Hubert Burda (Hg.), Christa Maar

Iconic Turn

Die neue Macht der Bilder
Cover: Iconic Turn
DuMont Verlag, Köln 2004
ISBN 9783832178734
Kartoniert, 452 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Bilder waren nie zuvor so präsent wie heute. Neben die künstlerischen Bilder sind gleichrangig technische, naturwissenschaftliche und mediale Bilder getreten. Die Allgegenwart der Bilder im Fernsehen, die zunehmenden Visualisierungen in den Naturwissenschaften und die bildgebenden Verfahren in der Medizin haben Bildern eine nie gekannte Präsenz und Bedeutung gegeben, der sich niemand entziehen kann. Iconic Turn antwortet auf die Forderung nach einem interdisziplinären Blick auf die neue vielfältige Bilderwelt. Noch gibt es sie nicht, die fächerübergreifende Bildwissenschaft, die die spezifischen Blickwinkel von Geistes- und Naturwissenschaften zusammenführt. Doch ist innerhalb der Geisteswissenschaften, insbesondere unter Kunst- und Medienhistorikern, eine rege Debatte darüber entstanden, wie sie aussehen könnte und welche Themen sie vorrangig behandeln sollte...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.08.2004

Sehr angetan zeigt sich Jochen Hörisch von diesem Band über den "iconic turn". Um die Bedeutung dieses "iconic turn" zu verdeutlichen erinnert Hörisch zunächst an den "linguistic turn", die Orientierung des Denkens auf die Sprache hin, die Richard Rorty als eine Gemeinsamkeit ganz unterschiedlicher Philosophen des 20. Jahrhunderts ausgemacht hatte. Wie er berichtet, suchen die Beiträge des Bandes im Wesentlichen den "Imperativ der neueren Mediengesellschaft" zu analysieren, den Hörisch mit den Worten "Alles soll sichtbar, alles soll transparent werden, alles muss ans Licht kommen" umschreibt. Neben den Beiträgen von Bazon Brock und Peter Sloterdijk, die über die Bilderschwemme in der Postmoderne schreiben, hebt er Friedrich Kittlers Nachzeichnung der Geschichte errechneter Bilder hervor. Wolf Singer stelle eindringlich heraus, dass Wahrnehmung und Kommunikation nie kongruent seien, während Barbara Stafford, Heinz-Otto Pleitgen, Rolf Pfeifer und Britta Glatzeder die Angewiesenheit von Bildern auf Körper verdeutlichten. Auch der Aspekt der Konstruiertheit von Bildern komme zur Sprache. Den "spezifischen Reiz" des Bandes sieht Hörisch in dem Umstand, "dass er so beredt davon handelt, wie schwer es ist, angemessen von Bildern zu reden und die Macht der Bilder sprachlich zu bändigen."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.06.2004

Der Rezensent des von Christa Maar und Hubert Burda herausgegebenen Sammelbandes "Iconic turn. Die neue Macht der Bilder" zieht sich auf eine Position ironischer Draufsicht zurück angesichts des Befundes: "Die Geschichte der Wissenschaften folgt leichter dem Trend als dem besseren Argument." Aus skeptischer Distanz verfolgt Heinz Schlaffer, was da so an Erkenntnissen ventiliert wurde während einer interdisziplinären Ringvorlesung an der Münchner Universität, zu der der Medienunternehmer Burda geladen hatte. Naturwissenschaftler, Künstler, Kulturwissenschaftler traten auf. Schlaffer summiert: "In der Erregung des Tages werden auch Banalitäten, Irrtümer und Ausnahmen zu Symptomen für einen tief greifenden Wechsel vergrößert." Zwar verspreche das Schlagwort vom "iconic turn" - 1994 geprägt, analog zu Richard Rortys "linguistic turn", von Gottfried Boehm - einen bequemen Anschluss an den Zeitgeist. Jedoch sei mit einem nachhaltigen Siegeszug der modischen Bildwissenschaft nicht zu rechnen, garantiere die Betrachtung von Aufnahmen "von Clintons Besuch in Eisenach oder von Benzolmolekülen im Rastertunnelmikroskop" doch einer "Gemütslage der Versenkung und des Enthusiasmus" keinen rechten Gewinn. Am Ende aber zeigt sich Schlaffer dann doch noch kooperativ: Er empfiehlt dem Leser, "dessen Zeit knapper ist" als die des Rezensenten, ein Viertel der Beiträge "zur besonderen Beförderung seiner Erkenntnis": die Aufsätze von Gottfried Boehm, Reinhard Brandt, Wolf Singer, Friedrich Kittler, Jan Assmann und Willibald Sauerländer.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.06.2004

Sehr aufschlussreich findet Rezensentin Christiane Kruse diesen von Christa Maar und Hubert Burda herausgegebenen Band, der eine Reihe von Beiträgen zum "Iconic Turn" in allen Bereichen der Wissenschaft versammelt. Ausführlich referiert Kruse einzelne Beiträge: der Kunsthistoriker Gottfried Boehm etwa befasse sich mit der eigenen Logik der Bilder, die ihren Sinn aus "genuin bildnerischen Mitteln" gewönnen und insofern kategorisch von der Sprache zu unterscheiden seien, während der Neurobiologe Wolf Singer in seinem Beitrag den Gesichtssinn aus neuronaler Sicht unter die Lupe nehme. Der Neurobiologe Semir Zeki warte mit der These auf, dass Kunst den Gesetzen des Gehirns unterliege und Ausdruck der neuronalen Fähigkeit des Gehirns sei, und der Experimentalphysiker Wolfgang Heckl schildere Möglichkeiten, die sich mit den Bildgebungsverfahren der Nanoskopie ergeben. Der Kulturwissenschaftler Friedrich Kittler befasse sich mit einer Leitfrage des Iconic Turn, den Brückenschlag von Bio- und Kulturwissenschaften. Den Kern der Bilder-Frage sehe Hans Belting an die Frage nach ihrer Referenz auf Körper gebunden. Fazit der Rezensentin: ein Band, der die bisweilen "verwirrende Vielfalt" des Bilder-Themas eindrucksvoll widerspiegle.
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