Francoise Sagan

Die dunklen Winkel des Herzens

Roman
Cover: Die dunklen Winkel des Herzens
Ullstein Verlag, Berlin 2019
ISBN 9783550200915
Gebunden, 192 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

 Aus dem Französischen von Waltraud Schwarze und Amelie Thoma.  Ein schwerer Autounfall hätte Ludovic Cresson beinah das Leben gekostet. Doch gegen alle Wahrscheinlichkeit überlebt er das Unglück, und nicht nur das: Nach einiger Zeit ist er vollständig genesen. Sehr zum Bedauern seiner Frau Marie-Laure, die sich in der Rolle der vermögenden Witwe gut gefiel. Sie erträgt die zärtlichen Avancen ihres wiederauferstandenen Mannes kaum, schließlich hatte sie bereits die Musik für seine Beerdigung auswählt. Eines Tages belauscht Henri, Ludovics Vater, eine unschöne Szene zwischen den Eheleuten, er bangt um das männliche Selbstwertgefühl seines Sohnes und beschließt einzugreifen...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.12.2019

Rezensent Paul Jandl weiß, welche Erschütterungen Françoise Sagan mit "Bonjour Tristesse" auslöste, er nennt den Roman "das Buch, mit dem sich Frankreich vom Katholischsein kurierte". Frivolität, Ennui und Suche nach wahren Gefühlen findet er auch in diesem neuen Roman, der als große Sensation angekündigt wurde, aber bei Erscheinen doch eher enttäuschte. Das Setting ist durchaus saganesk, wie Jandl gern zugibt: Reicher Fabrikant in der Provinz, kränkelnde Gattin und ein schöner Sohn, der sich eine Affäre mit seiner Schwiegermutter leistet. Aber von Sagans Verve, von ihrer Kühnheit und auch ihrem Spott ist in diesem Roman nichts übrig, seufzt der Rezensent. Aus einem rudimentären Manuskript habe Sagans Sohn Denis Westhoff einen Roman zusammengestoppelt, schimpft Jandl, der nurmehr einen schwachen Aufguss jenes Gefühlsrauschs erlebte, in den ihn die Autorin einst versetzen konnte.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 28.11.2019

"Die dunklen Winkel des Herzens" ist ein in jeder Hinsicht rätselhaftes Buch, mein Rezensentin Ursula März. Da ist zum einen das Rätsel der Entstehungsgeschichte: Rein zufällig soll Sagans Sohn und Nachlassverwalter Denis Westhoff auf die Fragmente dieses Romans gestoßen sein und sie dann, ein großartiges Werk darin erkennend, behutsam zusammengefügt und im Sagan'schen Stil ergänzt haben. Da Westhoff sein Vorgehen jedoch nicht weiter ausführt und auch nicht verrät, wo genau er eingriff, kann von einer überprüfbaren Edition nicht die Rede sein, so März. Auch die Frage lässt ein Rätsel offen, weshalb Sagan den Roman nicht selbst veröffentlichte, da sie sich doch laut Rezensentin sonst nicht scheute, so Allerhand zu publizieren, um ihren ausschweifenden Lebensstil zu finanzieren. Zudem fragt man sich als Leserin, in welcher Zeit diese für Sagan typische Geschichte voller Intrigen, Skandale und Erotik anzusiedeln ist: Wären da nicht die historischen Marker wie Fernsehgeräte und Chanel-Kostüme, könnte man glatt denken, man befände sich im 19. Jahrhundert. Und nicht nur über diese historische Widersprüchlichkeit muss sich die Rezensentin wundern, sondern auch über fliegende Koffer, natürliche Körperfestungen und ungewöhnlich zähe Organe. So lesen wir also zwischen den Zeilen: Dieser Roman hat wenig vom einstigen literarischen Charme der Francoise Sagan.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 26.11.2019

Ursula März versteht den Hype um dieses Buch aus dem Nachlass von Françoise Sagan nicht. Von wegen Atombombe! Auch als Roman erscheint ihr "Die dunklen Winkel des Herzens" eher wie eine Attrappe. Sagans Sohn und Erbe Denis Westhoff hat hier unfertige Textteile zusammengefügt, weiß die Rezensentin und mit einer gewissen nonchalance fortgeschrieben. März räumt ein, dass die Romanwelt durchaus saganesk sei - der von seiner Frau verachtete Provinzbourgeois beginnt eine Affäre mit seiner Schwiegermutter, auf die es auch der Vater abgesehen hat -, aber sie sei auch deutlich aus der Zeit gefallen. Skandalöse Patriarchen und sexuell ausgehungerte Söhne sind doch eher ein Stoff vom Anfang des 20. Jahrhundert als von seinem Ende, winkt März ab.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 23.11.2019

Sarah Pines fühlt sich mit diesem aus dem Nachlass erscheinenden unvollendeten Roman Françoise Sagans wie aus der Zeit gefallen. Der einmal mehr bei Sagan geschilderte diskrete Charme der Bourgeoisie rührt Pines eigentlich nicht mehr. Die mit schnellen Autos, langen Fluren in Herrenhäusern und Diners im Familienkreis angefüllte Geschichte um einen alten Patriarchen klingt für Pines wie ein best of von Sagans sämtlichen Werken und nach dem Leben der Autorin selbst. Das Anachronistische des Textes wird laut Rezensentin allerdings gebrochen durch die Ironie, mit der Sagan das langsame Abtreten des Tyranns beschreibt.
Stichwörter