E.Y. Meyer

Der Ritt

Ein Gotthelf-Roman
Cover: Der Ritt
Folio Verlag, Wien 2004
ISBN 9783852562858
Gebunden, 130 Seiten, 17,00 EUR

Klappentext

Am Neujahrstag 1831 reitet ein noch unbekannter und streitbarer Vikar von der Berner Heiliggeistkirche nach Lützelflüh. Es ist Albert Bitzius, der aufmüpfige Pfarrerssohn, der in dem kleinen Ort im Emmental seine vierte und letzte Vikariatsstelle antreten soll. Fünf Jahre später wird er durch seinen skandalträchtigen ersten Roman "Der Bauernspiegel" bekannt werden - herausgegeben unter dem Pseudonym Jeremias Gotthelf. Anhand von Originalzitaten, in knapper, geradezu galoppierender Sprache, schildert Meyer diesen Ritt, was während der fünf Stunden in dem 33-Jährigen vorgeht, wie er sein Leben sieht, die Erinnerungen, die auftauchen, was er von der Zukunft erwartet. Nicht Jeremias Gotthelf, der berühmte, heute von Klischees belegte Schriftsteller, wird gezeigt, sondern der wenig bekannte junge Mann in seinem Zwiespalt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.08.2004

Ein erfreulich "brüchigeres Bild" liefert E. Y. Meyer vom sonst uneingeschränkt ungestüm dargestellten Schweizer Pfarrer und Dichter Jeremias Gotthelf, so das einleitende Die Rezensentin Beatrice Eichmann-Leutenegger. Meyer zeige seinen Protagonisten an einer "Bruchstelle", sowohl seiner Zeit als auch seiner Lebensgeschichte, am Neujahrstag des Jahres 1831 nämlich, auf seinem Ritt von der Heiliggeistkirche in Bern, "deren Obrigkeit ihn vertrieben hat", nach Lützelflüh im Emmental, wo ihn seiner neue Gemeinde erwartet. Letztere, so die Rezensentin, hat sich einen Pfarrer gewünscht, "der auf der Kanzel wie ein Engel schreit, daneben aber stumm bleibt wie ein Fisch" (Zitat Meyer). Mit solch einem Wunsch müsse der junge Vikar Gotthelf aber naturgemäß hadern, und so folge Meyer der "weit verzweigten Landschaft all der inneren Gedanken", die Gotthelf auf seinem fünfstündigen Ritt bedrängen. Zwar spiele die "winterliche Topografie" der Reiseroute eine Rolle, immer jedoch im Hintergrund dieser "groß angelegten Gedankenprosa", deren "rhetorischer Gestus" an das "wuchtig-bildhafte" Hebräisch der Bibel erinnere. Interessant findet die Rezensentin sowohl die "Mehrschichtigkeit" des Meyerschen Textes, der den "inneren Monolog des Reiters" mit Original-Texten aus Gotthelfs Hand verschmelzen lässt, als auch Gotthelfs zum Zeitpunkt des Rittes aufblitzende "reifere Zukunftsperspektive", die der Reformation den Vorzug vor der Revolution gibt. Insgesamt, so die Rezensentin, ist "Der Ritt" das wirklich lesenswerte "Psychogramm eines Sensiblen und eines Zweiflers an sich selbst".