Wolfram Ette

Das eigensinnige Kind

Über unterdrückten Widerstand und die Formen ungelebten Lebens - ein gesellschaftspolitischer Essay
Cover: Das eigensinnige Kind
Büchner Verlag, Marburg 2019
ISBN 9783963171857
Kartoniert, 124 Seiten, 16,00 EUR

Klappentext

"Das eigensinnige Kind" ist das kürzeste Märchen in der Sammlung der Brüder Grimm und zugleich eines der schrecklichsten. Es handelt vom kurzen Leben eines Kindes, dessen Eigensinn von der alleinerziehenden Mutter bis über den Tod hinaus gebrochen wird. Für den Literaturwissenschaftler und Philosophen Wolfram Ette wird das Märchen zur ersten Station einer essayistischen Besichtigungstour, die sich für die komplexen Verdrängungs- und Unterdrückungsverhältnisse im zeitgenössischen Dreieck von Kind, Familie und Gesellschaft interessiert. Für seine Galerie des Eigensinns greift Ette nicht nur auf Material aus kanonisierten Kinderbüchern, literarischen Klassikern und antiken Texten zurück. Ins Blickfeld geraten auch die vielfältigen Dramen zwischen Eltern und Kindern, die der Alltag zu bieten hat, sowie die dazugehörigen beschädigten Lebensläufe bis hin zum Amokläufer. Er untersucht die unausgesprochenen gesellschaftlichen Konflikte, die sich in diesen Szenen des Eigensinns abgelagert haben, und fragt danach, welche gesellschaftlichen Gewaltverhältnisse sie spiegeln, maskieren, unterstützen. In diesem Neben- und Übereinanderhalten von Familien- und Gesellschaftsstruktur erläutern sich beide gegenseitig und erinnern vor allem an eines: Die Mikroräume des Sozialen sind Keimzellen für Gesellschaft. In welcher wollen wir leben und was bedeutet dies für unser Alltags- und Familienleben?

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.01.2020

Es geht um einige Widersprüche, die der Literaturwissenschaftler Wolfram Ette hier analysiert, stellt Thomas Steinfeld fest. Zum einen geht es um jenen Eigensinn, der die elterliche Macht herausfordert - damit jedoch auch bestätigt. Dann spielt der von den Erwachsenen "gefeierte Eigensinn" des Kindes, etwa in Pippi Langstrumpf, eine Rolle - der so allerdings auch aufhöre, Eigensinn zu sein. Vielmehr entwickelt sich daraus offenbar ein Zwang zur unbedingten Originalität, der naturgemäß von wirklich eigenem Sinn weit entfernt ist. Und schließlich wird die Strafe gegen das "eigensinnige Kind" gesellschaftlich umgewandelt in Überwachung, die in der Handykontrolle der Kleinen ihren zeitgenössischen Ausdruck findet. Der Kritiker findet, der Autor führt hier überzeugend vor, wie wenig die Unschulds- und Freiheitsprojektion auf die Sphäre der Kleinen mit wirklich gewährtem Freiraum zu tun hat. 
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