Gao Xingjian

Das Buch eines einsamen Menschen

Roman
Cover: Das Buch eines einsamen Menschen
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783100245045
Gebunden, 478 Seiten, 19,80 EUR

Klappentext

Aus dem Chinesischen von Natascha Vittinghoff. Hongkong zur Zeit der chinesischen Kulturrevolution. Durch die leidenschaftliche Liebe zu einer deutschen Jüdin wird der Erzähler zur Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit gezwungen, ein farbenprächtiges Wechselspiel von Erinnerungen und Gegenwärtigem beginnt. Fragen über seine chinesische Identität und die Bewältigung traumatischer Erinnerungen durch politischen Terror sowie die Möglichkeiten literarischen Schreibens, aber auch seine vielen Liebesbeziehungen stehen im Zentrum des Romans. Ein stimmungsvolles Buch von zarter melancholischer Stille mit starker Sogkraft.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.08.2004

Die Vermutung unseres Rezensenten, der in Frankreich lebende Autor habe mit seiner chinesischen Vergangenheit abgeschlossen, hat sich nicht bestätigt. Auch in seinem zweiten großen autobiografischen Roman aus dem Jahr 1999, der nun auf Deutsch vorliegt, beschäftigt sich Xingjian mit der Geschichte seiner Heimat, so Ludger Lütkehaus, und was der Autor von den Terrorjahren der Kulturrevolution zu berichten hat, findet er ausgesprochen eindrucksvoll. Leider zerfalle der Roman in zwei Teile, bedauert der Rezensent: einen die erotischen Beziehungen resümierenden Teil, der in Du-Form vorgetragen wird, und einen geschichtlich-politischen Strang als Erzählung in dritter Person. "Die Sprache des Fleisches und der Leidenschaft bleibt hinter der der geschichtlichen und politischen Erfahrung zurück", heißt es in aller Deutlichkeit bei Lüdkehaus. Um so spannender findet er aber den politischen Teil, der sich durch große Ehrlichkeit auszeichne, weil Xingjiang die Ambivalenz der eigenen Rolle in den Jahren der Kulturrevolution, zwischen Anpassung und Widerstand changierend, nicht ausspare. Insofern sei der Roman weder plakativ noch "bloße Gegenproganda".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.08.2004

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: für einen Schriftsteller von Weltrang hält Christoph Haas den chinesischen Autor Gao Xingjian nicht, auch wenn dieser vor ein paar Jahren den Nobelpreis für Literatur erhalten hat. Sein jüngster Roman "Das Buch eines einsamen Menschen" weise doch einige Schwächen auf, meint Haas und bemängelt unter anderem die fehlende Bündelung und Straffung des Stoffes, der unter zahlreichen eingeschobenen Reflexionen über Gott und die Welt zu leiden habe. Weiter moniert der Rezensent eine schwache Figurenzeichnung, insbesondere der Frauen, die als Jagdopfer des erotomanen Ich-Erzählers kommen und gehen; im übrigen sei die Person des Ich-Erzählers, unschwer als Alter Ego des Autors zu erkennen, schiebt Haas ein, dessen Leiden in den Wirren und Schrecken der Kulturrevolution allerdings eindrucksvoll geschildert werden. Überhaupt schätzt Haas Xingjian als "beredten Zeitzeugen", der von einer der großen politischen Ereignisse des letzten Jahrhunderts Zeugnis ablegt. Um einen wirklich guten Roman daraus zu machen, hätte sich der Autor jedoch von seinen autobiografischen Ursprüngen weiter entfernen müssen, bekräftigt der Rezensent sein gespaltenes Urteil.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.07.2004

"Nur am Schreibtisch zu genießen", findet Susanne Messmer diesen schweren Roman des Nobelpreisträgers Gao Xingjian, aber doch lohnenswert. Denn er hat ihr solch "plastische" Einblicke in die Kulturrevolution vermittelt wie bisher kein anderes Stück chinesischen Literatur. Nach der Begegnung mit einer deutschen Jüdin beginnt der Erzähler über die jüngere Geschichte seines Volkes nachzudenken, schildert Messmer den Rahmen des Buches. Die Erzählung führe so zurück in die Kulturrevolution, in deren Verlauf sich der Ich-Erzähler von einem eifrigen Mitläufer zum Rebellen entwickelt. Reflexionen über persönlich Schuld stehen dem die Mechanismen von Selbstkritik, Denunziation und Wahn gegenüber, wie die ein wenig erschöpfte, aber nicht abgeneigte Rezensentin erklärt.