Heike Behrend

Menschwerdung eines Affen

Eine Autobiografie der ethnografischen Forschung
Cover: Menschwerdung eines Affen
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2020
ISBN 9783957579553
Gebunden, 278 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Heike Behrend studiert Ethnologie in den politisch bewegten Sechzigerjahren; ihre erste Feldforschung führt sie Ende der Siebzigerjahre in die kenianischen Tugenberge; Mitte der Achtzigerjahre begibt sie sich auf die Spuren der Holy-Spirit-Bewegung im Norden Ugandas. Während der Aids-Epidemie arbeitet sie über die katholische Kirche in Westuganda, und schließlich erforscht sie an der kenianischen Küste die lokalen Praktiken von Straßenfotografen und Fotostudios. Diese Autobiografie der ethnografischen Forschung erzählt keine heroische Erfolgsgeschichte, sondern berichtet von dem, was in den herkömmlichen Ethnografien meist ausgeschlossen wird - die unheroischen Verstrickungen und die kulturellen Missverständnisse, die Konflikte, Fehlleistungen sowie Situationen des Scheiterns in der Fremde. So lädt dieses Buch zu einem freimütigen Blick auf die Ethnologie als Poetik sozialer Beziehungen ein. In den wenig schmeichelhaften Namen - "Affe", "Närrin" oder "Kannibale" -, die der Ethnologin in Afrika gegeben wurden, wird sie mit fremder Fremderfahrung konfrontiert und muss sich fragen, welche Wahrheit diese Bezeichnungen zum Ausdruck bringen, welche koloniale Geschichte sie erzählen und welche Kritik sie an ihrer Person und Arbeit üben. Mit dem Bericht über vier ethnografische Forschungen in Kenia und Uganda in einem Zeitraum von fast fünfzig Jahren reflektiert Heike Behrend auch die Fachgeschichte der Ethnologie und die Veränderungen des Machtgefüges zwischen den Forschenden und den Erforschten, die sie am eigenen Leib erfährt.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 02.01.2021

Dem Rezensenten Sebastian Fuchs zufolge deckt die emeritierte Ethnologin Heike Behrend hier auf, wie sehr der Blick der Ethnologen ihre Beobachtungen leitet. Der Kritiker hat gelernt, dass die Forscher meist verschweigen, dass die Ethnografierten ihre eigene Agenda haben, die die Forschung ebenso lenkt wie die verklärende Erwartung der Ethnografen, dem Ursprünglichen zu begegnen - Erkenntnisse, die die Autorin mit autobiografischen Anekdoten aus ihrer Zeit in den kenianischen Tugenbergen unterhaltsam zu untermauern versteht, lobt Fuchs.




Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 11.12.2020

Rezensentin Katharina Teutsch empfiehlt das Buch der Ethnologin Heike Behrend zum besseren Verständnis des Fachs. Wie die Autorin auf ihr Forscherinnenleben zurückblickt, selbstkritisch, bescheiden und der Grenzen des Wissens gewahr, gefällt Teutsch. Beeindruckend findet sie Behrends Schilderungen ihrer Arbeit während der 1980er Jahre in einem kenianischen Bergdorf und davon, wie sie sich den Respekt der Dörfler erst erarbeiten musste, die sie als hässlichen Affen betrachteten. An die Idee von der Objektivität der Forschung mag Teutsch nach der Lektüre nicht mehr glauben, an die Möglichkeit, eine akademische Disziplin als "laufendes Experiment" darzustellen, aber schon.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.10.2020

Rezensent Helmut Mayer hält den "schnörkellosen" autobiografischen Text der Ethnologin Heike Behrend über ihre Feldforschungen in Ostafrika, ihre Verirrungen, Fehler und kulturellen Missverständnisse für so lehrreich wie einnehmend. Es geht nicht um Anekdoten, erklärt Mayer, sondern um handfeste Zuschreibungen, denen sich die Autorin ausgesetzt sah und an denen der Leser die Revisionen der Ethnografie mitverfolgen kann, wie der Rezensent erläutert: von der Klassifizierung der Forscherin als Affe über das Ding zur Person und weiter zur Kannibalin. Wie in den Berichten das "Herz der Finsternis" zurückgespiegelt wird, scheint Mayer bemerkenswert.
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