Jan Brandt

Gegen die Welt

Roman
Cover: Gegen die Welt
DuMont Verlag, Köln 2011
ISBN 9783832196288
Gebunden, 928 Seiten, 22,99 EUR

Klappentext

Ein Dorf in Ostfriesland, Kühe grasen auf den Wiesen, ab und zu zerreißt der Lärm eines Tieffliegers die Stille. Hinter den getrimmten Tujenhecken des Neubauviertels blühen die Blumen, in den Auffahrten glänzen frisch gewachste Neuwagen. In diese Welt wird Mitte der Siebzigerjahre Daniel Kuper, Spross einer Drogistendynastie, hineingeboren. Ein schmächtiger, verschlossener Junge mit viel zu viel Fantasie und zu wenigen Möglichkeiten. Doch bald geschehen seltsame Dinge: Mitten im Sommer kommt es zu heftigem Schneefall, ein Kornkreis entsteht, ein Schüler stellt sich auf die Bahngleise, Hakenkreuze tauchen an den Hauswänden auf. Für all das wird Daniel Kuper verantwortlich gemacht. Und je mehr er versucht, die Vorwürfe zu entkräften, desto stärker verstrickt er sich in ihnen. Daniel Kuper beginnt einen Kampf gegen das Dorf und seine Bewohner. Sie sind es, gegen die er aufbegehrt, und sie sind es, gegen die er am Ende verliert...

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.10.2011

Von der Begeisterung, die Jan Brandts "Gegen die Welt" bei vielen Kritikern ausgelöst hat, ist bei Jutta Person nichts zu spüren. Zwar kann sie dem Debütroman viele gute Beobachtungen und einige komische Szenen attestieren, aber die gehen in ihren Augen im Endlosstrom dieses Tausendseitenbacksteins ziemlich unter. In immergleicher Tonlage fahre Brandt hier die Fetischobjekte der achtziger Jahre auf, vermenge sie mit mit SciFi-Paranoia und bliblisch-unheilvollem "Hintegrundgeschrammel". Dass Person dies ungefähr für das Gegenteil von geschichtsgesättigter Literatur hält, wird ziemlich bald klar. Und von wegen "Gegen die Welt": Der Roman ist in Person Augen das reinste Retro-Fest und umarmt alle, "die mal einen Parka hatten".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 28.09.2011

Die Nominierung für den Deutschen Buchpreis geht völlig in Ordnung, wenn Marten Hahn jemand fragt. 900 Seiten für ein Debüt findet er zwar ganz schön stark - nicht jede Automarke, die durchs Dorf fährt, muss auch ins Buch rein, meint er -, doch so eine Provinzjugend hat eben jede Menge Ecken, die ausgeleuchtet werden wollen, stockfinstere Ecken. Also lässt sich Hahn drauf ein und staunt: Über Jan Brandts perspektivisches Feuerwerk, das noch den Dorfbusfahrer für bedeutend hält, über ewig lange Nebenstränge (groß erzählt!) sowie einen unaufgeregten, doch fesselnden Stil, wie von Stephen King abgeguckt. Manchmal stößt Hahn der Hyperrealismus direkt vor den Kopf, dann kommt Brandt und hält die Taschenlampe wieder in eine andere, mysteriöse Ecke, und weiter geht's, dieser Ort lässt einen nicht mehr los.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.09.2011

Mit seinem Debütroman "Gegen die Welt" ist Jan Brandt eine der großen Überraschungen dieses Herbstes gelungen, meint Rezensent Ulrich Gutmair. Denn auf den 921 Seiten dieses von der Mitte der Achtziger Jahre bis in die Gegenwart reichenden Epos wird einiges geboten, wie der Kritiker berichtet: zunächst die "authentisch" geschriebene Geschichte um Daniel Kuper, aufgewachsen im fiktiven ostfriesischen Dorf Jericho, der sich mit den Freunden aus seiner Heavy-Metal-Band mehr im passiven als aktiven Widerstand gegen die Trash Metal hörende Dorfjugend und andere Hierarchien befindet. Die aufgestauten Aggressionen werden gegen das nächststehende schwächste Glied der Kette, einen wegen seiner hohen Stirn nur "Penis" genannten Mitschüler gerichtet. Aber Brandts gesellschaftskritischer und dennoch "undidaktischer" Roman will und kann mehr, so der Rezensent, der in dem Buch auch den Blick auf die zweite Nachkriegsgeneration erkennt. Wenn etwa Nacht für Nacht rassistische Parolen auf den Wänden der Häuser von Jericho erscheinen, für die Daniel, der sie übermalt, und nicht der im Wahlkampf heiter aus "Mein Kampf" zitierende Bauunternehmer Rosing, verantwortlich gemacht wird, liest Gutmair Brandts kurzweiliges Debüt auch als "Gegenentwurf zur üblichen Distanzierungsliteratur", in welchem sich das Verdrängte am konkreten Menschen und nicht in der Abstraktion Ausdruck verschafft."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.09.2011

Mit großen Namen wirft Edo Reents in seiner Besprechung dieses Riesenromans um sich. Von Dostojewski ist die Rede, von Uwe Johnson, Frank Schulz und auch von Reents' Leib- und Magen-Autor Thomas Mann. Des letzteren Homosexuellen-Episode im "Zauberberg" freilich sei ein vergleichbares Moment von Jan Brandts Roman gar überlegen. Hoch ist dies Lob, mindestens ebenso hoch hinaus ragt es an anderen Stellen dieser Besprechung. Wie hier ein junger Autor sich an eine Essenz des Romanhaften wage, nämlich die Fiktion als Abbildung und Herstellung einer "Totalität", das nötigt Reents nämlich von Anfang bis Ende höchsten Respekt ab. Auch und gerade die anderswo etwas bemängelte Lust am Detail verteidigt er als wichtige Ingredienz der hier beschriebenen Welt. All das, von Heavy Metal bis Fußball, sei wichtig und aufs Ganze bezogen - ein Ganzes, zu dem auch ein der Science Fiction entlehnter Rahmen gehöre. Verschränkt werden die Geschichte des in Jericho (das heißt im ostfriesischen Leer) aufwachsenden Drogistensohns David mit der des in den Selbstmord getriebenen Peter Peters. Wie Brandt die Motive verknüpfe und so eine Welt runde, das ist dem Rezensenten nicht nur über alle 900 Seiten die Lektüre, sondern auch - fordert er unverhohlen - den Deutschen Buchpreis wert.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.09.2011

Kühn, wenn nicht tollkühn findet der Rezensent Christoph Schröder das: Da schreibt einer ein tausendseitiges Debüt und verortet es zu allem Überfluss auf einem äußerst begrenzten Schauplatz. Der ist ein Städtchen in Deutschlands äußerem Norden, das im Buch Jericho heißt, dabei aber sofort als das in Ostfriesland gelegene Leer zu erkennen ist. In diesem Ort, insbesondere in der Familie des Dorfdrogisten, die im Zentrum des Romans steht, ist freilich der Wurm drin. Aliens tauchen auf, möglicherweise. Seitenweise geht es um Heavy Metal und überhaupt nimmt sich der Autor offenbar viele Freiheiten, eher abgelegenen Assoziationen zu folgen. Das Erstaunliche, so der sehr positiv gestimmte Rezensent, sei aber gerade, wie zuletzt doch ein kompositorisches Muster mit klar erkennbaren Leitmotiven (Sündenbock, Einzelhandel) erkennbar wird. Und so scheint ihm der ambitionierte Roman zwar nicht rundum und in jeder Einzelheit gelungen, insgesamt aber doch so gekonnt, dass er den Platz auf der Longlist des Buchpreises sehr wohl verdient hat.
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