Katerina Poladjan

Hier sind Löwen

Roman
Cover: Hier sind Löwen
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2019
ISBN 9783103973815
Gebunden, 288 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

1915: Die alte Bibel einer armenischen Familie an der Schwarzmeerküste ist das Einzige, was den Geschwistern Anahid und Hrant auf ihrer Flucht bleibt. Hundert Jahre später in Jerewan wird der Restauratorin Helen eine Bibel anvertraut. "Hrant will nicht aufwachen", hat jemand an den Rand einer Seite gekritzelt. Helen taucht ein in die Rätsel des alten Buches, in das moderne Armenien und in eine Geschichte vom Exil, vom Verlorengehen und vom Schmerz, der Generationen später noch nachhallt. Und sie bricht auf zu einer Reise an die Schwarzmeerküste und zur anderen Seite des Ararat.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.08.2019

Rezensent Thomas Steinfeld geht mit dem Roman der Berliner Schauspielerin und Autorin Katerina Poladjan hart ins Gericht. Das Buch handelt von der Buchrestauratorin Helene, die nach Armenien, ins Heimatland ihrer Vorfahren reist, um neue Restaurationstechniken zu lernen, und dort an einer Familienbibel arbeitet. Bereits diesen Plot an sich (in den außerdem eine Erzählung zweier Kinder eingebettet ist, die als Überlebende des Massakers an den Armeniern im Ersten Weltkrieg mit einer Bibel als einzigem Überbleibsel durchs Land wandern) findet Steinfeld kitschig und vor "Empfindsamkeit" überquellend. Inhalte wie Spiritualität, Politik oder Geschichte haben keine Chance gegen den "Totalitarismus des Gefühls", der sich auch auf sprachlicher Ebene in Form von pathetischem Leerlauf niederschlägt, kritisiert der Rezensent. Insgesamt zeichnet sich für ihn Poladjans Roman durch sprachlich unbeholfene Gefühlsduselei und "hemmungslos humanen deutschen Exotismus" aus.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.08.2019

Rezensentin Cornelia Geißler hat dieser Roman regelrecht verzaubert: Hingerissen berichtet sie, dass es hier nicht nur die Geschichte einer Buchrestauratorin aus Deutschland zu entdecken gibt, die sich in Jerewan erstmals tiefer mit ihren armenischen Wurzeln auseinandersetzt, sondern nach und nach auch die Erzählung über ein armenisches Geschwisterpaar auf der Flucht vor den Türken, die sich die Archivarin über ein Buch aneignet, das sie liebevoll restauriert. Der Kritikerin zufolge erzählt der Roman genauso sensibel wie die Hauptfigur mit den ehrwürdigen Schriften umgeht, die sie pflegt, wodurch das Buch für sie zu einem wahren "Schatzkästlein" wurde.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 06.08.2019

Jürgen Deppe kann Katerina Poladjans Fleißarbeit nicht als guten Roman bezeichnen. Eine Buchrestauratorin in Erewan, umgeben von den Untoten der Geschichte und den Emotionen heutiger Armenier, auf der Suche nach der Geschichte eines Geschwisterpaars, dessen Familie dem türkischen Völkermord an den Armeniern zum Opfer fiel, und nach den eigenen Wurzeln, dazu eine Liebesgeschichte - für Deppe ein bisschen viel. Schlimmer wiegt für den Rezensenten allerdings die Unfähigkeit der Autorin, das alles anders als didaktisch und durchschaubar aufzubereiten. Ein lehrreiches Buch, aber so mechanisch wie Buchbindetechnik, findet Deppe.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.08.2019

Rasantes Tempo aufs Schönste gepaart mit lakonischer Sprache, lobt Rezensent Paul Jandl. Der Roman erzählt von der jungen deutschen Buchrestauratorin Helen, die armenische Vorfahren hat und ein Praktikum in staatlichen Archiv der armenischen Hauptstadt Erewan macht. Der Einblick, den sie über eine Affäre, neue Freunde und Notizen in einem Evangeliar in die armenische Lebensrealität und Vergangenheit gewinnt, lässt sie dem Krititker zufolge ihre eigene Familiengeschichte in Frage stellen und führt sie zurück bis zu dem Genozid, den das Osmanische Reich während des Ersten Weltkriegs an den Armeniern verübte. Der Rezensent ist beeindruckt, wie geschickt die Autorin die vielfältigen Facetten des Erlebens der Hauptfigur verknüpft, um daraus eine Geschichte entstehen zu lassen, die in seinen Augen die Vergangenheit "lesbar" macht, da ihre Auswirkungen auf die Menschen deutlich hervortreten.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 01.08.2019

Rezensentin Olga Hochweis lässt sich von Katarina Poladjan mitnehmen auf eine "poetische Spurensuche" in die Vergangenheit einer armenischen Familie und die Geschichte ihrer Heimat. Helen ist in Moskau geboren, ihre Familie kommt jedoch aus Armenien. Auf Drängen ihrer Mutter reist sie nach Jerewan, wo ihr eine alte Familienbibel in die Hände fällt. Dieses Buch gehörte einst der 14-jährigen Anahid und ihrem kleinen Bruder, deren Geschichte in einer zweiten Erzählebene entwickelt wird, referiert die Rezensentin. Poladjan erzählt die beiden durch die Bibel miteinander verknüpften Geschichten sehr sinnlich, lebendig und ohne jeden Kitsch, in einer präzisen und dennoch poetischen Sprache, schwärmt Hochweis. Dabei gelingt es der Autorin, über ihre komplexen Figuren ein vielschichtiges Bild Armeniens zu zeichnen, lobt die berührte Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.07.2019

Rezensent Fridtjof Küchemann folgt Katerina Poladjan und ihrer Erzählerin, einer Buchrestauratorin, nach Armenien in ihre familiäre Gegenwart und Vergangenheit. Für den sich einlassenden Leser bietet der Text einen enormen Hallraum, staunt der Rezensent. Poladjans dritter Roman führt nicht nur tief in die armenische Geschichte und in eine Kindheit, er macht das laut Küchemann auch mit einer reizvollen vorsichtigen Suchbewegung einer verhalten bewegten Erzählerin und unter Verwendung sorgfältig gewählter Bilder.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 06.07.2019

Richard Kämmerlings ist angetan davon, wie es Katerina Poladjan in ihrem Roman um eine deutsche Buchrestauratorin mit armenisch-russischen Wurzeln gelingt, die Geschichte einer privaten Krise und die Schicksalsgeschichte des armenischen Volkes miteinander zu verschränken. Der Roman erscheint Kämmerlings als spannende, kluge und bewegende Variante des Versuchs, die Grenzen historisch-dokumentarischer Rekonstruktion von Biografien und Genealogien mittels Fiktion zu transzendieren.