Martin Kohan

Zweimal Juni

Roman
Cover: Zweimal Juni
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009
ISBN 9783518420782
Gebunden, 183 Seiten, 19,80 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Peter Kultzen. 1978, 1982: Zweimal Juni, zweimal Fußballweltmeisterschaft, und beide Male verliert Argentinien knapp gegen Italien. Auf die erste Niederlage, in Buenos Aires, folgt dennoch der Titelgewinn und der propagandistische Triumph der Militärjunta. Die zweite Niederlage, in Spanien, führt nicht nur zum Ausscheiden der Nationalmannschaft - sie wird begleitet vom katastrophal gescheiterten Falklandkrieg, der das Ende der Schreckensherrschaft einleitet. Und doch gibt es selbst in solchen Zeiten immer auch Leute, die es ganz gut getroffen haben. Etwa der junge Rekrut, der zunächst bei einem Militärarzt als Fahrer arbeitet und später als Medizinstudent den Krieg in der Zeitung verfolgt. Als er aber auf einer Gefallenenliste einen Namen bemerkt, der ihm bekannt vorkommt, entspinnen sich seine Erinnerungen, die an ein grauenhaftes Ereignis rühren.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.06.2009

Beklommen bespricht Kersten Knipp Martin Kohans Roman "Zweimal Juni", der "sehr schlicht und sehr grauenhaft" die Fußballweltmeisterschaft von 1978 und die argentinische Militärdiktatur zu einem wirkungsvollen Roman verknüpft. Erzählt wird einmal aus der Perspektive eines Rekruten, der seinen Wehrdienst bei einem Militärarzt leistet, der wiederum als Berater eines der größten Foltergefängnissen des Regimes fungiert. Diese Erzählungen wird unterbrochen von der Stimme einer gefolterten Schwangeren und immer wieder eingeschalteten Auswüchsen der argentinischen Fußballbegeisterung, erklärt der Rezensent. Der Ich-Erzähler entpuppt sich als obrigkeitshöriger Verdrängungsspezialist und bei der in seiner Dienststelle schriftlich eingegangen Frage, ab wann man ein Kind "folltern" könne, stolpert er lediglich über die Rechtschreibung, lässt Knipp wissen. Der 1967 geborene argentinische Autor versteht es, das "Monströse" und die "Banalität des Bösen" im Argentinien der Militärdiktatur eindringlich zu schildern, preist der Rezensent nachhaltig beeindruckt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.05.2009

Es ist ein Roman über die Zeit der Militärdiktatur in Argentinien, aber er ist mit seinem finsteren Thema – Folter – so klug gebaut, dass man ihn zugleich als Roman über das Wesen des Politischen lesen sollte, meint der Schriftsteller Raul Zelik in seiner bewundernden Kritik des Buchs. Folter wurde in Argentinien wie später in Guantanamo durch Mediziner "wissenschaftlich" begleitet und legitimiert. Ein solcher Mediziner steht im Mittelpunkt des Romans, und dabei wird es dem Leser laut Zelik keineswegs durch Gesinnungskitsch einfach gemacht, ihn zu verabscheuen. Das ganze wird außerdem noch kontrastiert durch die Stimmungen der Fußball-WM von 1978, als Argentinien zur Freude der Generäle Weltmeister wurde, und 1982, als der Falklandkrieg das Ende des Regimes einleitete. Zelik empfiehlt "Zweimal Juni" als "großen Roman über das emotionale Gleichgewicht politischer Herrschaft".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.05.2009

Tief beeindruckt ist Rezensent Christoph Schröder ganz offensichtlich von Martin Kohans Roman, der während der Fußballweltmeisterschaft in der argentinischen Militärdiktatur spielt. Parallel wird zu Beginn aus der Perspektive eines jungen Ich-Erzählers erzählt, der als Soldat Chauffeur des berüchtigten Folterarztes Dr. Mesiano wird, sowie einer jungen Schwangeren, die sich später als Folteropfer herausstellt, erklärt der Rezensent. Ihn hat am meisten erschüttert, wie sich in diesem Roman aus dem Mitläufertum die "Normalität der Diktatur" entfaltet, und sich das Bemühen des Fahrers um Relativierung und Herunterspielen der von ihm nicht zu übersehenden Untaten aus seinem bedingungslosen Gehorsam als Soldat speist. Einschübe, wie die leitmotivisch und in Variationen im Roman auftauchende Aufstellung der argentinischen Fußballmannschaft sind für Schröders Geschmack zwar zu "verspielt". Insgesamt aber überwiegt beim Rezensenten der Respekt, wie gelungen Kohan das "Abgründige im Gewand des Durchschnittlichen" darzustellen weiß.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.04.2009

Für Florian Borchmeyer stellt das Buch das Gegenteil eines Entwicklungsromans dar. Die Hauptfigur, ein indolenter Mitläufer in Argentiniens mörderischer Diktatur, erkennt er, ist von ethischer Bewusstseinsbildung weit entfernt. Dass durch seine kühl berichtende Perspektive das Geschehen auch für den Leser etwas "schleierhaft" wird, scheint den Effekt zu befördern, auf den der Roman abzielt. Laut Borchmeyer die Beantwortung der Frage nach der Motivation der Täter. Für ihn bricht Martin Kohan hier mit einem Tabu. Die Aufarbeitung der argentinischen Diktatur erscheint ihm noch immer äußerst heikel. Ein Umstand, der für Borchmeyer in einer meisterhaften, nervösen Erzählweise, in kleinsten Kapiteleinheiten und einer "atemberaubenden Geschwindigkeit" manifest wird.
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