Miljenko Jergovic

Das Walnusshaus

Roman
Cover: Das Walnusshaus
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2008
ISBN 9783895613913
Gebunden, 612 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Kroatischen von Brigitte Döbert. Im Jahr 1905 erhält der Holzschnitzer August Liscar einen ungewöhnlichen Auftrag: Er soll ein passendes Spielzeug für das ungeborene Enkelkind eines Mannes aus Dubrovnik anfertigen. Eine schwierige Aufgabe: Aus Walnussholz fertigt der Schnitzer schließlich das verkleinerte Abbild des Hauses der Familie seines Auftraggebers, samt Einrichtung und Bewohnern. Ein großartiges Geschenk für die kleine Regina ...Doch halt, das alles erzählt Miljenko Jergovic erst viel später! Denn die Geschichte um das Walnusshaus beginnt in der Gegenwart, auf einer Polizeistation, wo sich eine gelangweilte Beamtin mit den ungewöhnlichen Umständen des Todes der verrückten Manda konfrontiert sieht - die keine andere ist, als jene 1905 geborene Regina Sikiric .

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.08.2008

Geradezu berauscht ist Andreas Breitenstein von diesem monumentalen Historienepos des jungen kroatischen Autors Miljenko Jergovic. Er stellt den 1966 geborenen Verfasser ganz begeistert sogar in eine Reihe mit Klassikern wie Alexander Tisma oder Ismail Kadare. Erzählt wird nicht weniger als eine Familiensaga, die sich um die 1905 geborene, 2002 gestorbene Regina Delavata dreht, die aber bis ins Jahr 1878 zurückreicht. Von Linearität aber gibt es in dem Roman keine Spur. Mit seinen vielen Zwischen- und Unterkapiteln, in vielen Ortswechseln vom eigentlichen Schauplatz Dubrovnik in die Hauptstädte Westeuropas, aber auch in balkanisches Bergland entfaltet Jergovic ein Epos aus Nebengeschichten, die freilich stets in pointiertem Bezug zur "großen Geschichte" stehen. Sein Augenmerk gilt den "Unpässlichen und Unbequemen" und sein Stil sei überaus wandlungsreich. Mühelos trifft, schwärmt Breitenstein, der Autor komische, vulgäre und auch tragische Töne in unterschiedlichster Nuancierung. Hier ist, versichert der Rezensent, ein "begnadeter Erzähler" zu entdecken. Sein entschiedener Rat: "Man mache sich glücklich mit der Lektüre dieses Buchs."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.07.2008

Im Roman des 1966 in Sarajevo geborenen Miljenko Jergovic setzt sich die Geschichte des 20. Jahrhunderts aus lauter kleinen Einzelgeschichten zusammen, die er um die Familie der Sikirics erzählt, konstatiert Nico Bleutge. Aus dem zunächst "konventionell" anmutenden Konstrukt der Familiengeschichte macht der Autor aber durch eine rückwärts laufende Chronologie, zeitliche Sprünge und das Einschalten eines Erzählers, der immer wieder seine ironischen Wertungen der Geschehnisse artikuliert, einen überzeugenden Roman, lobt der Rezensent. Der Autor will die "Brüchigkeit" der Geschichte vor Augen führen, und so verbindet er die Schicksale seiner Protagonisten immer wieder mit historisch wichtigen Orten und dem ein oder anderen Tyrannen. Nur dass Jergovic mitunter allzu distanzlos an seinen Figuren klebt und so den Verdacht erregt, er mache sie zu "Sprachrohren" seiner eigenen Überzeugungen, missfällt Bleutge, genauso wie der Parlando-Ton, der im Roman überwiegt, obwohl doch alle seine Schicksale in blankes Unglück münden, wie der Rezensent feststellen muss.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.03.2008

Ebenso komisch wie mitreißend und lebensprall findet Rezensentin Patricia Hecht diesen Roman, in dem eine Frau ihr Leben rückwärts erzählt, während sie in einem Krankenhaus in Dubrovnik im Sterben liegt: vom Jahr 2002 bis 1905. Auch handelt es sich nicht allein um die Schilderung eines Lebens, geht es dem kroatischen Autor nach Ansicht der Rezensentin doch auch um die Beschreibung der zerbrochenen Hoffnung auf einen gemeinsamen slawischen Staat auf dem Balkan. Beeindruckt kommt die Rezensentin immer wieder auf die Sprachgewalt und Rasanz zurück, mit der dieses Buch geschrieben ist und dabei die Geschichte von fünf Generationen einer Familie, Sitten und Gebräuche sowie europäische Geistes- und Kulturgeschichte durchstreift. Auch ergreift sie immer wieder die "aufregende Spannung des Romans" zwischen durchaus mit Sinn für Komik ertragener privater Geschichte und dem Wahnsinn der Kriege in dieser Region. Auch notiert die Rezensentin fasziniert, dass Miljenko Jergovic hier wie nebenbei eine Vorstellung von den "Mechanismen der Erinnerung, des kollektiven Gedächtnisses" entwirft.