Tomas Eloy Martinez

Der Flug der Königin

Roman
Cover: Der Flug der Königin
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003
ISBN 9783518414743
Gebunden, 281 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Peter Schwaar. Camargo, Chefredakteur einer großen argentinischen Zeitung, ist besessen von der Frau im Fenster gegenüber. Tagelang beobachtet er sie, nutzt ihre Abwesenheit, um heimlich in ihren Kleidern, ihren Aufzeichnungen zu stöbern, filmt ihren Schlaf. Besessen ist er auch von seinem Beruf, den er wie kein zweiter beherrscht. So gefürchtet wie geachtet, schreibt er an gegen die Verkommenheit der politischen Klasse, gegen die alles zerfressende Korruption. Und läßt schreiben. Sofort bemerkt er das Talent von Reina Remis, der neuen Redakteurin in seinem Imperium. Dass sie zielstrebig ist, kann sie unter Beweis stellen, als der Präsident der Republik einen drohenden Skandal mit einer haarsträubend mystischen Vision aus den Schlagzeilen von morgen fegt. Camargo erkennt sich in ihr.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.05.2004

Florian Borchmeyer ist von diesem Roman des argentinischen Autors Tomas Eloy Martinez äußerst fasziniert. Erzählt wird in zwei parallelen Handlungssträngen von einer obsessiven Leidenschaft und von der Korruptionsaffäre des Präsidenten, die vom Chefredakteur einer großen Tageszeitung mit Hilfe seiner jungen Redaktionsassistentin aufgedeckt wird, fasst der Rezensent die Handlung zusammen. Verbunden werden die beiden "bizarren Episoden" durch weltpolitischen Ereignisse wie den Anschlag vom 11. September und den wirtschaftlichen Zusammenbruch Argentiniens, erklärt Borchmeyer weiter. Für ihn liest sich der Roman wie die "Chronik eines angekündigten Untergangs", die immer schon zukünftige Katastrophen vorausahnen lässt. Er lobt die Konstruktion des Romans als "faszinierendes Kontrastspiel" und zeigt sich besonders beeindruckt von der "Verschränkung der grellen Gegenwart mit einer fast mythisch anmutenden Reflexionsdimension". Die Übersetzung von Peter Schwaar hebt er für ihre "zeitlose Sprachschönheit" hervor und er meint, das nicht zuletzt sie die "Souveränität und geradezu königliche Größe" dieses Buches zutage treten lässt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.01.2004

Ziemlich unausgegoren findet der Rezensent Leopold Federmair diesen argentinischen Roman von Tomas Eloy Martinez. Unausgegoren, weil ein starker Bruch die Geschichte um den Zeitungsmagnaten Dr. Camargo (eine Art fiktiver Carlos Menem) in zwei Teile schneidet, von denen der erste eine "niederschmetternde Diagnose" der argentinischen Verhältnisse darstellen soll, und der zweite versuche, die entfesselten Figurendynamiken glaubhaft wieder einzufangen. Dabei komme einem der Autor wie ein überforderter "Zauberlehrling" vor, der "Ungereimtheiten" vertuschen wolle, denn seine Figuren machen alle - und mehrmals - nicht nachvollziehbare Wandlungen durch. Für Camargos machistischen Wahn, und damit indirekt für den "argentinischen Niedergang", werden, so der Rezensent, abgegriffene ödipale Motive bemüht - die obsessive Sehnsucht nach der verschwundenen Mutter -, und das, obwohl Camargos vermeintlicher Lieblingsautor Deleuze gerade "dem langweiligen ödipalen Dreieck Mama - Papa - Kind den Garaus gemacht hat", wie der Rezensent irritiert bemerkt. Auch die Figur der "Königin", Camargos Geliebte, bleibe seltsam "blass" und "vage", ohne jedoch "geheimnisvoll" zu wirken. Martinez' Roman, so Federmairs Fazit, funktioniert als Bestseller, mehr aber auch nicht.