Rohan Kriwaczek

Eine unvollständige Geschichte der Begräbnis-Violine

Cover: Eine unvollständige Geschichte der Begräbnis-Violine
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2008
ISBN 9783821845913
Gebunden, 312 Seiten, 34,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen übersetzt von Isabell Lorenz. Seit den kulturellen Umwälzungen der Reformationsjahre war sie zu hören - nur von denen nicht, deren tränenreiches Gedenken ihr schmerzlichschönes Spiel galt, den Toten: die Beerdigungs-Violine (auch "Totengeige") ersetzte die römisch-katholischen Bestattungsrituale im protestantischen und anglikanischen Europa. Doch die Geschichte der melancholischen, zutiefst bewegenden Begräbnis-Kompositionen geriet nach der Gegenreformation in Vergessenheit, und die Mitglieder der 1586 gegründeten britischen Gilde der Totengeiger verzogen sich vor mehr als 170 Jahren in den Untergrund einer Geheimgesellschaft. In Deutschland, wo es bis zum ersten Weltkrieg von mehreren Künstlern mit besonderer Inbrunst ausgeübt wurde, ist das schaurig-schöne musikalische Genre völlig ausgestorben. Der englische Musikologe Rohan Kriwaczek - selbst praktizierender Geigenspieler, Flötist und Klezmer-Spezialist - hat einen zufälligen Zugang zu dem Archiv der Gilde gefunden und eine schier unglaubliche Chronik dieser zu Unrecht missachteten Musikrichtung und ihrer gedemütigten Künstler geschrieben.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.05.2008

Die Trauervioline unterscheidet sich vom gewöhnlichen Instrument durch den Totenkopf anstelle der Schnecke, in den der Hals mündet. Und unvollständig ist die hier erzählte Geschichte der Violine, genauer gesagt: ihres Einsatzes auf Beerdigungen seit dem 16. Jahrhundert, weil die Tradition beinahe vergessen ist beziehungsweise war und auch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beinahe abriss - große Teile des Notenmaterials sind zum Beispiel verschollen. Rohan Kriwaczek nun ist einer der wenigen, die die alte Tradition fortsetzen. Er will ihr mit diesem Buch ein Denkmal setzen und nach Ansicht des Rezensenten Tobias Heyl gelingt ihm das auch in überzeugender Weise. Um Subtilität geht es, erläutert Heyl, beim Spiel des Trauerviolinisten gar nicht - er will die Trauernden vielmehr an empfindlichen Stellen packen, und zwar, indem er dem Instrument entlockt, wozu es eigentlich gar nicht gemacht ist: "Trauermärsche" zum Beispiel. Berühmt bis heute ist der Virtuose John Babcotte, der bei der Beerdigung des Dichters Sir Philip Sidney aufspielte - und aus dessen Darm der Legende nach manche Trauerviolinenseite gemacht ist. Der Rezensent ist nach Anhören von Beispielen auf Kriwaczeks Website von der Qualität der Trauerviolinenkompositionen nicht so ganz überzeugt - das Buch selbst aber scheint ihm allemal "intelligent, kenntnisreich und reich an kühnen Syn- und Hypothesen".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.05.2008

Mit großer Faszination und leiser Melancholie hat Holger Noltze diese Darstellung der Begräbnis-Violine von Geiger, Komponist und Schriftsteller Rohan Kriwaczek gelesen. Über die Musik der Trauervioline ist, wie der Rezensent betont, in der einschlägigen musikwissenschaftlichen Literatur bisher kaum etwas zu lesen. Der britische Autor, der laut Noltze selbst der "Zunft der Trauerviolinisten" als Präsident vorsteht, hat ein an informativen, amüsanten und traurigen Details reiches Buch geschrieben, das von gründlichem Quellenstudium zeugt, wie der Rezensent lobt. Nach Kriwaczek nahm die Begräbnisviolinmusik im 16. Jahrhundert mit George Babcott, einem Günstling der englischen Königin, der später als Häretiker verfolgt wurde, ihren Anfang. Den Beginn des Niedergangs der Trauer-Violinmusik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schreibe der Autor den bösen Bemühungen Papst Gregor XVI zu und hier entfalte er eine an schaurigen Einzelheiten reiche Verschwörungstheorie, so Noltze gefesselt. Die besten Passagen erinnern den Rezensenten wegen ihrer Komik gar an Klassiker wie Sternes "Tristram Shandy" oder Boswells "Dr. Johnson" und überhaupt hat er dieses "skurrile und sehr britische Buch" offenkundig sehr genossen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.04.2008

Rezensentin Irene Binal ist begeistert von diesem Buch von Rohan Kriwaczek, das sich ihren Informationen zufolge einfach nicht kategorisieren lässt. In ihren Augen ist seine Geschichte der Trauer-Violine eher "Schelmenstück" als Sachbuch. Ein offenkundiger Recherchefehler lässt die Rezensentin jedenfalls spekulieren, dass er "absichtlich einen Hinweis auf die mangelnde Authentizität seines Werkes einstreuen wollte". Doch das mindert den Wert des Buches ihrer Meinung nach ganz und gar nicht: "Die fabelhafte Musikwelt des Rohan Kriwaczek entwickelt ihre eigene Realität."