Axel Honneth

Verdinglichung

Eine anerkennungstheoretische Studie
Cover: Verdinglichung
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005
ISBN 9783518584446
Kartoniert, 112 Seiten, 14,90 EUR

Klappentext

In dieser Studie, hervorgegangen aus den Tanner-Lectures, die Axel Honneth im Frühjahr 2005 an der Universität Berkeley hielt, wird der Versuch einer Reaktualisierung des klassischen, im wesentlichen auf Georg Lukacs zurückgehenden Begriffs der Verdinglichung unternommen. Obwohl wir intuitiv zu wissen glauben, was mit diesem Begriff im Alltag gemeint ist, verschwimmt bei näherer Betrachtung sein Bedeutungsgehalt erheblich. Im Kontext der Pornografie-Debatte etwa ist von der Verdinglichung oder Objektivierung von Frauen die Rede, in ganz anderen Zusammenhängen aber auch von der Verdinglichung der Natur, ohne dass dabei der normative Bezugspunkt immer ohne weiteres klar ist. Der Vorschlag, der hier unterbreitet wird, verdankt sich einer Neuinterpretation der Lukacsschen Intuitionen mit Hilfe von Einsichten Heideggers und Deweys.
Von Verdinglichung, so die zentrale These, sollte immer dann gesprochen werden, wenn in unserer Weltbeziehung jene Komponente einer vorgängigen Anerkennung verlorengeht, die all unserem Erkennen sowohl ontogenetisch als auch kategorial zugrunde liegt. Anhand eines solchen anerkennungstheoretisch reformulierten und entwicklungspsychologisch gedeckten Begriffs der Verdinglichung lässt sich dann auch die Brücke zu gesellschaftstheoretischen Fragen schlagen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.01.2006

Zunächst findet der Rezensent Ralf Konersmann den Rückgriff Axel Honneths auf den der Tradition der Frankfurter Schule nur sehr vermittelt zuzuordnenden Georg Lukacs erstaunlich. Nicht weniger als eine Aktualisierung des marxistischen Begriffs der Verdinglichung habe Honneth in seinen nun veröffentlichten Tanner-Lectures, gehalten an der Universität Berkeley, im Sinn. Sehr problematisch erscheint dem Rezensenten jedoch die "Entgrenzung" des Begriffs, die Honneth vornimmt - um ihn so auf den gesamten Bereich der "Interaktion" anwenden zu können. Vor diesem negativen Hintergrund der Verdinglichung werde jedoch der Schlüsselbegriff der neueren Frankfurter Theorie, der der Anerkennung, zum strahlenden Positivum. Und diese Wendung der Geschichte laufe direkt in die Falle der Sehnsüchte nach einem noch nicht durch Verdinglichung verdorbenen Ursprung. Das Ergebnis ist dann, so Konersmann, ein Rückfall ins "Authentizitätsverlangen moderner Sozialromantik", das noch Jean-Jacques Rousseaus hypothetische Rückkehr zur Natur ontologisch in den Schatten stelle.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.11.2005

Kritisch betrachtet Rezensent Wolfgang Kersting diesen Versuch Axel Honneths, den Begriff der Verdinglichung aus seinem marxistischen Kontext zu lösen und ihn anerkennungstheoretisch neu zu formulieren. Wie er in seiner dichten und terminologisch hochgerüsteten Besprechung berichtet, knüpft Honneth an Lukacs' klassischer Analyse kapitalistischer Verdinglichung an, die eine Wahrnehmung von Mitmenschen und Welt nach dem Muster dinglicher Objekte meint, um sich dann verstärkt Heidegger und vor allem Dewey zuzuwenden. Dass er Deweys Einsicht, unser Weltverhältnis sei primär praktisch und aller rationalen Erkenntnis gehe ein komplexes, emotionale, kognitive und volitive Momente verbindendes Weltempfinden voraus, mit dem Begriff der Anerkennung kennzeichnen möchte, hält Kersting für keine glückliche Entscheidung, einmal weil der Anerkennungsbegriff zu einer Erbaulichkeitsformel entartet sei, dann auch wegen seiner Nähe zum Erkenntnisbegriff. Die Schilderungen der Auswirkungen von Verdinglichungsphänomenen im Blick auf die Natur und die soziale Sphäre erinnern ihn letztlich an Rousseaus Klage über den Selbstverlust des natürlichen Menschen in der Gesellschaf. "Der Verdinglichungsdiskurs", urteilt Kersting, "bleibt auch bei Honneth ein sozialromantischer Diskurs".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.10.2005

Es war an der Zeit, so der Rezensent Michael Schefczyk, den Begriff der Verdinglichung, der einmal zum Basisvokabular "kritischer Geister" gehörte, vor dem Vergessen zu retten. Und Axel Honneth, laut Rezensent der nach Jürgen Habermas wichtigste lebende Vertreter der Frankfurter Schule, tut dies in seinem Buch auf "konzentrierte" Art und Weise. Zunächst widerlege Honneth Lukaczs These, nach der der Kapitalismus dafür verantwortlich gemacht werden müsse, dass die Verdinglichung zu einer Art "zweiten Natur" des Menschen geworden sei, als nicht brauchbar, greife allerdings Lukaczs Begriff der wiederzuentdeckenden "wahren Praxis" auf, um aus ihm eine "Theorie der Anerkennung" zu entwickeln. Aus dem allseits beobachtbaren Verlust des Bewusstseins gehe ein Verlust der Anerkennnung hervor, der zur Verdinglichung führe. Leider vermeide Honneth weitgehend "Phänomenbeschreibungen" sowie Bemerkungen zu den "politischen Implikationen der Verdinglichungskritik". Doch kann, so das Fazit des angeregten Rezensenten, dieses Buch als eine "sehr gute Vorbereitungsschrift" zu einer Theorie der Verdinglichung gewertet werden.