Lucia Berlin

Was ich sonst noch verpasst habe

Stories
Cover: Was ich sonst noch verpasst habe
Arche Verlag, Zürich 2016
ISBN 9783716027424
Gebunden, 384 Seiten, 22,99 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Antje Rávic Strubel. Lucia Berlins Storys zeugen von einem unsteten Leben voller Brüche. Es sind Frauen wie sie, deren Schicksal sie festhält: alleinerziehende Mütter, Alkoholikerinnen auf Entzug, Haushaltshilfen, Krankenschwestern und Sekretärinnen. Es geht um Mütter und Töchter, scheiternde Ehen und schwangere Mädchen, um Immigranten, Reichtum und Armut, um Einsamkeit, Liebe und Gewalt. Die Orte des Geschehens sind Waschsalons, Cafes und Restaurants, Krankenhäuser und Arztpraxen. Hier entsteht das Unerwartete, hier zeigen sich die kleinen Wunder des Lebens, entwickeln sich Tragödien, denen Lucia Berlin mal mit feinem Humor, mal voller Melancholie, aber stets mit ergreifender Empathie auf den Grund geht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.08.2016

Christopher Schmidt hat viel übrig für Lucia Berlin, die schmutzige Schwester von Doris Day, wie er schreibt, und für ihre autofiktionalen, grausam pointierten und verdichteten Geschichten aus der Hölle des alkohol- und drogenkranken Prekariats, der Erniedrigten und Beleidigten, die sich an Flaubert und Tschechow anlehnen und an John Williams. "Präzise Feuerstöße aus dem Pandämonium der Deklassierten", lobt er. Die von Antje Ravic Strubel besorgte Auswahl einer Auswahl ihrer Storys bedenkt der Rezensent daher mit besonderer Aufmerksamkeit - und einer Kritik an der Einordnung der Autorin durch die Herausgeberin als "urwüchsig". Auch die chronologische Anordnung der Texte erscheint Schmidt irreführend, da sie eine vermeintliche Naturhaftigkeit von Berlins Schreibens konstruiert, die es nicht gibt, wie er findet. Die Herausgeberin als Kurator der Texte ist ein Konzept, das laut Rezensent nicht immer aufgeht. An Ravic Strubels Übersetzung hat Schmidt aber nur wenig auszusetzen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.07.2016

Verspäteter Ruhm mag es sein, der Lucia Berlin nach ihrem Tod zuteil wird, gerechtfertigt ist er allemal, findet Rezensentin Susanne Mayer. Die Erzählungen in der von Antje Rávic Strubel zusammengestellten Anthologie orientieren sich zwar leider ebensowenig wie der amerikanische Vorgänger an der originalen Chronologie der Autorin und lassen einzelne wichtige Stücke vermissen, aber "Was ich sonst noch verpasst habe" bietet nichtsdestotrotz eine wunderbare Gelegenheit, um sich mit Berlin bekannt zu machen, ermuntert die Rezensentin. Die Geschichten kreisen viel um Einsamkeit, brechen aber immer wieder urplötzlich mit den Erwartungen, die sie zuvor selbst gekonnt geweckt hatten, erklärt Mayer und stimmt in den allgemeinen Rezensentenjubel ein.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.04.2016

Tobias Schwartz hat eine Menge Vergleiche parat für die Kunst der Lucia Berlin. Tschechow, Carver, Mansfield, Munro. Doch willkürlich findet er das nicht, vielmehr sieht er es als Hinweis auf das Originäre der Autorin Berlin, die letztlich unvergleichlich sei. Die hier versammelten, von Antje Ravic Strubel "kongenial" übertragenen Kurzgeschichten über Putzfrauen, Lehrerinnen, Mütter, allesamt Erniedrigte und Beleidigte, bieten ihm sozial abseitige Milieus und Figuren, Elend und Abgründe und die Ahnung, dass die in den 60er, 70er und 80er Jahren entstandenen Texte irgendwie zusammenhängen, vielleicht einen Roman ergeben. So rau und ungestüm sie für Schwartz daherkommen, so kunstvoll scheinen sie ihm gestaltet und so sehr scheinen sie ihm ein komplexes Universum darzustellen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.04.2016

Rezensentin Sandra Kegel hauen sie um, die 30 von Antje Rávic Strubel "überzeugend" übersetzten Geschichten von Lucia Berlin. Neu zu entdecken, schreibt sie, ist eine Autorin, die nicht nur weiß, worüber sie schreibt, sondern die auch keine formalen Spielchen nötig hat, um das Schicksal ihrer Protagonistinnen mitzuteilen. Urplötzlich brutal, dann wieder rettend witzig, immer intensiv kommen die Stories laut Kegel daher und vermitteln die dunkle Seite des amerikanischen Traums mit dysfunktionalen Beziehungen, Alkohol, Gewalt und Tod. Ob Berlin Krankenschwestern, Putzfrauen oder Hilfslehrerinnen porträtiert, Kegel merkt, die Autorin kennt diese Gestalten wie sich selbst und weiß doch keine einfachen Antworten auf ihre Nöte.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.04.2016

Wie kostbar Freude ist, scheint Angela Schader mit den Texten der 2004 verstorbenen amerikanischen Autorin Lucia Berlin zu verstehen. Weil die Freude in den Texten aufblitzt "wie Sonnenlicht" aus einer nicht eben freudvollen Lebensgeschichte, aus der Berlin für ihre Erzählungen schöpft. Schrecklich schön, findet Schader diese Texte, deren Kunstcharakter ihr trotz aller autobiografischen Erdung nicht entgeht. Beeindruckt zeigt sie sich von der Dringlichkeit und Präsenz des Erzählten, gleich ob es um Drogensucht, Missbrauch oder den Tod geht. Dass die Texte von jedem Selbstmitleid frei sind, dafür Humor und Großherzigkeit zeigen, grenzt für Schader an ein Wunder.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 13.02.2016

In den Vereinigten Staaten erlangt Lucia Berlin dieser Tage späten Ruhm, etwa zehn Jahre nach ihrem Tod, berichtet Mara Delius. In "Was ich sonst noch verpasst habe" sind ihre Erzählungen jetzt auch auf Deutsch erschienen, von Antje Rávic Strubel sehr nah am Amerikanischen übersetzt, so die Rezensentin. Berlins Geschichten spielen in Waschsalons, Gefängnissen und anderen Warteräumen, sie erzählen kleine, lakonische Situationen, die vor allem von ihrer bildhaft gewordenen Atmosphäre der Rast- und Ruhelosigkeit leben, erklärt Delius angetan.