Norbert Gstrein

In der freien Welt

Roman
Cover: In der freien Welt
Carl Hanser Verlag, München 2016
ISBN 9783446251199
Gebunden, 496 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

John, amerikanischer Jude und ehemaliger Freiwilliger der israelischen Armee, wird in San Francisco auf offener Straße niedergestochen. Wer war John? Diese Frage stellt sich dem österreichischen Autor Hugo, der um seinen Freund trauert. Auf den Spuren Johns reist er nach Kalifornien, wo sich die beiden vor einem halben Leben kennengelernt haben, und dann nach Israel. Dort findet er sich im jüngsten Gaza-Krieg auf beiden Seiten des Konflikts wieder. "In der freien Welt" wagt nun die Frage nach unserem heutigen Blick auf jüdische Identität, auf das Fortwirken deutscher Geschichte und die Politik Israels.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.03.2016

Vielleicht schien das Thema seines neuen Romans Norbert Gstrein selbst dermaßen heikel, dass er es dick in Belangloses einwickeln musste, um Anstößigkeit zu verhindern, vermutet Rezensent Jens Jessen. "In der freien Welt" handelt von einem sogenannten "Muskeljuden", erklärt Jessen, einem israelischen Soldaten, dessen Mutter den Holocaust überlebt hatte, und der sich in der Armee jetzt auch noch sein ureigenes Trauma hinzudient, das er anschließend, dann in Kalifornien, in Gedichten und Bildern und Romanzen verarbeitet, fasst Jessen zusammen. Später darf er dann ins Westjordanland zurückkehren und sich vielleicht verlieben, verrät der Rezensent, der aber angesichts der sich häufenden Nebensächlichkeiten bereits das Interesse verloren hat. Dass Gstreins irgendwann toter Protagonist ein reales - und noch lebendes - Vorbild hat, den amerikanischen Lyriker Alan Kaufman, scheint er ihm auch übel zu nehmen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.03.2016

Rezensent Karl-Markus Gauß rühmt Norbert Gstrein als Meister des multiperspektivischen Erzählens. Das, so der Kritiker, beweist der Autor einmal mehr in seinem neuen Roman "In der freien Welt", der raffiniert konstruiert die Geschichte des Gstrein nachempfundenen Schriftstellers Hugo erzählt, der sich nach der Ermordung seines Freundes John auf dessen Spuren begibt mit dem Ziel, einen Roman über seinen Freund zu schreiben. Dass Gstrein dabei auf psychologisch tiefgehende Figurenzeichnung verzichtet, verzeiht der Kritiker gern: Viel zu gekonnt spielt der Autor mit Identitäten, Fakten und Fiktionen und lotet verschiedene Perspektiven - nicht zuletzt auf den Konflikt zwischen Israel und Palästina - durch eindrucksvolle Nebenfiguren aus, urteilt der Rezensent, dem Gstreins Blick auf Deutsche und Österreich hier allerdings zu eindimensional und klischeehaft wirkt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.02.2016

Einmal mehr erliegt Rezensent Christoph Schröder dem besonderen Reiz von Norbert Gstreins Erzählungen, der für ihn in dem Versuch besteht, die Fragwürdigkeit biografischer Eindeutigkeit durch Fiktion zu erfassen. Zerbrechliche Identitäten begegnen dem Kritiker auch in dem neuen Roman "In der freien Welt", der von dem Schriftsteller Hugo erzählt, der sich auf die Spuren seines ermordeten Freundes John - Zionist, freiwilliger Kämpfer im Libanonkrieg, charmanter Frauentyp mit Gangster-Attitüde und Ex-Alkoholiker - begibt und an die Grenzen seines Urteilsvermögens stößt. Allein wie Gstrein das Interessengemenge im israelisch-palästinensischen Konflikt mit dem Romangeschehen verknüpft und dabei das Spiel aus Verwirrung, Widerspruch und Zweifel trotz chronologischer Unordnung zu einem grandios komponierten Text zusammenfügt, ringt dem Rezensenten größte Anerkennung ab. Ein ebenso spannender wie unterhaltsamer Roman, der ästhetische und politische Ideologien überprüft, neu arrangiert und nie vereinfachend betrachtet, schließt der eingenommene Kritiker.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.02.2016

Gustav Seibt hat an Norbert Gstreins neuem Roman "In der freien Welt" einiges auszusetzen. Zwar gefällt dem Kritiker die Idee, den israelisch-palästinensischen Konflikt in Form einer Künstlerbiografie zu schildern und dabei alle moralisch-ideologischen Debatten anhand von verschiedenen Figuren zu diskutieren. Das Ergebnis hat den Rezensenten aber leider nicht überzeugt: Neue Erkenntnisse gewinnt Seibt hier nicht, vielmehr erscheint ihm das Geschilderte als "mit persönlicher Betroffenheit" überzogene solide Zeitungsinformation. Auch die eingebettete Kriminalgeschichte erzeugt beim Rezensenten nicht die gewünschte Spannung. Nicht zuletzt klagt der Kritiker über die recht leblose Sprache und den "gefühlig-nichtssagenden" Stil dieses bedeutungsschweren Romans.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.02.2016

So mutig, ja "übermütig" wie in diesem Roman war Norbert Gstrein nie, befindet Rezensent Jochen Hieber, vermisst jedoch bei aller Spannung und Action ein wenig das hohe Niveau des Autors. Gebannt und in jedem Fall bestens unterhalten folgt der Kritiker dem Autor auf diese Lesereise, die ihn von San Francisco und New York nach Alaska und Tel Aviv, Jerusalem und ins Westjordanland, bis ins KZ Mauthausen und ins Salzkammergut und schließlich ins schottische Hochmoor und nach Venedig führt. Fasziniert begleitet er auch die Figuren, den alteuropäisch intellektuellen Schriftsteller Hugo, der über den jüdisch-amerikanischen, zwischen Beatnik und Hemingway mäandernden Ex-Soldaten und Schriftsteller John schreibt. Für Hieber kein "großes" Buch, aber doch ein lesenswertes, das, ähem, dank zahlreicher Katastrophen nie langweile.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 30.01.2016

Norbert Gstrein lässt in seinem neuen Roman "In der freien Welt" einen österreichischen Autor, der ihm in so manchem Belang ähnelt, die Geschichte eines jüdischen Freundes, Zionisten und Dichterkollegen erforschen, der wiederum eine biografische Entsprechung in dem mit Gstrein befreundeten amerikanischen Autor Alan Kaufman hat, fasst Rezensent Paul Jandl zusammen. Dieser Freund wird ermordet, keiner weiß, warum. Neben den realen Figurenvorlagen verraten auch die vielen realen Ereignisse, dass Gstrein sich hier ein "Reinheitsgebot der Objektivität" auferlegt hat, erklärt der Rezensent. Dazu gehört auch, dass dem amerikanischen Zionisten ein palästinensischer Dichter als Gegenfigur zur Seite gestellt wird. Für den Rezensenten geht das nicht auf. Was Gstrein mit dieser Konstellation beabsichtigt, entzieht sich Jandl. Er wittert hier vor allem einen "unangenehmen Furor des Außenseitertums".