Kenah Cusanit

Babel

Roman
Cover: Babel
Carl Hanser Verlag, München 2019
ISBN 9783446261655
Gebunden, 272 Seiten, 23,00 EUR

Klappentext

1913, unweit von Bagdad. Der Archäologe Robert Koldewey leidet ohnehin schon genug unter den Ansichten seines Assistenten Buddensieg, nun quält ihn auch noch eine Blinddarmentzündung. Die Probleme sind menschlich, doch seine Aufgabe ist biblisch: die Ausgrabung Babylons. Zwischen Orient und Okzident bahnt sich gerade ein Umbruch an, der die Welt bis in unsere Gegenwart hinein erschüttern wird. Wie ein Getriebener dokumentiert Koldewey deshalb die mesopotamischen Schätze am Euphrat; Stein für Stein legt er die Wiege der Zivilisation frei - und das Fundament des Abendlandes.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 02.03.2019

Durchdacht und durchtrieben findet Judith von Sternburg Kenah Cusanits Romandebüt. Wie die Autorin die gesamte Archäologenszene um 1913 in einem einzigen Tag in Babylon erfasst und Preußen und Orient belebt, voraussetzungsreich, biografisch und historisch sorgfältig, reflexiv und auch witzig, scheint ihr einen Preis wert. Sprachlich, dialogisch überzeugt sie das Buch auch. Und dass Cusanit ihren Protagonisten Robert Koldewey zur Abwechslung mal über die Größe der Frauen nachdenken lässt, findet Sternburg schlicht beachtlich.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 27.02.2019

Rezensentin Angela Gutzeit liest das Buch der Altorientalistin Kenah Cusanit mit großem Interesse. Viel Respekt hat sie angesichts des immensen Rechercheaufwands, den die Autorin für die Rekonstruktion der größten Ausgrabung in Vorderasien und ihrer kulturellen wie politischen Begleitumstände geleistet hat. Allerdings ist die historische Ebene im Buch für Gutzeit nur ein Teil des Ganzen, der andere besteht in einer das Überzeitliche anpeilenden Symbolik, in einer Metaebene, die sich mit Fragen des Fortschritts und der Zivilisation im Allgemeinen befasst. Solchen an Walter Benjamin angelehnten "geschichtsphilosophischen Grabungen", die Cusanit ihrem Erzähler, dem Archäologen Koldewey, in den Mund legt, kann Gutzeit einiges abgewinnen, auch wenn der Text sie eher rhapsodisch darbietet, wie die Rezensentin feststellt. Ein gebildeter wie unterhaltsamer Roman, findet sie, der die Analogien zwischen Antike und Moderne mitunter nur etwas zu sehr betont.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 18.02.2019

Nicht weniger als ein "komödiantisches Meisterwerk" ist Kenah Cusanit mit ihrem Romandebüt "Babel" über die archäologische Ausgrabung von Babylon gelungen, staunt Sigrid Löffler. Einiges kommt hier glücklich zusammen: der akademische Hintergrund der Autorin als Altorientalistin und Ethnologin, der spannende Schauplatz im erodierenden Osmanischen Reich kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs und vor allem die geniale Wahl der Protagonisten in Person des deutschen Architekten Robert Koldewey und der britischen Abenteurerin Gertrude Bell, fasst die Rezensentin zusammen. Wie sie all das - archäologische Fakten, historischen Kontext und kauzige Charaktere - unter einen Hut bringt und zu einer "ebenso gelehrsamen wie unterhaltsamen, mitunter saukomischen Babel-Rhapsodie" verdichtet, hat die hellauf begeisterte Sigrid Löffler bestens unterhalten.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 14.02.2019

Dirk Knipphals bekommt nicht gerade Lust auf Ziegel, aber jede Menge Respekt vor ihnen beim Lesen von Kenah Cusanits Roman. Dass die Autorin kein Sachbuch über die Orientbegeisterung im deutschen Kaiserreich geschrieben hat, sondern einen Roman, findet er in Ordnung, auch wenn die Autorin im Text oft mehr analysiert als schildert, den Figuren, mit dem Archäologen Koldewey im Zentrum, keine historischen Kostüme anzieht und Listen, Essayistisches und Zitate miteinbezieht. Schön, dass der Leser zunächst nicht weiß, wie er mit dem Text umgehen soll, findet Knipphals. Ebenso gut, wenn er dennoch bei der Stange bleibt. Genau dafür sorgt die Autorin laut Rezensent, indem sie die Geschichte in der Schwebe hält und aus der Ferne Zusammenhänge erahnen lässt, etwa zwischen Ziegeln, Wissen, Politik und dem Licht des Orients.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.02.2019

Laut Thomas Jordan krankt der Roman der Essayistin und Lyrikerin Kenah Cusanit an der Unvereinbarkeit von lexikalischem Erklären und fiktionalem Erzählen. Faszinierend findet Jordan zwar, mit Cusanit in die Gedankenwelt des Berliner Orientforschers und Archäologen Robert Koldewey einzutauchen und kulturgeschichtliche Details wie das Verhältnis von Bild und Schrift in der babylonischen Keilschrift oder die Verluste an verwandten Ideen zwischen Ost und West zu erkunden. Doch übernimmt sich der Text damit laut Rezensent, die Erzählung versinkt allzu oft im Räsonieren und Dozieren und das Personal im Text schrumpft zu Stichwortgebern.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.01.2019

Kenah Cusanit ist Altorientalistin und Lyrikerin, also bestens geeignet, um einen gelungenen Roman vorzulegen über den Archäologen und Babylon-Gräber Robert Koldewey, dem wir u.a. das Ishtar-Tor in Berlin verdanken, meint Rezensent Fridtjof Küchemann. Allein die Hingabe, mit der sich die Autorin in ihrem Debüt den privaten Seiten Koldeweys widmet, der mit seiner Gesundheit ebenso rücksichtslos wie mit seinen Untergebenen umging, ringt dem Kritiker große Bewunderung ab. Noch mehr beeindruckt ihn allerdings Cusanits Wagemut: Der aktuellen Debatte um koloniale Raubkunst lauscht sie bisher wenig beachtete Aspekte, etwa zu Deutschlands Wettstreit mit Amerika, Frankreich und England um den Ruhm der Entdeckung ab, auch die Weltpolitik um 1913 kann ihm die Autorin klar vor Augen führen. Angesichts schwungvoller Anekdoten und Pointen, erhellender Beobachtungen und einer brillanten Mischung aus "weltpolitischem Großen" und "persönlichem Klein-Klein" verzeiht Küchemann gern, dass die Handlung ein wenig kurz kommt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.01.2019

Rezensent Paul Jandl lässt sich von der Altorientalistin Kenah Cusanit in den Kopf des Archäologen Robert Koldewey entführen, ins Zweistromland und ins wilhelminische Berlin, das Jandl so babylonisch noch nicht gesehen hat. Faszinierend erscheint ihm, wie die Autorin in die Korrespondenzen zwischen den deutschen Archäologen und osmanischen Herrschern eintaucht, wie sie alles andere als linear, doch lustvoll und mit leichter Hand von Mythen am Euphrat und Allmachtsfantasien in den Köpfen der Forscher erzählt. Ein Buch voller Atmosphäre, das für Jandl auch als Essay taugt über Kultur und die Codes von Religion und Kunst.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 24.01.2019

Ijoma Mangold erkennt die Aktualität und den scharfen Blick der Ethnologin, wenn Kenah Cusanit in ihrem Debütroman dem Babylon-Gräber Robert Koldewey bei seiner Begeisterung für die Schätze Babels und seinen Grabungen über die Schulter sieht. Dass Cusanit keinen historischen Roman vorlegt, sondern auf eine an Ambivalenzen reiche Mentalitätsgeschichte über deutschen Wissenschaftsheroismus abzielt, auf Vielstimmigkeit und ein Flirren der Fakten, gefällt dem Rezensenten. Zumal aktuelle Raubkunstdebatten für Mangold dadurch erhellt werden. Wie Orientbegeisterung, Kulturimperialismus, Versponnenheit und Neugier bei Koldeweys Raubzügen Hand in Hand gingen, macht die Autorin laut Mangold auf intelligente Weise sichtbar.