Christoph Bauer

Jetzt stillen wir unseren Hunger

Eine Rekursion. Roman
Cover: Jetzt stillen wir unseren Hunger
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2001
ISBN 9783100049100
Gebunden, 288 Seiten, 20,40 EUR

Klappentext

Es liegt Schnee in Kreuzberg. Tom Weinreich - gewohnheitsmäßiger Junggeselle, Müßiggänger, im Nebenberuf Fachmann für Personennahverkehr - geht am Landwehrkanal spazieren wie jeden Tag, immer denselben Weg, genau zwei Stunden lang. Dabei denkt er Spaziergangsgedanken, jeden Tag einen anderen. Seine größte Sorge ist, dass der Gedanke zu kurz ist für den Weg oder zu lang. Heute jedoch wird sein Gedanke von einer Fremden unterbrochen, die ihn anspricht. Tom weiß sofort: Sie ist die Seelenverwandte, auf die er schon längst nicht mehr zu hoffen gewagt hatte. Er lädt sie zu sich ein, und bei Rotwein, Käse und Brot reden sie über alle Dinge, die das Leben wirklich ausmachen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.08.2001

Eine gute Idee, die aber nur mäßig umgesetzt ist, hat die Rezensentin Maike Albath in diesem Debütroman des Berliner Autoren Christoph Bauer gefunden. Ihrer Ansicht nach hat der Roman "auf theoretischer Ebene einiges zu bieten", sogar erkenntnistheoretische Fragen werden abgehandelt. Aber dennoch "gelingt die literarische Umsetzung der spannenden Grundideen nur zum Teil" und so wird der Roman nach 100 Seiten zäh und vorhersehbar, manche erzählerischen Tricks wirken fade und konstruiert, bemängelt Albath. Die Liebesgeschichte werde in einer Weise erzählt, die Minnegesängen ähnlich ist, und auch den Charakter der umworbenen Frau findet die Rezensentin nur schwer zu ertragen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.05.2001

Etwas enttäuscht zeigt sich Martin Krumbholz über diesen Debütroman, der für ihn Erlebtes, Erfundenes und Gelesenes auf ungute Weise mischt. Da gibt es einen Ich-Erzähler, einen abgehalfterten Taxifahrer, der eine halb verhungerte Theaterkritikerin aufgabelt, die einem Tschechow-Stück entsprungen sein könnte. Eine Kunstfigur also, die den scheinbar aus dem Berliner Leben plaudernden Ich-Erzähler dazu bringt, so berichtet es Krumbholz, in einer Nacht zehn Oktavhefte vollzuschreiben. Aber wie kommt der literarisch ungebildete Mann zu seinem Thomas-Bernhard-Stil, wundert sich Krumbolz. Denn der, so stellt der Rezensent fest, habe die gesamte "Thomas-Bernhard-Rhetorikmaschine de luxe" angeschmissen mit allen ihren "Einzelfunktionen": endlose indirekte Rede, die zusammengesetzten Substantive, die ironischen Kursivierungen. All das kommt Krumbholz am Ende wie eine Mogelpackung vor, wozu auch das scheinbar offene Ende zählt, mit dem sich der Autor aus seiner Geschichte davonstehle.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.04.2001

Eine seltsame Mischung stellt für Reinhart Baumgart der Erstlingsroman von Christoph Bauer dar: einerseits findet er dort "Übertreibungskunstsätze" à la Thomas Bernhard, der als großes Vorbild herhalten musste, andererseits begegnet ihm romantische "hoch konventionelle Emphase", die einem sich liebenden Außenseiter-Paar in Kreuzberger Nächten gilt. Ernst oder Satire? Baumgart ist sich nicht sicher; wenn es sich um eine Satire handelt, dann sei sie "bieder misslungen", schreibt er, jedenfalls hat ihn die Liebesgeschichte zweier vom Leben Enttäuschter, die in einem "Klischeegewitter" badet und den Phantasien eines Gedankenspaziergängers à la Bernhard entsprungen ist, angestrengt, angeödet, enttäuscht.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.03.2001

Der Held aus Christoph Bauers "Jetzt stillen wir unseren Hunger" kann wenig Sympathiepunkte für sich verbuchen, findet Susanne Messmer, erstaunlich dass es dem Autor dennoch gelungen zu sein scheint, diesen "verbohrten, kulturkonservativen alternativspießigen Junggesellen" noch irgendwie "symphathisch hinzubiegen". Vielleicht, sinniert sie, liegt es am Kontext, am schönen Kreuzberg oder an den derzeit wenig attraktiven Alternativen an Romanhelden. Vielleicht liege es aber auch daran, dass Bauers Held an dem im Roman beschriebenen Tag etwas aus dem Ruder läuft. Es ist die Begegnung mit einer Frau, in die er sich spontan verliebt und der er sich bis zur Peinlichkeit, wie die Rezensentin findet, öffnet. Offen ist er auch für ihre Lebensgeschichte, lässt sich von ihr ins Bockshorn jagen, denn ihre Geschichte, erklärt Messmer, ist eine Lüge. Die Dialoge zwischen den beiden vollziehen sich in "penetranter Gemütlichkeit", driften in "Küchenpsychologie und Alltagspsychologie" ab und ermüden durch "scheppernde Dialoge", und "endlose Konjunktionalsätze". Wie eine dringende Lektüreemphehlung liest sich das nicht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.03.2001

Mit sympathischem Lob versieht Hans-Peter Kunisch seine Rezension von Christoph Bauers Debüt. Dem Rezensenten gefällt, dass ein Alters-Debüt (der Autor ist stolze 44 Jahre) und dazu noch ein Berlin-Roman so "lässig" und "heiter" sein kann. Zumal Bauer die Geschichte eines "Taugenichts" erzähle, einem abgebrochenen Dozenten, der Taxi fährt und hauptberuflich spazierengeht. Dieser Spaziergänger reflektiert auf seinen Kreuzberger Wegen die Gesellschaft in Gestalt Deutschlands und die Liebe in Gestalt Maschas, die zu seiner Begleiterin wird. Gänzlich trendunverdächtig gehe es dem Autor um "die Sanierung des Ambientes in unseren Köpfen, die nicht mehr funktionsfrei denken können". Die Stimmung des Rezensenten kippt jedoch, als die Geschichte in zähen Reflexionen über Bewusstsein und Literatur stecken zu bleiben droht. Erst als er merkt, dass tatsächlich etwas mit dem Roman nicht stimmt, dass also die zähen Träumereien des Autors ein Stilmittel sind, gefällt die Geschichte dem Rezensenten wieder und er nennt den Autor einen "eigensinnigen Erzählkünstler". Das ist die Gefahr bei Lob aus Sympathie.
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