Emmanuel Bove

Ein Mann, der wusste

Roman
Cover: Ein Mann, der wusste
Edition Epoca, Zürich 2000
ISBN 9783905513165
Gebunden, 192 Seiten, 19,43 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Gabriela Zehnder. Der siebenundfünfzigjährige Maurice Lesca wohnt mit seiner Schwester Emily in einer kleinen Wohnung an der Rue de Rivoli in Paris. Einst war er Arzt ohne Berufung, heute geht er keiner Beschäftigung mehr nach. Er ist arm und lebt von den gelegentlichen Zuwendungen einiger großzügiger Bekannter aus früheren Zeiten. Das ist alles, was wir mit Sicherheit wissen von einem Mann, dessen Wesen und Verhalten im Laufe der Ereignisse immer mysteriöser werden. Was hat es mit seiner jämmerlichen Untüchtigkeit und seiner unbeholfenen Art auf sich, die er im Umgang mit seiner Schwester etwa oder mit Madame Maze, die er regelmäßig in ihrem Buchladen besucht, so meisterhaft einzusetzen versteht? Geld ist ihm gleichgültig. Behauptet er. Und doch spinnt sich das ganze Geschehen um eine Intrige - oder ist es doch keine Intrige? -, bei der Geld im Spiel ist. Was geht hier vor? Wer ist Maurice Lesca?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.09.2000

Weitgehend positiv bespricht Joseph Hanimann diesen letzten Roman des 1945 verstorbenen Autors. Besonders gefallen ihm die präzisen Beobachtungen Boves, die es dem Leser ermöglichen, durch die Art, wie jemand beispielsweise einen Hut an den Haken hängt oder sich eine Serviette umbindet, einen Einblick in "feinste, innere Seelenzustände" zu gewinnen. Auch dass Bove bei seiner Schilderung des in so mancher Hinsicht gescheiterten Lebens des Protagonisten "nicht mit der Vergeblichkeit aller Zielvorstellungen kokettiert", sondern vielmehr das "glanzlos schäbige" dieses persönlichen Schiffbruchs aufzeigt, gehört für den Rezensenten zu den ausgemachten Stärken dieses Romans. Ebenfalls "glanzlos" findet er jedoch Boves Vorliebe für so manche Alltagsdetails, die Hanimann offenbar dann doch bisweilen zu ermüden scheinen. Die Übersetzung von Gabriela Zehnder allerdings gefällt ihm dann wiederum sehr: Nicht nur die Sorgfalt, mit der sie den Text ins Deutsche übertragen hat, hebt er als besonders lobenswert hervor, sondern auch die "feine Legierung in Tonfall und Bilderknappheit".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.08.2000

In einer Doppelrezension geht Martin Ebel auf die folgenden zwei Romane des französischen Schriftstellers Emmanuel Bove ein:
1) "Die Verbündeten"
Der Roman erschien 1928 in Frankreich und wurde erst jetzt ins Deutsche übersetzt, schreibt der Rezensent. Ebel benennt die treibende Kraft der Handlung, in die sich Boves Protagonisten, Mutter und Sohn, verstricken, als Kette von "Übersprungshandlungen". Vordergründig ist das fehlende Geld das Problem; Mutter und Sohn pumpen Freunde und Verwandte an, reden unablässig über ihr Problem, finden jedoch keinen Weg aus der Misere. Sie verwahrlosen zunehmend, schreibt Ebel, und "verlieren jeden Bezug zur Realität". In einer parabelartig eingewobenen Geschichte über den durchaus vermögenden Großvater - Ebel vergleicht ihre Kraft mit Kafkas "Der Bau" - verdeutliche Bove jedoch gleichzeitig, dass das fehlende Geld eben nicht das Problem ist, denn auch der Großvater war ein unglücklicher, getriebener Mann, der ständig den Bankrott beschwor. Die Boveschen Gestalten wirken wie Schiffbrüche, schreibt Ebel, die zwar umgeben sind von der "steifen Brise" des Erfolgs, selbst jedoch müde, enttäuscht und unfähig "in einer Flaute dümpeln".
2) "Ein Mann, der wusste"
Der Rezensent erwähnt, dass dieser Roman, der jetzt erstmals auf Deutsch erschien, selbst im Ursprungsland Frankreich erst vierzig Jahre nach der Fertigstellung des Manuskripts (1942) publiziert wurde. In ihm sind Bruder und Schwester die Protagonisten, deren Leben erfolglos, enttäuschend und unendlich zerredet vor den Leser treten. Um Maurice und Emily herum "tobt das Leben, werden Geschäfte gemacht und Gewinne durchgebracht, wird geliebt, gekämpft und gesiegt". Aber sie selbst haben schon verloren, bevor sie überhaupt begonnen haben. Ihre Abhängigkeit voneinander ist kein Trost sondern nur ein weiterer Punkt des Leidens und der Ausweglosigkeit. "Unaufhörlich grübelt und redet" man, schreibt Ebel, und die Gespräche mit den wenigen anderen, die noch um sie herum auftauchen, haben die Qualität von Beckettschen Dialogen "in denen jeder Satz den vorhergehenden dementiert". Wenngleich Ebel sein Urteil wenig im Detail absichert, urteilt er am Schluss der Besprechung über Bove, dass er sich mit jedem endlich erscheinenden Roman als "einer der größten französischen Schriftsteller des 20.Jahrhunderts" erweist.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.07.2000

Mit direkten Bewertungen hält Fritz Göttler sich bei seiner Rezension von Emmanuel Boves letzten Roman - geschrieben im Jahre 1942, aber auch in Frankreich erst Jahrzehnte nach seinem Tode veröffentlicht - zurück. Trotzdem scheint er vom Ansatz des Autoren sehr angetan, so etwa von seiner "gesunden Verachtung für die Psychologie". Göttler bewundert Boves Beschreibung des alten Mannes Maurice Lesca, der mit seiner Schwester ein fast unsichtbares, von kleinen Ritualen und Projekten strukturiertes Leben führt - "so sieht sie eben aus, die Existenzform der Menschen im moralischen Untergrund". Dabei habe Emmanuel Bove einen durchaus politischen Anspruch, in seinem Beschreiben von Stagnation, die nicht individuell, sondern gesellschaftlich ist.
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