Jörn Düwel, Rudolf Wolters

Neue Städte für Stalin. Ein deutscher Architekt in der Sowjetunion 1932 - 1933

Mit einer Neuausgabe von Rudolf Wolters:
Cover: Neue Städte für Stalin. Ein deutscher Architekt in der Sowjetunion 1932 - 1933
DOM Publishers, Berlin 2015
ISBN 9783869223803
Gebunden, 212 Seiten, 28 EUR

Klappentext

Die berufliche Perspektive in Deutschland war 1932 für den Architekten Rudolf Wolters aussichtslos. Lediglich ein Angebot aus der Sowjetunion hatte ihm Arbeit in Aussicht gestellt. Im Mai 1932 reiste er mit einem Vertrag des Volkskommissariats für Verkehrsfragen in Moskau als Experte für den Entwurf von Fernbahnhöfen in die Sowjetunion. Ein Jahr lang arbeitete er hauptsächlich in Sibirien. Nur wenige Monate nach seiner vorzeitigen Rückkehr im Frühjahr 1933 veröffentlichte Wolters diesen Reisebericht über seine Eindrücke im ersten sozialistischen Staat. Er beschreibt die Ambivalenz von Realität und Hoffnung sowie der Erkenntnis vom frühen Scheitern einer Idee, die Menschen zerbrach und vernichtete. Seine Schilderungen sind jedoch keine hochmütig hämische Abrechnung, sondern eine genaue Beobachtung von Propaganda und gesellschaftlichen Strukturen. Rudolf Wolters war einer von mehreren Tausend ausländischen Spezialisten, die zu Beginn der Dreißigerjahre in die Sowjetunion geholt wurden, um die Rückständigkeit gegenüber dem Westen im Eiltempo aufzuholen. Doch nur Wolters machte seine persönlichen Erfahrungen öffentlich. In den Folgejahren wurde er zum engsten Mitarbeiter seines ehemaligen Studienfreunds Albert Speer und damit zu einem einflussreichen Architekten im Arbeitsstab von Adolf Hitler. Das Buch war zum Zeitpunkt seiner Erscheinung 1933 ein Erfolg. Die Neuausgabe ist ein Dokument - ein Dokument der frühen Dreißigerjahre in der UdSSR, jener Phase großer Umbrüche in Gesellschaft und Kultur.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.10.2015

Als einen der einflussreichsten Architekten der NS-Baupolitik sieht Rezensent Klaus Englert den 1903 geborenen Rudolf Wolters, der während des Dritten Reichs vom "männerbündisch-reaktionären Zirkel" rund um Generalbauinspektor Albert Speer profitiert habe und selbst in der Nachkriegszeit ein gefragter Mann gewesen sei. Jörn Düwels Publikation "Neue Städte für Stalin" nimmt nun eine für Wolters wichtige Karrierephase in den Blick, so Rezensent Englert: die Zeit im sowjetischen Nowosibirsk, wo der noch junge Architekt den Bedarf an ausländischen Fachkräften decken sollte und nebenher das Büchlein "Spezialist in Sibirien" schrieb, das als Neuausgabe in Düwels Werk enthalten ist. Englert empfiehlt für die Lektüre, die spätere Laufbahn Wolters' auszublenden - schließlich sei dieser "politisch völlig unvoreingenommen" nach Sibirien gereist, habe dort mit dem Neffen von Karl Liebknecht zusammengewohnt und sogar noch ganz ohne feindseligen Unterton über Juden berichtet.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.09.2015

Rezensent Oliver G. Hamm bespricht zwei Neuerscheinungen über den Architekten Rudolf Wolters, der zunächst für Stalin in Nowosibirsk und später für die Nazis unter Albert Speer arbeitete - zum einen Wolters' Erinnerungen an Nowosibirsk, die einen interessanten Einblick in das stalinistiche Russland um 1932 zu bieten scheinen, zum anderen einen Band, der um die die Ausstellung "Neue deutsche Baukunst" von 1940 kreist, an der Wolters maßgeblich beteiligt war. Beide Male hat Hamm Kritik am Mitherausgeber Jörn Düwel, der in Wolters' Erinnerungsband auf den Abdruck eines späteren Nachworts verzichtet, und im Band über die Ausstellung, den er mit Niels Gutschow betreut hat, zwar ein Vorwort Wolters' in zehn Sprachen nachdruckt, nicht aber die zugehörigen Bilder. Hamm fand beide Bände dennoch interessant, weil sie einen authentischen Einblick in die Architektur- und Propagandabestrebungen der beiden totalitären Diktaturen gestatten.