Nachkriegszeit, schreibe auch kritisch über das scheinbar freie Amerika und seinen Universitäten. Aber auch berufliche Kränkungen wie die Zurückweisung des "weiter-leben"-Manuskripts durch Siegfried Unseld oder der Bruch mit Jugendfreund Martin Walser wegen dessen aus Klügers Sicht antisemitischen Romans "Tod eines Kritikers" sowie sehr private, familiäre Geschichten werden den Informationen der Rezensentin zufolge in Klügers Memoiren verhandelt, und zwar ziemlich schonungslos. Keine durchweg angenehme Lektüre, wie man aus ihren Ausführungen schließen kann, aber doch eine sehr erhellende.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.08.2008

Der Autorin bescheinigt Renate Wiggershaus einen Sinn für Ambivalenzen. Erlebnisse und Erfahrungen mit menschlichen Beziehungen und Lebensläufen, wie der Verlust des Freundes Martin Walser, entdeckt Wiggershaus in dieser Fortsetzung von Ruth Klügers autobiografischem Buch "weiter leben" jede Menge. Dass Klügers Verhältnis zur deutschsprachigen Welt ihrer Herkunft gleichfalls von Ambivalenzen geprägt ist, erfährt die Rezensentin in diesem Band, wenn die 1948 in die USA emigrierte Autorin über ihre Begegnung mit der neuen und der Wiederbegegnung mit der alten Welt berichtet. Das reflektiert Autobiografische erscheint Wiggershaus zugleich als ein "Stück Literatur", in dem die Perspektivik stets zweiseitig ist: fröhlich und mahnend.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.08.2008

Ruth Klüger schreibt ihre Erinnerungen fort. Das geht nicht ohne Abschiede ab: Sie schildert, wie sie sich ihre KZ-Nummer aufwendig weglasern lässt. Sie ruft ihrer Mutter, zu der sie ein im Buch "weiter leben" geschildertes schwieriges Verhältnis hat, nach. Und vor allem beschreibt sie ihren Werdegang als Germanistin an amerikanischen Universitäten. Wie sie dies tut, damit freilich ist der Rezensent Lothar Müller nicht einverstanden. Kann doch nicht sein, scheint er sagen zu wollen, dass all die - in erster Linie - Männer, denen sie in ihrer Laufbahn begegnet ist, so widerlich waren, wie Klüger sie darstellt. Und dann wird auch noch Siegfried Unseld - der den ersten Erinnerungsband ablehnt - als "extrem unhöflicher Deutscher" porträtiert. Das geht nun nicht bzw. passt für den Rezensenten ins Bild. Immer scheint Klüger nur die Misogynie, den Antisemitismus, kurzum: die negativen Züge dieser Männer zu sehen. Und die Netten, die es doch auch gegeben haben muss, von denen schreibt sie nicht. Dazu die Direktheit, mit der sie ihre Kritik auch am ersten Ehemann äußert. Hätte sie das nicht, scheint Müller zu fragen, irgendwie literarisch verbrämen können? Es ist, als wollte er, ohne es sich ganz zu trauen, sagen: Was Ruth Klüger da tut, das gehört sich nicht.
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