Anne Weber

Kirio

Roman
Cover: Kirio
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2017
ISBN 9783103972696
Gebunden, 224 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Wer ist Kirio? Ein seltsamer Vogel, ein Verrückter, ein Heiliger? Seine Spur findet sich zuerst in Südfrankreich und verliert sich im Hanau der Brüder Grimm. Kirio läuft gerne auf den Händen und stellt auch sonst alles auf den Kopf. Er spielt Flöte und redet mit Steinen und Fledermäusen ebenso selbstverständlich wie mit Menschen. Er nimmt alles für bare Münze, bis auf die bare Münze selbst. Er vollbringt Wunder über Wunder und merkt es nicht. Wer also ist dieser Kirio? Und wem gehört die Stimme, die von ihm erzählt? Sie weiß es selber nicht! Und so ist das Rätsel auch dem Leser aufgegeben. Ist es die des Autors? Die des Schöpfers? Eines Engels? Der Phantasie?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.03.2017

Das griechische "Kyrios" - das Göttliche - und das französische "Qui rit" - der, der lacht - sind nur zwei der vielen Verweise, die sich hinter Anne Webers rätselhafter Titelgestalt verbergen, verrät Rezensentin Sandra Kegel, die sich mit Vergnügen auf das Wagnis dieser "postmodernen Heiligenlegende" eingelassen hat. Amüsiert folgt sie Webers kuriosem Helden, der in seiner unerschütterlichen Gutmütigkeit an Forest Gump oder Sibylle Bergs Toto aus dem Roman "Vielen Dank für das Leben" erinnert, staunt, wie die Autorin die Identitätsgrenzen immer wieder verschwimmen lässt und bewundert, wie fantasievoll und "sprachverliebt" Weber mit literarischen Hinweisen von Calvino über Pavese bis Proust und Zola spielt. Dass der "Wortwitz" bisweilen mit der Autorin durchgeht, nimmt Weber nicht übel: Viel zu gern hat sie sich den Verstand durchpusten lassen.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.03.2017

Als literarisches Experiment begreift Rezensentin Katharina Granzin Annette Webers neuen Roman "Kirio", in dem sich eine schwer greifbare Erzählinstanz eine rundum gute Figur erschafft, eben die Titelfigur. Geschildert werde diese wiederum von zahlreichen Erzählfiguren, die jedoch von jener geheimnisvollen Instanz im Hintergrund beeinflusst und geleitet scheinen. Kurz: Ein Roman voller schwer greifbarer Orte und Figuren: Wer Kirio ist, bleibe fraglich, als Hauptfigur bestreite er vielleicht auch nur die "wichtigste Nebenrolle" dieses Romans. Völlig ominös sei ohnehin auch der allwissende Erzähler, der sogar aus Fischen und Winden heraus in diese Welt schaue - ja, sogar Frankeich und Paris erscheinen der Kritikerin als Spielorte der Handlung so künstlich wie eine Schneekugel-Welt. In dieser "irritierenden Perspektivunklarheit" liege zwar das Wesen dieses ambitionierten Romans, so Weber weiter, die des Rätselns nach dem Charakter der Erzählinstanz jedoch bald müde wird: An diesem literarischen Spiel habe vor allem die Autorin ihre Freude, dem Lesepublikum bleibe nur das Nachsehen. Zweifellos "mutig und originell", ist "Kirio" für Granzin schlussendlich doch ein Experiment, das das Labor womöglich einfach "zu früh verlassen" habe.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.03.2017

Als philosophische "Harlekinade", in der Anne Weber das Gefälle zwischen Autor, Leser, Text und Leser bis an seine Grenzen auslotet, überzeugt Rezensent Hubert Winkels der Roman "Kirio" durchaus. Fantasievolle Reflexionen zur Autorschaft und zur "Autonomie der Fiktion" entdeckt der Kritiker hier ebenso wie ein lehrreiches Spiel mit Perspektiven und Vielschichtigkeit. Allein an Spannung fehlt es dem Roman, moniert Winkels, der die Geschichte um eine so kuriose wie heilige Fabelgestalt, deren Identität er trotz wechselnder Erzähler, Schauplätze und Themen zu kontrolliert und "brav" findet.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.03.2017

Einen derart leichten Mix aus Schelmenroman, Märchen und Heiligenlegende hat Joseph Hanimann noch nicht gelesen. Anne Webers quecksilbrige Taugenichts-Figur und ihre mannigfachen Erzähler haben es ihm wirklich angetan. Ganz verzaubert ist Hanimann von so viel anarchischer Energie in der Gestalt des Helden Kirio wie in Webers Erzählweise, die ihn an Kafka erinnert. Dass die Autorin im Ton manchmal allzu sehr zu englischen Konversationsfloskeln neigt, scheint Hanimann eher überflüssig.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 25.02.2017

Fasziniert hat sich Paul Jandl auf Anne Webers neuerliches und mit "poetischer Gelassenheit" betriebenes Spiel mit Ungewissheiten, kuriosen, ins Surreale überdrehten Ideen und philosophischen Reflexionen eingelassen. Das beginnt bei Webers sonderlichem Helden Kirio, den der Kritiker hier während seiner "education sentimentale" begleitet und dessen Identität nie restlos geklärt wird und hört bei einem als "Ich" auftretendem Schatten, der dem Kopf Peter Handkes entsprungen sein könnte noch lange nicht auf, bemerkt Jandl. Wie die in Paris lebende deutsche Autorin mit französischer Leichtigkeit alle Vernunft über Bord wirft und das "Banale" in alle philosophischen Konsequenzen auslotet, findet der Rezensent ebenso genial wie erfrischend.