Richard Powers

Der Klang der Zeit

Roman
Cover: Der Klang der Zeit
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783100590213
Gebunden, 764 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Manfred Allie und Gabriele Kempf-Allie. Richard Powers erzählt eine Geschichte voller Anmut und Schönheit über eine Familie mit zwei Hautfarben und einer Leidenschaft. Ein literarisches Ereignis, ein epischer Roman in der Tradition von Balzac, Zola und Tolstoi über Amerikas jüngste Vergangenheit, über die Lüge, auf der seine Gegenwart baut, und eine einzigartige Liebeserklärung an die Musik.

Im Perlentaucher: Rezension Perlentaucher

Preisen wir zuerst die Übersetzer Manfred Allie und Gabriele Kempf-Allie. Man stelle sich vor, diese Himmelsmusik wäre Leuten in die Hände gefallen, die so schlecht Englisch oder gar so schlecht Deutsch könnten wie ich! Ich wäre der letzte, der gemerkt hätte, was für ein Bravourstück Richard Powers hier vorgelegt hat. Keine Zeile, die ich las, war schließlich von Richard Powers. Jeder Buchstabe war von Manfred Allie und Gabriele Kempf-Allie. Sie seien gepriesen. "Der Klang der Zeit" ist ihr Titel. Es ist ein guter Titel. Er kommt im Buch vor, und er ist eingängiger als der amerikanische Originaltitel "The Time Of Our Singing". Er klingt besser als jede mögliche Übersetzung des Originals. Aber wie schön ist das, wenn man erst einmal den Roman gelesen und gelernt hat, dass die "Zeit unseres Singens" nicht einmal war oder einmal sein wird, sondern immer ist, wenn wir singen...
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.06.2004

In seiner Besprechung des "neuesten und hochgelobten" Roman des amerikanischen Autors Richard Powers beklagt sich Ulrich Greiner gleich zu Anfang, dass das Buch ihn vollkommen "kalt" lässt. Der Rezensent räumt ohne Umschweife ein, dass Powers in seiner Geschichte um einen jüdischen Emigranten, seine afroamerikanische Frau und ihre drei Kinder, von denen ein Sohn sich zum begnadeten Tenor entwickelt, viel über die amerikanische Geschichte sowie über das Gebiet der Musik zu sagen weiß. Dazu attestiert er dem Autor sowohl sprachliche als auch erzählerische "Virtuosität" und meint, in einem "Schreibseminar" würde Powers mit Sicherheit Bestnoten bekommen. Doch sei das alles "kalte Perfektion" ohne innere Notwendigkeit, und im Lauf der Geschichte wird der Leser immer "müder", so Greiner unzufrieden, der abschließend ein vernichtendes Urteil fällt: Bei aller Virtuosität bewegt sich dieser Roman auf dem "höchstem denkbaren Niveau der Gleichgültigkeit", so der Rezensent kategorisch.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.06.2004

Man solle ihn nicht missverstehen, warnt Michael Schmitt, dies sei immer noch ein toller Roman, aber nicht ganz so toll wie die vorherigen Romane des Amerikaners Richard Powers. "Der Klang der Zeit" sei einfach etwas unproportioniert geraten. Es ist ein Roman über klassische Musik und ihren Ort in der Gesellschaft, stellt uns Schmitt das Buch vor. In der weißen Gesellschaft Amerikas, präzisiert er, denn dort ist diese Familiengeschichte eines farbigen musizierenden Brüderpaars angesiedelt. Das Buch ist traditionell erzählt, so Schmitt, spannt einen weiten Bogen zwischen den verschiedenen Polen und breitet ein enormes musikalisches Wissen aus, das alleine die Lektüre des Romans lohne. Ab einem bestimmten Punkt jedoch würden die Verknüpfungen zwischen den Figuren und Konstellationen etwas schwerfällig, zu mechanisch, dem Roman fehle so etwas wie der letzte Schliff. Dass Musik auch eine ganz praktische, sehr vitale Seite hat, lernen die Brüder erst sehr spät; gerade die Passagen über das Wesen der Musik gehören für Schmitt zu den glänzendsten des Buches. Ausdrücklich gelobt werden die Übersetzer.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 05.06.2004

Hymnisch und ausdauernd lobt Ulrich Sonnenschein diese "Glanzleistung" von Richard Powers. Denn in der Geschichte vom deutsch-jüdischen Physiker David Strom und Delia Daley, Tochter eines farbigen Arztes, die gegen alle gesellschaftlichen Widerstände eine Familie gründen, schaffe es der Autor "ganz organisch", theoretische Überlegungen zur Musik, die historische Beschreibungen des Rassismus in den USA der sechziger Jahre und die direkte Beschreibung des Lebens auf individueller Ebene zu einer "unmittelbaren Erfahrung" zu verbinden. Das macht ihn in den Augen des Rezensenten zu nichts weniger als "einem der gewaltigsten Erzähler seiner Zeit". Vor Pynchon, DeLillo, Gaddis, aber auch Franzen, Eugenides oder Foster muss sich Powers spätestens jetzt nicht mehr verstecken, jubelt Sonnenschein, und auch was die bisherige Erfolglosigkeit in Deutschland betrifft - "mit diesem Roman sollte sich das ändern".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 25.05.2004

Die "great American novel" der Saison, mit "prominenten Gastauftritten" von Albert Einstein, Miles Davis und Martin Luther King erblickt Rezensent Kolja Mensing in Richard Powers' 800-Seiten-Wälzer "Der Klang der Zeit", der auf ihn einen durchaus ambivalenten Eindruck gemacht hat. Angelegt als großer Familienroman um die Schwarze Delia Daley und den jüdischen Physiker und deutschen Emigranten David Strom sowie deren Kinder Jonah, Ruth und Josef suche Powers die amerikanische Geschichte des 20. Jahrhunderts entlang von Musik und Kultur, Rasse und Identität zu erzählen, berichtet Mensing. Dabei sei "Der Klang der Zeit" kein "schwarzer Roman", sondern "durch und durch weiß" wie sein Autor, wie Mensing hervorhebt. Für Powers sei die schwarze Geschichte Amerikas, vom Bürgerkrieg bis zum "Million Men March", von W. E. B. du Bois über Malcom X bis zu Louis Farakhan, genau wie die Musik "nur ein Hilfsmittel", um sich zunächst zu einem ganz anderen Punkt vorzuarbeiten: "dem kulturellen Trauma des weißen Amerikas". Letztlich erzähle der Roman nicht von Schwarzen und Weißen, von der Musik, von Familien oder von der "drückenden Last der Geschichte", hält Mensing fest, "sondern allein von der Sehnsucht, sich noch einmal, vielleicht ein letztes Mal, in die schützende Höhle der Literatur zurückzuziehen." Für Mensing eine Form von Kulturkonservativismus, die ihm offensichtlich nicht behagt. Zwar lobt er den Roman als "meisterhaft komponiert" und "zuweilen sehr rührend", das ändert aber nicht daran, dass er ihn zugleich als "bestürzend rückwärts gewandt und reaktionär" empfindet.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.05.2004

"Fast achthundert Seiten hat dieses Buch, und keine Seite ist zu viel." Nicht nur seines Umfangs wegen vergleicht Thomas Steinfeld den Roman von Powers mit den großen Gesellschaftsporträts des 19. Jahrhunderts, sondern weil es seine Seiten nutzt, um im Spiegel individuellen Lebens Geschichte zu erzählen: "Es ist das Panorama eines sozialen Zustands, wie es keine Soziologie, keine Kulturtheorie, keine Philosophie mehr hervorbringt, ein Buch, das seine Entsprechung bei den "Rougon-Macquarts" von Emile Zola oder "Dem Großen Gatsby" von F. Scott Fitzgerald hat - nur, dass diesem Roman die Zukunft fehlt." Denn die amerikanische Gegenwart, darauf läuft es Steinfeld zufolge bei Powers hinaus, sie ist, im doppelten Sinne, "festgehalten in Bildern" - Bildern von Gewalt, die das Versprechen Amerikas an sich und an die Welt zerschellen lassen und die Geschichte dem "Gesetz der ewigen Wiederkehr" unterwerfen. Ein jüdischer Flüchtling aus Europa und eine amerikanische Schwarze treffen sich 1939, verlieben und verbinden sich - ein Band, das zugleich für die Hoffnung auf die Einlösung des Versprechens einer "bürgerlichen Kultur als der Vision einer Einheit von freien Menschen" steht. "Und für eine Weile", schreibt Steingeld, "sieht es so aus, als sei der zivilisatorische Fortschritt nur eine Frage von Vernunft und Beharrlichkeit". Doch am Ende schließt sich der Kreis zwischen den alten Bildern der Lynchmorde und den gegenwärtigen der Riots von Los Angeles. Doch es gibt eine Gegenwelt, in der die Naturgesetze, die auch die Geschichte tragisch zu beherrschen scheinen, aufgehoben sind, in der sie aber Schönheit hervorbringen: Es ist die Welt der Musik. "Selten ist Musik in der Literatur so innig beschrieben worden wie in diesem Roman", schreibt Steinfeld und sieht wohl genau darin das "Aufbäumen" gegen den Verlust der Zukunft.
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