Peter Sloterdijk

Du musst dein Leben ändern

Über Religion, Artistik und Anthropotechnik
Cover: Du musst dein Leben ändern
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009
ISBN 9783518419953
Gebunden, 380 Seiten, 24,80 EUR

Klappentext

In seinem Essay über die Natur des Menschen betreibt Peter Sloterdijk Märchen-Kritik: Als Kritik des Märchens von der Rückkehr der Religion könnte man seine Thesen verstehen. Doch nicht die Religion kehrt zurück. Es verschafft sich vielmehr etwas ganz Fundamentales in der Gegenwart Raum: Der Mensch als Übender, als sich durch Übungen selbst erzeugendes Wesen. Rainer Maria Rilke hat den Antrieb zu solchen Exerzitien zu Beginn des 20. Jahrhunderts in die Form gefasst: "Du musst dein Leben ändern." In seinem Plädoyer für die Ausweitung der Übungszone des einzelnen wie der Gesellschaft entwirft Peter Sloterdijk eine grundlegende und grundlegend neue Anthropologie. Den Kern seiner Wissenschaft vom Menschen bildet die Einsicht von der Selbstbildung alles Humanen. Seine Aktivitäten wirken unablässig auf ihn zurück: die Arbeit auf den Arbeiter, die Kommunikation auf den Kommunizierenden, die Gefühle auf den Fühlenden ...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.04.2009

Rezensent Uwe Justus Wenzel ist bereit, Peter Sloterdijk zu folgen. Das ist buchstäblich zu verstehen, denn in seiner Rezension des neuen Werks des vielseitigen Philosophen vollzieht er vor allem die Wendungen in dessen auf mehr als 700 Seiten vorgeführten Denkbewegungen nach. Ausführlich, von der Rilkeschen Wendung des Titels bis zu den Rückannäherungen an den skandalisierten "Menschenpark", der heute freilich als "Garten" erscheint, in dem der Mensch sich in dem übt, was ihn ausmacht: dem Üben. Dass der Mensch über sich hinauswill, so Sloterdijk, und darum im Besserwerden sich übt, das ist ein anthropologisches Faktum. Früher im Denken, heute im Leistungssport. Daraus freilich wird schnell, und auch hier, eine Verfallsdiagnose. Die Menschheit habe sich, so zitiert Wenzel den Autor, einem "Antivertikalismus" verschrieben, dem Unwillen also zum Höherhinauswollen. Was fehlt und darum wiederhergestellt werden muss, ist: "die Erfahrung des Erhabenen". Irgendwie scheint Wenzel, dessen Haltung zum Ganzen nicht ganz und gar klar wird, aber auch das noch zu unterschreiben.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.04.2009

Nicht nur mit Gewinn hat Rezensent Adam Soboczynski diese weitverzweigte, die gesamte Weltgeschichte umfassende Ideen- und Verhaltensanalyse der abendländischen Zivilisation gelesen, die er als Plädoyer für einen globalen Bruch mit den "zerstörerischen Riten und unheilvollen Marotten" der Gegenwart gelesen hat. Das von Peter Sloterdijk präsentierte Konzept von der "Ausweitung der Übungszone" krankt nach Ansicht des Rezensenten an einem "bis zur Metapher ausgehöhlten" Übungsbegriff, der das Gebäude, das auf ihm errichtet wurde, nicht wirklich trägt. Allerdings findet er "vereinzelte Exkurse" zu diesem Übungsbegriff "von bisweilen bestechender Plausibilität und seltener sprachlicher Schönheit", dass Soboczynski fast der ketzerische Gedanke kommt, sie aus dem Buch auszukoppeln. Auch die Schlusspassagen des Buchs findet er mit ihren "zeitdiagnostisch plausiblen" Klagen über die "invasive Vulgarität", die via Populärkultur in alle Lebensbereiche vordringe, fulminant.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.03.2009

Dem Autor traut Andreas Platthaus einiges zu. Peter Sloterdijk als intellektuellen Dreizehnkämpfer - Platthaus kann es sich vorstellen. Etwas platt ist der Rezensent dann allerdings doch, als er das Buch aufschlägt. Der Umsturz aller metaphysischen Maßstäbe westlicher Provenienz soll es sein? Die Religion, ihre wichtigste Bezugsgröße - ein Irrtum? Platthaus hat es zwar schon immer geahnt, dass der Autor sein Projekt längst begonnen hatte. In der "Sphären"-Trilogie etwa bezüglich Therapeutik, Technik-, und Sexualpraxiskunde. Und jetzt eben: Akrobatik, Ästhetik und Athletik, neu beziehungsweise wieder gesehen im Sinne spirituell-individueller Ziele, einer Übungskultur der Askese, nicht des neuzeitlichen Gesellschaftssystems. Dass Sloterdijk mit Beispielen für dieses Ideal aus mehr als zwei Jahrtausenden und aus allen Kulturen aufwartet, findet Platthaus enorm. Den Schwerpunkt des Bandes erkennt er in der Darstellung orientalischer Praktiken, aber auch das Thema der "Perfektibilität des Menschen" scheint auf, wenn auch aus für Platthaus nachvollziehbaren Gründen (Debatte "Menschenpark") hier nun eher am Rande. Stilistisch gesehen fühlt sich Platthaus hin- und hergerissen zwischen Sloterdijks Neigung zu einem verdunkelnden Jargon und seiner Fähigkeit, mit Aperçus zu glänzen. Interessant und wichtig erscheint ihm das Buch allemal, nicht wegen seines unbestreitbaren Geistesreichtums, sondern seiner Bemühung, "das eigene systematische Denken wieder verstärkt auf das Individuum auszurichten".
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.03.2009

Jens Bisky bedenkt Peter Sloterdijks neues Werk "Du musst dein Leben ändern" mit hohem Lob. Er attestiert dem Philosophen, in seinem "schwungvollen" Essay Phänomene wie Religion oder die Aufklärung aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Zentral scheint ihm dabei der Gedanke vom Menschen als ein übendes Wesen, das sich in Askesen und Exerzitien selbst erzeugt, formt, steigert. Religionen etwa, gleichgültig ob einzeln oder im Kollektiv praktiziert, deute Sloterdijk als "spirituelle Übungssysteme". Analog verfahre der Autor in Bereichen wie Ästhetik, Ethik oder Politik und führe auf "höchst vergnügliche Weise" zu Heraklit, Wittgenstein, Rilke, Nietzsche, Buddha oder Bourdieu. Darüber werden für Bisky die Umrisse einer "Philosophie der Anthropotechnik" sichtbar. Sein Fazit: "Wenn Philosophie ihre Zeit in Pointen erfassen kann, dann ist dies hier geglückt."
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de