Reiner Stach

Kafka

Die Jahre der Erkenntnis
Cover: Kafka
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008
ISBN 9783100751195
Gebunden, 726 Seiten, 29,90 EUR

Klappentext

Der erste Band, 2002 unter dem Titel "Kafka. Die Jahre der Entscheidungen" erschienen, übte auf zahlreiche Leser eine sogartige Wirkung aus. Vor allem der Wechsel zwischen essayistischen und literarischen Passagen, die szenische Vergegenwärtigung, die bisweilen an die Erzählformen des Films erinnert, führt sehr nahe an Kafkas private Existenz und eröffnet zugleich das Panorama seiner Zeit. Rechtzeitig zum Kafka-Jubiläum 2008 kann nun der Fortsetzungsband "Kafka. Die Jahre der Erkenntnis" erscheinen, der die Jahre von 1916 bis zu Kafkas Tod 1924 behandelt, eine Zeit, in der Kafkas vertraute Welt unterging, politisch ebenso wie physisch. Er war nun deutscher Jude mit tschechischem Pass, und er litt an einer Krankheit, welche die seit Jahren erträumte literarische Existenz unmöglich machte. Beides steigerte seine Hellsicht: Für Kafka wurden es die Jahre der Erkenntnis.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.08.2008

Den hohen Anspruch des vorigen Teils seiner Kafka-Biografie hat Rainer Stach nach Meinung des Rezensenten mit den nun vorliegenden "Jahren der Erkenntnis" eingelöst. Stachs Konzept der Biografie als eigenständiger Kunstform scheint aufzugehen. Friedmar Apel jedenfalls folgt der "romanartigen Erzählung", den augreifenden historischen Exkursen und den essayistisch-bildhaften Werkdeutungen des Autors mit großer Anteilnahme. Derart vermag Stach den Rezensenten zu fesseln mit seiner Logik des gelebten Lebens, das die gesamte geistige Organisation eines Menschen beeinflusst, dass er etwa den "Brief an den Vater" mit dem Autor als "sachrichtiges Dokument biografischer Aufklärung" liest. Desweiteren macht Apel den Krieg, die jüdische Tradition und Kafkas Frauenbeziehungen als von Stach als lebensbestimmende Momente aus. Die von Stach hierzu angeführten Zitate, treiben Apel nicht nur einmal das Wasser in die Augen. Ein Buch zum Mitleiden, meint Apel, so liebevoll und lebendig geschrieben erscheint es ihm. Weil er dennoch nicht den Eindruck gewinnt, der Autor verfahre unkritisch oder gar ohne Kenntnis der Materie, ergibt der Band für ihn das differenzierteste Kafka-Bild zum 125. Geburtstag eines Dichters, der, so weiß Apel nach dieser Lektüre, eines bestimmt nicht war: kafkaesk.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.07.2008

Mit Begeisterung hat Rezensent Oliver Pfohlmann den zweiten Teil von Reiner Stachs Kafka-Biografie gelesen. Besonders die "historische Empathie" des Autors, durch die die Dokumente lebendig werden, hat ihn beeindruckt. Er lobt Stachs hervorragende Textkenntnis sowie seinen gekonnten Einsatz diverser literarischer und filmähnlicher Darstellungsformen, darunter Panoramablicke, überraschende Perspektivwechsel, extreme Nahaufnahmen und szenische Einstiege. Dadurch gelinge dem Autor eine Dynamisierung und Emotionalisierung des Stoffes, die der Erkenntnis dienen. Gerade die psychischen Entwicklungen und Entscheidungssituationen Kafkas, aber auch die daraus entspringende Literatur werden für Pfohlmann so plastisch "nach-erlebbar". Sein Urteil: ein "großes Leseerlebnis".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 03.07.2008

Zum heutigen 125. Geburtstag von Franz Kafka huldigt Manfred Schneider eingehend diesem "lachenden Heiligen", dessen Werk für ihn in die Reihe der "Heiligen Texte" gehört. Reiner Stachs Biografie, deren zweiter Band nun unter dem Titel "Jahre der Erkenntnis" erschienen ist und der die letzten 10 Jahre des Schriftstellers behandelt, findet begeisterte Zustimmung beim Rezensenten. Er feiert sie als großartiges Lebensbild, dem es tatsächlich gelinge, einen Zugang in die "geheimnisvollen Dichtergedanken" zu schaffen und dabei bei aller Verehrung für Kafka dennoch nicht unkritisch zu urteilen. Mitunter liest sich die Biografie so spannend, lebensnah und bewegend, dass sich Schneider dabei ertappt, wie er bang auf einen glücklichen Ausgang der Lebensgeschichte hofft, wie etwa bei Kafkas letztlich tödlicher Tuberkuloseerkrankung oder seinen verworrenen Liebesgeschichten.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.07.2008

Eher verhalten äußert sich Rezensent Andreas Dorschel über den zweiten Teil von Reiner Stachs Kafka-Biografie. Wie schon der erste, vor sechs Jahren erschienene Band hat auch der vorliegende in seinen Augen etwas Romanhaftes an sich. Nun kommt für ihn keine Biografie ganz ohne dieses Moment aus, schließlich gehe es ja darum, ein Leben zu erzählen. Bei Stach allerdings bereitet ihm das Verfahren Unbehagen. Zwar findet er die Biografie inhaltlich durchaus gelungen und lobt zudem die kritische Sozialgeschichte des Ersten Weltkriegs als "souverän". Problematisch aber wird die Sache für ihn, wenn Stach "selber einen literarischen Text zuwege bringen will". Gegenüber Kafkas Sprache, die in vielen Zitaten präsent ist, fallen Stachs Paraphrasen seines Erachtens nämlich stark ab, zumal sich der Autor zahlloser "unpräziser und beliebiger Bilder" bedient.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 03.07.2008

"Atemlos wie einen Roman" hat Rezensent Ulrich Greiner diesen zweiten Band von Reiner Stachs Kafka-Biografie gelesen, der in der Chronologie tatsächlich der dritte sein wird und dessen suggestive, klare und verständnisvolle Sprache er ebenso feiert, wie die "zudringliche" wie "liebende" Distanzlosigkeit des Biografen Kafka gegenüber, der das Werk aus Greiners Sicht seine große Intensität und Nähe zu seinem Gegenstand verdankt. Denn es hat dem Rezensenten den Eindruck vermittelt: hier versteht ein Biograf Kafka besser, als der sich selber verstanden habe. Auch hat Greiner den Eindruck, das Stach dem "Geheimnis" Franz Kafkas so nahe wie niemand zuvor gekommen ist. Dennoch beschäftigen den Rezensenten auch Vorbehalte dem Vorgehen Stachs gegenüber, bei dem er eine gewisse "Biografismus"-Gefahr wittert, also eines zu engen Kurzschlusses zwischen Leben und Werk. Aber Stach erliege dieser Gefahr nie gänzlich, meint der Rezensent, der diese "zweifelnden Fragen" im Übrigen für einen Nebeneffekt der "großartigen" Arbeit des Biografen hält.