Jonathan Franzen

Freiheit

Roman
Cover: Freiheit
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2010
ISBN 9783498021290
Gebunden, 736 Seiten, 24,95 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Bettina Abarbanell und Eike Schönfeldt. Patty und Walter Berglund - Vorzeigeeltern und Umweltpioniere, fast schon ideale Nachbarn in ihrer selbst renovierten viktorianischen Villa in St. Paul - geben plötzlich Rätsel auf: Ihr halbwüchsiger Sohn zieht zur proletenhaften republikanischen Familie nebenan, Walter lässt sich zum Schutz einer einzigen Vogelart auf einen zwielichtigen Pakt mit der Kohleindustrie ein, und Patty, Exsportlerin und Eins-a-Hausfrau, entpuppt sich als wahrlich sonderbar. Hat Walters bester Freund, ein Rockmusiker, damit zu tun? Auf einmal lebt Patty ihre kühnsten Träume, führt sie ein Leben ohne Selbstbetrug. In diesem Roman einer Familie, der zugleich ein Epos der letzten dreißig Jahre amerikanischer Geschichte ist, erzählt Jonathan Franzen von Freiheit - dem Lebensnerv der westlichen Kulturen - und auch dem Gegenteil von ihr, zeigt die tragikomischen Verwerfungen zeitgenössischer Liebe und Ehe, Freundschaft und Sexualität.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.10.2010

Anerkennend, aber nicht hellauf begeistert äußert sich Angela Schader über Jonathan Franzens neuen Roman "Freiheit". Einmal mehr spielt der Autor für sie gekonnt das "Drama der amerikanischen Familie" durch. Im Vergleich zu "Korrekturen" findet sie "Freiheit" weniger mit flankierenden Themen überfrachtet. Gerade die Dialoge lobt sie für ihre "Ökonomie und Wirklichkeitsnähe", vor allem, wenn Franzen zeigt, wie Beziehungen zerstört werden. Die Charakterzeichnung der Figuren hält Schader bisweilen allerdings für nicht ganz glaubwürdig. Insbesondere der Umgang mit weiblichen Figuren ist in ihren Augen nicht immer überzeugend. Die Verschränkung von privaten Schicksalen mit gesellschaftlichen Fragen findet sie nach "bewährter Methode" ausgeführt. Die titelgebende Freiheit scheint Schader bei Franzen vor allem als Option, "zugrunde zu richten, was - auch um den Preis der Selbsteinschränkung - erhaltenswert wäre", sowohl im Blick auf zwischenmenschliche Beziehungen als auch im Blick auf die gesellschaftliche und ökonomische Sphäre. Das Fazit der Rezensentin: ein höchst souverän, aber auch konventionell erzähltes Werk und nicht unbedingt ein "Markstein in der Literatur des 21. Jahrhunderts".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.09.2010

Das sei keine Weltliteratur, sondern weltweit verkäufliche Literatur, fertigt Ursula März den blockbusterhaft auf Deutschland zurollenden neuen Roman von Jonathan Franzen ab: im Kern ein "Gleichnis der amerikanischen Selbstbeschreibung" des zurückliegenden Jahrzehnts, und damit das "literarische Fegefeuer der Bush-Ära", wie sie schreibt. Franzen leuchte sämtliche Scheußlichkeiten dieses Zeittunnels aus, um schließlich das Licht am Ende zu feiern. Dafür leiste Franzen sich sogar ein "Happy End auf voller Linie". Worum es geht? Wie man liest um eine Familie sowie einige Nebenfamilien und ein Dutzend Nebenfiguren, im Zentrum aber beschreibt die Kritikerin Walter und Patty Berglund mit ihren Kindern Jessica und Joey, an denen Franzen stellvertretend ein beinahe kitschverdächtiges Genesungsprojekt der amerikanischen Gesellschaft durchexerziere, zwischen Ambition und Affirmation. Während es in den "Korrekturen" noch eine "zwingende Form" gegeben habe, besteht dieser Roman aus März' Sicht nur mehr aus "unendlich erweiterbaren, locker verzahnten Erzählmodulen", sei also auf "behagliche Breite" angelegt. Große Bewunderung zollt die Kritikerin jedoch Franzens Meisterschaft als Menschenbeobachter. An die Familie Lambert aus den "Korrekturen" kommen die "Berglunds" für sie trotzdem nicht heran.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.09.2010

Christoph Schröder sieht im neuen Roman von Jonathan Franzen anhand einer Familie den Begriff "Freiheit" in allen seinen Varianten durchgespielt, und er hat sich dabei glänzend unterhalten. Allerdings betont Schröder, dass das Thema Freiheit hier ganz unironisch abgehandelt werde, zugleich findet der Rezensent Spuren von "pathetischem Ernst". Franzen bietet mit seinen Protagonisten, dem ökologisch korrekten Walter, dessen Frau Patty, dem Familienfreund Richard (der sich laut Schröder als "sexueller Motor" der Konstellation entpuppt) und dem schwierigen Sohn Joey ein umfassendes "gesellschaftliches Panorama" der letzten drei Jahrzehnte. Sogwirkung allerdings entfalte der Roman auf der Ebene der Individuen, insbesondere der autobiografische Bericht von Patty stellt hier die überzeugendsten Passagen dar, meint der Rezensent. In seinem insgesamt sehr positiven Eindruck mischt sich durchaus leichte Kritik. So muss der Rezensent zugeben, dass Franzen mitunter zu "Stereotypen" in seiner Charakterzeichnung neigt, die er dann allerdings wieder höchst kunstvoll lebendig werden sieht. Zudem kommt ihm der Autor in seiner minutiösen Konstruktion mitunter etwas zu brillant daher. Aber das alles ist in seinen Augen "geschenkt", weil der Roman insgesamt überzeugt, wie er anerkennend bemerkt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.09.2010

Lothar Müller gibt uns die Handlung sehr detailliert wider. Das ist gut so, denn in Jonathan Franzens neuem Roman ist ganz schön was los. Laut Müller ist es nicht nur ein Familiensaga geworden, sondern zugleich die politische Geschichte der USA in den zehn Jahren nach dem 11. September. Müller wird Zeuge der Agonie des Liberalismus, die ihm Franzen in einer engen Verknüpfung von Roman und Soziologie präsentiert. Franzens politische Zeitdiagnostik, so lernen wir, macht selbst vor der Sexualität seiner Figuren nicht halt, bei der Gewalt ohnehin nicht. Am Ende aber (des Buches, der Bush-Ära) spürt der Rezensent so etwas wie Trost und Hoffnung für die liberale Gesellschaft.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 08.09.2010

Um das im Vorfeld der deutschen Publikation beschworene geschlossene "Meisterwerk" zu sein, ist der jüngste Roman von Jonathan Franzen thematisch viel zu disparat, meint Dirk Knipphals, der aber gerade hier auch wieder die berührende Kraft des Buches sieht. Der Autor erzählt von einer  amerikanischen Mittelschichtsfamilie, deren "krisenhaftes Innenleben" in aller Akribie und in wechselnden Perspektiven dargelegt wird, lässt der Rezensent wissen. Dabei werde "viel getrunken und auch viel Sex gehabt", erfahren wir. Nicht mehr mit den Fehlern der Elterngeneration wie in "Korrekturen", sondern mit den eigenen Fehlern müssen sich die Figuren dieses Romans auseinandersetzen, wie es die zwischen mütterlicher Perfektionswut und Liebeswünschen hin- und hergerissene Patty in einer Selbstvergewisserungsschrift vorführt. Dass sich hier ganze Passagen als "nur mühsam literarisierte Abhandlungen" über die Ambivalenzen des modernen Umweltschutzes lesen, verzeiht der Rezensent. Denn er findet in diesem Roman eine vielschichtige Darstellung des moralischen Zwiespalts der Wohlstandsgesellschaft, in den er seine Figuren dann auch unerlöst wieder entlässt. Zusammen ergibt das laut dem fast ein wenig ergriffen wirkenden Knipphals einen "sehr berührenden Roman über das Erwachsensein".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.09.2010

Im Grunde ist das ganze "Korrekturen 2.0", wenn man Felicitas von Lovenbergs sehr ausführlicher, sehr inhaltsangabenfreudiger (und sehr früher) Besprechung des neuen, mit vielen Vorschusslorbeeren begrüßten Werks von Jonathan Franzen glauben darf. Aus dem Mund der Rezensentin ist der Verweis auf die ganz ähnliche Anlage, Mach- und Schreibart des Werks freilich - da gibt es keinen Zweifel - allerhöchstes Lob. Wieder steht eine Familie mit ihren Neurosen im Mittelpunkt: die Berglunds aus St. Paul. Wieder werden ihre jeweiligen Geschichten in Einzelporträts vorgestellt, bis in die achtziger Jahre zurück, wenngleich es in erster Linie um eine Darstellung des Jetztzeit-Amerikas vor allem der post-9/11-Nullerjahre geht. Wie der Titel schon sagt, sieht Franzen dabei das Thema der "Freiheit" im Zentrum, und er verstehe es, lobt von Lovenberg, dieses Leitmotiv "unangestrengt in die reiche Textur des Romans" hineinzuflechten. So exemplarisch wie individuell findet sie jede der Figuren mit Ausnahme der Tochter Jessica (das ist der einzige Schwachpunkt, den die Rezension ausmacht); von besonderer Finesse scheint ihr Franzens Schachzug, die Mutter Patty in zwei langen autobiografischen Passagen selbst zu Wort kommen zu lassen. Insgesamt höchstes Lob: "Freiheit" ist wie "Korrekturen", nur besser: "lässiger, leichter, weniger offensichtlich auf Wirkung bedacht". Und der Sex ist auch gut, jedenfalls gut geschrieben.
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