Martin Kohan

Sekundenlang

Roman
Cover: Sekundenlang
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007
ISBN 9783518418826
Gebunden, 271 Seiten, 19,80 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Peter Kultzen. Knapper ging es nicht: Leiche in Hotelzimmer gefunden. Eine winzige Zeitungsnotiz aus Buenos Aires, September 1923. Sollte das die beiden argentinischen Provinzjournalisten, die fünfzig Jahre später nach einem griffigen Sujet für einen Jubiläumsartikel ihres Blatts suchen, mehr interessieren als der mythische Boxkampf Luis Angel Firpo gegen Jack Dempsey New York September 1923, bei dem der argentinische Herausforderer skandalös um den Sieg gebracht wurde? Mehr als das Gastspiel von Richard Strauss im selben Monat im Teatro Colon mit der bereits legendären Aufführung von Gustav Mahlers 1. Symphonie? Sportredakteur Verani jedenfalls ist überzeugt, dass der Tod des Unbekannten mit dem Boxkampf zu tun hat. Die Versuche seines Kollegen vom Feuilleton, ihm Parallelen zwischen Boxkampf und Symphonien zu erläutern, lässt er stoisch über sich ergehen. Auch der subtile Clinch zwischen dem erfolgreichen Techniker Richard Strauss und dem genialisch tastenden Neuerer Gustav Mahler berührt ihn nicht sonderlich. Es müsste doch verdammt nochmal herauszukriegen sein, warum der Mann im Hotel, offenbar ein Ausländer, aufgeknüpft an der Decke hing. Hatte er sich bei dem Boxkampf fatal verwettet? Die Wirklichkeit aber, das erfährt der Leser erst sehr viel später von einem hellwachen Greis in Buenos Aires, ist um einiges zugespitzter.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.07.2007

Anerkennung zollt Rezensent Georg Sütterlin der handwerklichen und sprachlichen Brillanz dieses Romans von Martin Kohan. Er attestiert dem argentinischen Schriftsteller, virtuos eine Vielzahl von verschlungenen Erzählsträngen, Perspektiven, Schreibarten und Zeitebenen zusammen zu bringen. Er verzichtet darauf, die Geschichte in ihren Verästelungen wiederzugeben und beschränkt sich auf die beiden Hauptstränge: den Boxkampf von 1923, als der Argentinier Luis Angel Firpo den Titelhalter im Schwergewicht, Jack Dempsey, herausforderte und das Konzert der Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Richard Strauss, im selben Jahr in Buenos Aires, zwei Ereignisse, die durch einen Kriminalfall miteinander verbunden sind. Der Ideenreichtum des Autors und seine souveräne Art, die verschiedenen Stränge zu verschachteln, haben Sütterlin sichtlich beeindruckt. Leser, denen "Virtuosität und Brillanz effektvoller Fingerübungen genügen", kann er das Buch nur ans Herz legen. Er selbst erwartet von Literatur letztlich doch etwas mehr als das, was Kohans "perfekt konfektioniertes Häppchen" bietet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.05.2007

Florian Borchmeyer müht sich redlich, die verzwickte Handlung dieses Musik-Boxsport-Krimis zusammenzufassen, der sich allerdings durch enormes Tempo und eine virtuose Handhabung der vielen Handlungsstränge auszeichnet. Die erzählte Zeit des Romans erstreckt sich nur über 17 Sekunden, dazwischen wird aber in Sprüngen, Rückblenden und Gesprächen über einen legendären Boxkampf von 1923, der Erstaufführung vom Gustav Mahlers Erster Symphonie unter der Leitung von Richard Strauß, dem mysteriösen Tod eines Cellisten und dem 50 Jahre später stattfindenden Versuch, diesen aufzuklären, erzählt, nebst einigen weiteren Tragödien, so der Rezensent ziemlich überwältigt. Dies alles stellt hohe Anforderungen an die Geduld und die Konzentrationsfähigkeit der Leser, so Borchmeyer, und mitunter wirft der verschachtelte Roman bei ihm auch die Frage auf, warum denn alles derart rätselhaft und schwierig sein muss. Dass er alles in allem aber doch begeistert ist, liegt vor allem an der sprachlichen und erzählerischen "Virtuosität" des argentinischen Autors, wie er preist. Und auch die Übersetzung ins Deutsche durch Peter Kultzen tut ihr übriges, den Rezensenten trotz der Lektüremühen bei der Stange zu halten.
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