Yu Hua

Brüder

Roman
Cover: Brüder
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2009
ISBN 9783100958037
Gebunden, 768 Seiten, 24,95 EUR

Klappentext

Aus dem Chinesischen von Ulrich Kautz. Zwei Brüder - zwei Leben. Li ist ein gerissener Geschäftsmann. Er verkauft Müll und abgetragene Anzüge aus Japan. Li scheffelt Millionen. Bruder Song ist besonnen, ein Schöngeist und ewiger Pechvogel. Ein bisschen zu gut für das moderne China - den wilden Kapitalismus. Aber auch er will am Wirtschaftswunder teilhaben. Also lässt er sich seine Brust vergrößern, um den Landfrauen ein Gel zu verkaufen, das den Busen praller macht. "Brüder" ist die tragikomische Geschichte von Li und Sang, die die Schrecken der Kulturrevolution überleben und im neuen China ihr Glück versuchen. Yu Hua weiß um die Brisanz Chinas, aber er weiß auch, dass man den Humor nie verlieren darf. "Brüder" ist die Kehrseite des Wirtschaftsrausches in China - traurig, klug und sagenhaft komisch.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.11.2010

Ein kleines Wunder sieht Rezensent Kolja Mensing schon in der Tatsache, dass dieser Roman des Chinesen Yu Hua der Zensur entgehen konnte. Die derbe Sprache des von Mensing anfänglich für einen Schelmenroman gehaltenen Buches, vor allem aber Huas kritischer Blick, namentlich auf die Zeit der chinesischen Kulturrevolution und auf das Image der Wirtschaftsmacht China, machen den Umstand und das Buch selbst für ihn so wunderbar. Die alte Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichte scheint ihm durch ihre parabolisch auf den kapitalistischen Sündenfall bezogene Anlage frischen Wind zu bekommen. Slapstick und Huas für diesen Text eigens antrainierte sprachliche Kraftmeierei passen laut Mensing nicht zuletzt in der gelungenen Übersetzung von Ulrich Kautz ganz gut dazu. Darin, dass Hua Satire und den Terror der Roten Garden in einem Text unterbringt, versucht Mensing übrigens unter Anleitung des Autors keinen Widerspruch zu erkennen. Keine ganz leichte Übung, wie es aussieht.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.10.2009

Vielleicht sogar Weltliteratur hat der Philologe und Übersetzer Fung On Lui mit Yu Huas Roman "Brüder" über die Zeit der Kulturrevolution gelesen. Zumindest bescheinigt er ihm ähnliche Qualitäten wie dem Schriftsteller Lu Xun, den der Sinologe Wolfgang Kubin als Maßstab für Weltliteratur anführt, wie Fung On Lui erzählt. Die Geschichte um die beiden Brüder, den anrüchigen und reichen Glatzkopf Li und den aufrichtigen und armen Song Gang, gefällt dem Rezensenten als Satire, die eben nicht moralisch belehrend sein will und damit im Gegensatz zu Autoren wie Yan Lianke steht, den Fung On Lui als "Stürmer von Tabu-Zonen" bezeichnet. Dabei bietet der Roman auch ohne moralische Lehre Anregungen, um über die Ursachen der Kulturrevolution nachzudenken, weiß der Rezensent, und zwar über die Wege der Ironie und der Groteske. Einzig mit der Übersetzung hadert Fung On Lui und kritisiert seinen Berufskollegen: Wo im Original die Sprachkunst Yu Huas über die Ironisierung von Redewendungen funktioniere, fehle in der deutschen Übertragung mitunter die rechte Entsprechung.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.08.2009

Von einem maßlosen Buch maßlos beeindruckt zeigt sich Andreas Breitenstein. Dieses welthaltige Werk des chinesischen Autors entfaltet auf vielen hundert Seiten ein Epochenpanorama, das von der Kulturrevolution bis sehr nahe heran an die Übertreibungen der kapitalistischen Gegenwart reicht. Als Helden hat sich Yu Hua dabei einen Mann mit dem Spitznamen Glatzkopf-Li ausgesucht, der als Junge miterleben muss, wie die Kulturrevolution seine Eltern bricht, der aber als Unternehmer in den ganz anderen Zeiten, die seit den Neunzigern folgen, zum steinreichen Mann wird. Und dabei nicht ohne weiteres ein Schurke ist. So sehr nämlich der Autor zum Drastischen neige - im Sexuellen wohl zuerst -, so vielschichtig lege er diesen Protagonisten an. Und zwar hält er sich, meint Breitenstein, mit expliziter Gesellschaftskritik zurück, die schwindelerregenden Auswirkungen verfehlter Politik würden jedoch auf fast jeder Seite sichtbar. Vielfach versichert der Rezensent, dass ihm dies "ironisch-heitere, gefühlsstark-witzige Schelmenstück", das sich in China selbst millionenfach verkaufte, ein geradezu unbändiges Vergnügen bereitet hat.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.08.2009

Rezensent Lennart Laberenz lässt kein gutes Haar an Yu Huas Roman "Brüder". Zuallererst beschwert er sich, dass man gar nicht wüsste, womit man es hier eigentlich zu tun habe: Ein Jugendbuch? Ein politisches Pamphlet? Oder ein Buch, das mit Blick auf die Frankfurter Buchmesse geschrieben sei? Auch inhaltlich stört Laberenz so einiges. Es handelt von zwei gegensätzlichen Halbbrüdern: der eine ausgekochter Straßenganove, der andere ein Landei. Die beiden wachsen an getrennten Enden derselben Stadt auf und finden sich erst zum Schluss des Buches, nach siebenhundertfünfundsechzig Seiten, wie der Rezensent sehr oft ironisch bemerkt, wieder. Laut Laberenz erwarten den Leser eine kitschige Liebesgeschichte und viel zu viel Pathos. Erzählt sei das Ganze in einer unerträglichen "Geradlinigkeit der Personenentwicklung" und darüber hinaus mit "platten Illustrationen" durchsetzt, was auf den ungnädigen Rezensenten "bestenfalls kurzweilig" wirkt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.08.2009

Einen "epochalen Roman" wie die Buddenbrooks sieht Rezensent Hans-Christoph Buch in diesem Roman des chinesischen Schriftstellers Yu Hua, das seinen Welterfolg verdient habe und den Rezensenten von der ersten bis zu letzten Seite gefesselt hat. Dabei handelt es sich, wie Buch schreibt, um einen chaotischen, vulgären und blutigen Roman, schleimig wie eine "frische Geburt", der die Grausamkeiten der Kulturrevolution mitunter sehr minutiös beschreibe. Im Mittelpunkt dieses von ihm als "Schelmenroman" eingeordneten Werks, beschreibt der Rezensent ein Brüderpaar, das den Terror und die Lynchung des eigenen Vaters aus der ohnmächtigen Kinderperspektive erlebt. Doch der "bluttriefenden Tragödie" folge die Farce der Reformpolitik und die Rückkehr zur Marktwirtschaft. Der Reichtum des Romans an Motiven, Themen und irrwitzigen Überdrehungen lasse sich höchstens andeuten, schreibt der Rezensent - zum Beispiel ein Chor von Behinderten, der wie ein antiker Chor das Geschehen kommentiere und in dem Buch die Persiflage chinesischer Massenaufmärsche erkennt. Obwohl er diesen Roman, in dem "gefurzt, gepisst und gevögelt" werde, für einen gezielten Angriff auf die guten Sitten hält, ist der Rezensent begeistert.
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