Florian Illies

1913

Der Sommer des Jahrhunderts
Cover: 1913
S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2012
ISBN 9783100368010
Gebunden, 320 Seiten, 19,99 EUR

Klappentext

Die Geschichte eines ungeheuren Jahres, das ein ganzes Jahrhundert prägte: 1913. Es ist das eine Jahr, in dem unsere Gegenwart begann. Und doch wohnt dem gleißenden Anfang das Ahnen des Verfalles inne. Literatur, Kunst und Musik wussten schon 1913, dass die Menschheit ihre Unschuld verloren hatte. Der Erste Weltkrieg führte die Schrecken alles vorher schon Erkannten und Gedachten nur noch aus. Malewitsch malt ein Quadrat, Proust begibt sich auf die Suche nach der verlorenen Zeit, Benn liebt Lasker-Schüler, Rilke trinkt mit Freud, Strawinsky feiert das Frühlingsopfer, Kirchner gibt der modernen Metropole ein Gesicht, Kafka, Joyce und Musil trinken am selben Tag in Triest einen Cappuccino - und in München verkauft ein österreichischer Postkartenmaler namens Adolf Hitler seine biederen Stadtansichten.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.12.2012

Viel ist es nicht, was Oliver Pfohlmann uns zu sagen hat über dieses Buch, das ihn derart mitgerissen haben muss, dass er seine Rezensentenpflichten fast vergisst: Form und Umfang, Hinweise auf die Entstehung oder Beweggründe, so ein Buch zu schreiben - darüber erfahren wir nichts. Stattdessen wird aus dem Inhalt geplaudert, über Picasso als vermeintlicher Dieb der Mona Lisa, Hitler und Stalin im Park von Schönbrunn (beim Flanieren), Freud und Jung im Zwist und so manches mehr, geschehen im ereignisreichen Jahr 1913, chronologisch kompiliert, montiert von Florian Illies, und zwar mit "großer Spielfreude" wie Pfohlmann immerhin weiß.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.12.2012

Ein wenig irritiert lässt Thomas Weber die Leser seiner Rezension zurück, in der er ein wilhelminisches Dornröschen vorschickt, Florian Illies' Geschichtspanorama aus dem Jahr 1913 nach hundertjährigem Schlaf zu lesen. Laut Weber kann es überhaupt nicht verstehen, was Illies mit dem apokalyptischen Denken meint, das er in all der Decadence, den Untergangsfantasien und Depressionen von Spengler, Freud, Jung, Kafka und Thomas Mann erkennen will. Doch wer denkt, Weber würde dem Autor negativ ankreiden, dass er in seiner leichtfüßigen Collage zu sehr vom Ausgang der Geschichte denkt, täuscht sich. Nach ausführlichen Erörterungen der Kriegserwartungen in Deutschland befindet Weber am Schluss, dass man die Untergangsfantasien nicht als Vorahnung, sondern als Metapher lesen müsse.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.11.2012

Schreiben kann Florian Illies, das ist für den Rezensenten Harald Jähner keine Frage. Seine Geschichte des Jahres 1913 unterscheidet sich aber nicht nur stilistisch von anderen Formen der Aufbereitung: Illies pickt sich hier und da die anekdotischen Leckerbissen heraus und hält sich vom eher unappetitlichen Faktenbrei fern, berichtet Jähner. Es hat seine Vor- und Nachteile, wenn Geschichte derart in Literatur umschlägt, findet der Rezensent. Es macht sie lesbarer. Es macht sie sicherlich unterhaltsamer. Es unterschlägt aber auch eine ganze Menge ganz schön Wichtiges, meint der Rezensent. Dadurch, dass Illies sich in seinen Episoden vornehmlich auf die künstlerische Avantgarde des Jahres bezieht, erfährt der Leser zwar einiges über Robert Musil, Thomas Mann und und C.G. Jung, wird aber blind gemacht für die anonyme Masse der Politik- und Arbeitswelt. Illies erzählt sehr kunstvoll vom kulturellen "Schaum der Tage", fasst Jähner zusammen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 29.11.2012

Ganz beeindruckt, aber auch ein wenig überwältigt ist Rezensent Hans von Trotha von der geballten Materialmenge, die Florian Illies in seinem Buch über das Vorkriegsjahr 1913 gesammelt, in Anekdoten arrangiert und mit ironischen Kommentaren versehen hat. Man darf dieses Werk nicht als historische Analyse nehmen, sondern muss es bei aller objektiven Faktendichte als höchst subjektive und feuilletonistische Zusammenstellung lesen, die nicht zuletzt auch auf die funkelnde Pointe zugeschnitten ist, meint der Rezensent. Mitunter hagelt es gar zu viele Pointen, um von Trotha zu Sinnen kommen zu lassen. Und er hat hier und da den Eindruck, dass auf "kurzfristige Gefälligkeit" hingearbeitet worden ist. Aber dennoch lässt er sich recht gern vom Glanz des "Arrangements" blenden, wie deutlich wird.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.10.2012

Eine Chronik des Jahres 1913 kann aus unserer heutigen Perspektive nicht gelesen werden, ohne an das Folgejahr und den Ersten Weltkrieg zu denken, findet Gustav Seibt. Das Mosaik hochproduktiver Genies, das Florian Illies in "1913" präsentiert, lasse nicht vergessen, dass damals alles Schaffen ein schnelles Ende gefunden habe. Lust, die damalige Kunst wieder zu entdecken, macht das Buch dem Rezensenten trotzdem. Sigmund Freud, Karl Kraus, Kafka, Wittgenstein, Weber, Schönberg: da kommt schon eine illustre Runde zusammen. Seibt versichert, Illies habe die Geschichten aufwendig recherchiert und schön arrangiert. Aber nicht nur Künstler und Philosophen habe ihren Weg in das Buch gefunden, verrät der Rezensent: Ecstasy, Prada und Aldi auch.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 25.10.2012

Alexander Wallasch findet, Florian Illies treibe in "1913"  die Idee des synchronistischen Erzählens von Geschichte auf die Spitze: statt Damals und Heute durch Kausalitäten zusammenflicken zu wollen, gehe es dem Autor um die "Illusion der direkten Vergangenheitserfahrung". Die Umsetzung bereitet dem Rezensenten sichtlich Freude. Besonders schön sei, wie Illies das Gespinst aus Verbindungen offenlege, das zwischen den großen Persönlichkeiten des Jahres bestand. Treffen sich Rilke, Freud und Hofmannsthal - kein Witz! Nur das Bewusstsein, dass der Erste Weltkrieg damals kurz bevorstand, rücke die Vorkriegskunst ins Zwielicht. Der Zusammenhang zwischen moderner Kunst und dem Krieg könne sich als Huhn-Ei-Frage herausstellen, mutmaßt Wallasch.