Ludwig Finscher

Joseph Haydn und seine Zeit

Cover: Joseph Haydn und seine Zeit
Laaber Verlag, Regensburg 2000
ISBN 9783921518946
Gebunden, 558 Seiten, 39,88 EUR

Klappentext

Mit zahlreichen Notenbeispielen und ca. 28 Abbildungen auf Tafeln. Eine Haydn-Biografie muss entschiedener als die Darstellung anderer Komponisten den Akzent auf das Werk, nicht auf die Biografie setzen: In einem in der jüngeren Musikgeschichte einzigartigen Maß tritt hier die Person hinter dem Schaffen zurück, und die biografischen Zeugnisse sind spärlich und wenig erhellend. Die vorliegende Darstellung verfolgt vor allem zwei Zeile: die Säuberung der Fakten von den bis ins kleinste Detail wuchernden Zutaten der Biografik und die Verdeutlichung der einzigartigen Rolle des Werks als der Grundlage der Musikkultur des 19. und 20. Jahrhunderts.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.05.2001

Frank Hilberg bespricht in einer Sammelrezension drei "Forschungsreisen durch das Oeuvre des Wiener Dreiklangs": Mozart, Beethoven und Joseph Haydn. Gemeinsam ist den Bänden, wie er dem Leser mitteilt, dass sie keine Biografien sind, sondern sich vor allem mit dem Schaffensprozess der Komponisten befassen.
1.) Ludwig Finscher: "Joseph Haydn und seine Zeit" (Laaber Verlag)
Nach Ansicht des Rezensenten handelt es sich bei dem Autor um einen der besten Kenner der Musikgeschichte überhaupt, weshalb er offensichtlich keine dezidierte Auflistung der Stärken und möglichen Schwächen des Buchs für zwingend hält. Deutlich wird jedoch, dass Hilberg das Buch mit großer Begeisterung und auch großem Gewinn gelesen hat, besonders weil die Bedeutung des (auch räumlichen) Außenseitertums für die Entwicklung der einzigartigen Tonsprache Haydns hier klar aufgezeigt werde. Haydn selbst hat dies durchaus erkannt und in Worte gefasst, und so kann das von Hilberg erwähnte Zitat des Komponisten auch in knapper Form verdeutlichen, um was es Finscher hier geht: 'ich war von der Welt abgesondert, Niemand in meiner Nähe konnte mich an mir selbst irre machen und quälen, und so musste ich original werden'. Darüber hinaus hat Finscher, wie der Rezensent feststellt, aufgezeigt, wie Haydn durch die Möglichkeiten am Hof des Fürsten Esterhazy mit musikalischen Formen und Typen experimentieren konnte und dadurch nach und nach zu "mustergültigen" Formulierungen - besonders was die Gattung Streichquartett und Klaviertrio betrifft - kommen konnte.
2.) Peter Gülke: "...immer das Ganze vor Augen" (Bärenreiter/Metzler)
Bei diesem Beethoven-Buch geht es nach Hilberg vor allem um das "Ringen um ein spezifisches Verhältnis von Werkgruppe zum Einzelstück" und das Prinzip der 'entwickelnden Variation' bzw. die motivisch-thematische Arbeit Beethovens. Hilberg findet es durchaus faszinierend, wie der Autor dabei aus "Einzeluntersuchungen ein atemberaubendes Ideengebäude" errichtet. Dem Rezensenten sind dabei durchaus (wenn auch mit Einschränkungen) Parallelen zwischen Beethovens Kompositionsweise und der Ästhetik Hegels aufgefallen, und meint sogar, dass Gülke "die Werke Beethovens als ausgeführte Kapitel der Hegelschen Ästhetik" liest.
3.) Peter Gülke: "Triumph der neuen Tonkunst" (Bärenreiter/Metzler)
Nach Hilberg geht Gülke hier der Frage nach, ob die Musik wirklich so spontan und gleichzeitig perfekt aus Mozarts Geist geflossen ist, wie das so oft behauptet wird. Gülke jedoch, so der Rezensent, "entwirft ein anderes Bild" und zeigt Mozart als durchaus kalkulierenden Strategen, auch wenn er bestimmte "konventionelle Details" wie Begleitfiguren ohne Mühe zu Papier bringen konnte. Gülke hat sich hier, wie der Leser erfährt, vor allem mit Gemeinsamkeiten dreier später Sinfonien befasst und dabei auch motivische Ähnlichkeiten herausgearbeitet, die als "Netzwerk das gesamte Spätwerk Mozart miteinander" verknüpfen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.01.2001

Hell erfreut und überglücklich ist Hans-Joachim Hinrichsen über Ludwig Finschers Haydn-Abhandlung. Viel zu lange sei der Komponist verkannt worden. Schließlich habe er zwei zentrale Gattungen der Musikkultur erschaffen: das Streichquartett und das Satzprinzip der motivisch-thematischen Arbeit. Endlich sei die Haydn-Forschung um ein Werk bereichert, so der Rezensent, das die grundlegende und umfassende Bedeutung des Komponisten für die weitere Entwicklung in der klassischen Musik deutlich hervorhebe. Eine "großartige Gesamtdarstellung", in der der Verfasser "unaufdringlich souverän" das Werk Haydns interpretiere. Der Rezensent vermutet, dass Finschers methodologische Arbeitsweise auf eine schlechte Presse stoßen könnte, nimmt den Autor davor aber schon vorab in Schutz. Finscher verfolge seinen Ansatz bewunderswert gescheit und gründlich - allen modernen rezeptionsästhetischen, diskursanalytischen und dekonstruktivistischen Wissenschaftstrends zum Trotz. Finschers Buch sei eine Lektüre für den Entdecker wie auch den Kenner Haydns und zudem an eine größere Leserschaft gerichtet. Die erwartet, behauptet Hinrichsen, ein hohes intellektuelles Vergnügen. Denn hier handle es sich um eines der reichhaltigsten und intelligentesten Werke der abendländischen Musikgeschichte.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.07.2000

Ludwig Finscher habe mit seiner Werkbiografie nichts Geringeres als das "Opus summum" der Haydn-Forschung vorgelegt, resümiert Dieter Borchmeyer. Seine zentrale These von Haydn als Aufklärer der Komposition könne er ein ums andere Mal eindrucksvoll belegen. So überraschend wie überzeugend sei die Entdeckung Haydns als Meister der musikalischen Komik wie auch als aufmerksamer Beobachter seiner Zeit. Einzig mit Fischers relativer Geringschätzung der Opernarbeit Haydns scheint der Rezensent nicht ganz einverstanden, ohne dass dadurch die ungetrübte Begeisterung für dieses Buch eingeschränkt würde.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.06.2000

Helmut Mauró ist der Ansicht, dass man zu Haydn "mehr seriöse Information (...) derzeit nirgends finden" kann. Zwar bedauert er das Fehlen eines Sachregisters, dennoch läßt dieses Buch für ihn inhaltlich keine Wünsche offen -vorausgesetzt, man ist bereit, ein wenig Zeit zum Suchen zu opfern. Mauró betont besonders die Detailgenauigkeit Finschers und scheint mit dem Autor völlig einer Meinung, wenn dieser deutlich macht, dass man am meisten über den Komponisten erfährt, wenn man sich mit seinen Werken beschäftigt, und nicht etwa mit seinem Leben. Über Haydn Leben weiß man nun ohnehin wenig. Dennoch kann man - wie der Rezensent anmerkt - in diesem Band einige Selbsteinschätzungen des Komponisten lesen, bei denen sich Mauró besonders durch die Widersprüchlichkeit beeindruckt zeigt: Als Beispiel nennt er Haydns Aussagen über die Musiker, von denen er besonders viel gelernt hat, obwohl er andererseits der Ansicht war, dass "die eigentliche Kompositionskunst nicht erlernbar", sondern vielmehr Ausdruck eines `inneren Genius` sei. Dass Finscher die mangelnde Beachtung Haydns im Konzertleben beklagt, hält der Rezensent mittlerweile allerdings für überholt. Dies weist seiner Ansicht darauf hin, dass der Redaktionsschluss des Buches schon einige Jahre zurückliegt.
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