Robert Castel

Negative Diskriminierung

Jugendrevolten in den Pariser Banlieues
Cover: Negative Diskriminierung
Hamburger Edition, Hamburg 2009
ISBN 9783868542011
Broschiert, 122 Seiten, 15,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Thomas Laugstien. Robert Castel untersucht anhand der Jugendunruhen die Stigmatisierungs- und Deklassierungsmechanismen, die Migranten zu Bürgern zweiter Klasse machen, sowie die auch daraus resultierenden neuen Formen von Prekarität und Ausgliederung. Der Abbau dieser Benachteiligungen kann durch positive Diskriminierungsmaßnahmen gelingen, durch Bildungsförderungsgesetze und eine veränderte Stadtpolitik. Da sich die Probleme des Zusammenlebens unterschiedlicher ethnischer Gruppen durch Migrationsströme und eine neue demographische Konstellation verstärken werden, müssen die Voraussetzungen für einen plurikulturellen und pluriethnischen Staat entwickelt werden. In sofern ist die Banlieue eine Baustelle, auf der viel zu tun, aber auch viel zu lernen ist.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.05.2009

Jeanne Rubner sieht die geteilte soziale Realität Frankreichs in diesem Buch ungeschönt dargestellt. Der Pariser Soziologe Robert Castel erklärt ihr die Subtilität dessen, was er "negative Diskriminierung" (wohl im Gegensatz zu neutralen Diskriminierung?) nennt: die Verweigerung verfassungsmäßiger Rechte für die arabischstämmige Bevölkerung sowie den Wandel in den französischen Vorstädten und das diskriminierende Vorgehen von Polizei und Justiz. Dass der Autor den Glauben an eine multikulturelle Republik dennoch nicht verloren hat, erkennt Rubner an den im Band dokumentierten Erfolgen der Integrationsarbeit sowie an Castels dringenden Appell, die Banlieues nicht aufzugeben.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.04.2009

Für Joseph Hanimann siedelt dieser Band zwischen soziologischer Studie und politischem Essay. Anregend erscheint ihm das Buch seines aufklärerischen Potentials wegen. Laut Hanimann räumt Robert Castel auf mit den Klischees der Unruhen in der Pariser Banlieue 2005, indem er erklärt, dass die Bewohner keine Ghettoisierten, sondern französiche Staatsbürger mit Sozialversicherung sind. Zugleich jedoch macht die Lektüre dem Rezensenten auch die Diskrepanz bewusst zwischen theoretischer, gesetzmäßig garantierter Integration und sozialer Wirklichkeit in Sarkozys Frankreich. Materialreich leuchtet der Autor ihm die "Nischen zwischen Differenz und Diskriminierung" aus.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.04.2009

Mit großem Gewinn hat Rezensent Urs Hafner das neue Buch des renommierten französischen Soziologen gelesen, eine "empirisch abgestützte, überzeugende Analyse" der Unruhen des Jahres 2005 in den französischen Vorstädten. Überzeugend findet Hafner die Studie vor allem deshalb, weil sie sich sowohl gegen einfache links- wie rechtsgestrickte "Deutungen der Revolten" wendet und stattdessen den Informationen des Rezensenten zufolge mit substanziellen Analysen und vor allem mit konkreten quartier-, schul- und sozialpolitischen Lösungsvorschlägen aufwartet. Wichtig findet der Rezensent die Überlegungen auch vor dem Hintergrund der Unabwendbarkeit der weltweiten Migration, die auch diese Studie unterstreiche. Auch Robert Castels Plädoyer für die Anerkennung der unterschiedlichen kulturellen Identitäten findet im Rezensenten einen überzeugten Befürworter.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.03.2009

Robert Castels Buch über die Jugendrevolten in der Pariser Banlieue hat Rezensent Rolf Wiggershaus gut gefallen, denn es gehe sehr gründlich der Frage nach, warum gerade die Nachfahren maghrebinischer und subsaharischer Einwanderer eine so problematische Integration durchlaufen. Der Autor gebe einerseits einen kurzen geschichtlichen Rückblick vergangener "gefährlicher Klassen" (von den Landstreichern über Proletarier bis zu heute revoltierenden Vorstadtjugendlichen) und führt die Ursachen auf Globalisierung, Abstiegsangst und Perspektivlosigkeit zurück. Andererseits liefere Castel eine "angemessene und nüchterne" Analyse und verweise auf die Herausforderung des republikanischen Modells, nämlich aus der "monoethnischen, monokulturellen und monoreligiösen Gesellschaft" ausbrechen zu können.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 12.03.2009

Die Studie des französischen Soziologen Robert Castel setzt sich mit bestimmten Figuren des Aufstands auseinander, die an den unkanalisierten vorindustriellen Aufstand aus Ohnmacht und Verzweiflung erinnern, so Tania Martini. Dabei zeigt sich, dass die Instrumentalisierung des Ghetto-Vergleichs dazu dient, die ganz Frankreich betreffende soziale Frage zu verdecken: "Die Banlieue zeigt sich als eine Art Verdichtung von rassistischer und klassengeprägter negativer Diskriminierung". Castel gehe noch weiter, referiert die Rezensentin weitestgehend einverstanden, und greift auf marxistische Kategorien der "gefährlichen Klasse und ihr Nutzen für die Herrschaft" zurück. Dabei sieht er die Banlieue-Bewohner in die Funktion postindustrieller Landstreicher zurückgeworfen, die als Projektionsfläche gesamtgesellschaftlicher Ängste und Unwägbarkeiten dienen. Wie wäre es, fragt Castell, die Banlieue nicht als Ghetto sondern als Baustelle und somit als im Umbruch zu begreifen?