Jens Malte Fischer

Karl Kraus

Der Widersprecher. Biografie
Cover: Karl Kraus
Zsolnay Verlag, Wien 2020
ISBN 9783552059528
Gebunden, 1104 Seiten, 45,00 EUR

Klappentext

Jens Malte Fischer holt Karl Kraus mit einer großen Biografie zurück in die Gegenwart. Im Alter von 25 Jahren gründet er "Die Fackel", die er von 1911 bis 1936 alleine schreibt, die "Letzten Tage der Menschheit" werden zur radikalen Abrechnung mit dem Weltkrieg, die "Dritte Walpurgisnacht" nimmt es auf mit der Hitlerei. Karl Kraus: Das sei der größte und strengste Mann, der heute in Wien lebe, heißt es bei Elias Canetti. Kraus, geboren 1874 im böhmischen Jicin, gestorben 1936 in Wien: Für die einen war er Gott, für andere der leibhaftige Gottseibeiuns. Sein Name ist legendär geblieben, doch wofür er stand, das verblasst mehr und mehr. Jens Malte Fischer holt ihn jetzt mit einer großen Biografie in die Gegenwart. Persönlichkeit und Werk, Freund- und Feindschaften, Sprüche und Widersprüche zeigen einen der größten Schriftsteller in seiner Zeit und darüber hinaus.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 28.05.2020

Rezensentin Katharina Teutsch liest Jens Malte Fischers Kraus-Biografie mit Gewinn. Die Widersprüche des Menschen und Polemikers Kraus kann Fischer ihr vermitteln, ebenso Kraus' Verhältnis zu Freud im Wien der Jahrhundertwende und die stilistische Penibilität des "Fackelträgers". Was das Politische angeht, so relativiert der Biograf, meint Teutsch: Kraus maß seine politischen Urteile vor allem an seiner persönlichen "rigiden" Humanitätsidee. So weitschweifig die Biografie ist, so flott erzählt ist sie auch, versichert die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 23.05.2020

Rezensent Dirk Schümer schwelgt mit Jens Malte Fischer im Kraus'schen hohen Stil. Staunend beugt sich der Rezensent, geleitet von Fischer, über diesen Autor und seine Widersprüche, wenngleich nicht gerade über die von Fischer empfohlene Lyrik. Was es mit Kraus' Judenhass, seinen sexuellen Präferenzen, seinen beißenden Kritiken auf sich hat, stellt ihm Fischer aber differenziert dar und führt den Leser zudem in den Kosmos der Habsburger Metropole. Missverständnisse klären sich, vorschnelle Urteile, wenn Fischer zeitgeschichtliche Kontexte eröffnet, versichert der Rezensent. Und auch stilistisch bleibt der Biograf seinem Vorbild verpflichtet, so Schümer.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 18.05.2020

Thomas Palzer lernt Karl Kraus als Kritiker seiner Epoche kennen in Jens Malte Fischers monumentaler Biografie. Wie Frauen, Feinde und sein "erotisches Verhältnis" zur Sprache Kraus und seine Arbeit prägten, vermag ihm der Autor kenntnisreich herauszuarbeite. Das Buch bietet laut Rezensent ein "opulentes" Panorama, das den Menschen Karl Kraus und seine Lebenswelt im Wien Ende des 19. Jahrhunderts gleichermaßen abbildet, den Alltag, die Freunde und Feinde, die Lektüre wie den Schreibprozess, so Palzer.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.03.2020

Daniel Kehlmann himself bespricht Jens Malte Fischers Biografie des brillanten Polemikers Karl Kraus. Kehlmann war, wie er erzählt, als Student ein großer Kraus-Verehrer und Mitarbeiter an einem Wörterbuch, fühlte sich aber zunehmend befremdet von der Unbedingtheit, Kompromisslosigkeit und Schärfe der Kraus'schen Verdikte. Fischer versöhnt ihn wieder ein bisschen mit Kraus, und zwar auf eine ganz und gar unkrausianische Art: Dem Münchner Germanisten ist alles Apodiktische fremd, er schreibt ohne Rechthaberei oder Herablassung, fast schon ausgewogen, betont Kehlmann. Das Buch erscheint ihm weniger als Biografie denn als eine Gesamtschau allen Wissens über Karl Kraus, schon jetzt und auf lange Sicht, wie er freundlich warnt, das ultimative Standardwerk. Danach den großen Satiriker zu ignorieren oder geringzuschätzen sei unmöglich.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.03.2020

Eine schwierige Person, dieser Karl Kraus, konzediert Lothar Müller, und daher als Gegenstand einer Biografie auch nicht so einfach. Das Werk jedenfalls müsse bei diesem Mann mitbedacht werden - und werde es in diesem Buch auch auf höchst befriedigende Weise, findet der Kritiker. Kraus wird von diesem Autor, der ein "nachgeborener Kraus-Anhänger" sei, gezeigt als großer Widersacher nicht nur seiner "Feinde", sondern auch seiner selbst. Nicht leicht zu fallen scheine es dem Autor, sich von Kraus zu distanzieren, aber bei dessen Verdikt gegen Heinrich Heine sei solch ein Punkt erreicht. Weniger deutlich fällt die Distanzierung des Biografen aus, wenn es um den Antijudaismus von Kraus geht und seine radikale Forderung nach Assimilation. Dass er zu Hitler geschwiegen habe, dieses Urteil über Kraus korrigiert der Biograf allerdings durch seinen Blick auf einen frühen, erst spät vollständig publizierten Essay. So ist Müller zwar beeindruckt, kommt aber nicht wirklich zu einem klaren oder positiven Urteil.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.03.2020

Rezensent Helmut Mayer spricht eine milde Warnung aus vor Jens Malte Fischers Kraus-Biografie. Der Autor nämlich neigt ganz und gar nicht zur Bündigkeit. Dass Mayer was lernt, wenn Fischer Zettelkasten über Zettelkasten umstülpt und "umständlich" daraus über Kraus' Leben und Werk fabuliert, ist gar nicht die Frage, schließlich ist Fischer ein ausgewiesener Kraus-Kenner, weiß Mayer und sieht das auch bestätigt, ob nun bei der durchaus souveränen Behandlung der Frage nach Kraus' Antisemitismus oder der nach seinem Reaktionismus. Nur: Weniger Wiederholungen und mehr Verdichtung und Prägnanz wären halt schön gewesen bei so einem Standardwerk, findet der Rezensent.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de