Thomas Pynchon

Natürliche Mängel

Roman
Cover: Natürliche Mängel
Rowohlt Verlag, Reinbek 2010
ISBN 9783498053109
Gebunden, 477 Seiten, 24,95 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. 1970: Der junge Hippie-Detektiv Larry "Doc" Sportello betreibt in LA ein Büro mit dem zweideutigen Kürzel LSD (Location, Surveillance, Detection). Er bekommt den Auftrag, beim Bodyguard eines Immobilienhais Schulden zu kassieren. Als Doc aus einem in grellem Neon-Pop gehaltenen Marihuanarausch aufwacht, kreist allerdings das Gesicht von Lieutenant Bigfoot Bjornsen über ihm; die blutüberströmte Leiche des Bodyguards daneben sieht aus wie ein frisch geschlachteter Truthahn. Der Immobilienhai selbst ist entführt worden, und Bigfoot, der Leuten gern seine Stacheldrahtsammlung zeigt, mag keine Hippies.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.10.2010

Willi Winkler berichtet vom Erleichterungsseufzer, mit dem die Kritik Thomas Pynchons jüngsten Roman über das Ende des amerikanischen Hippietraums quittiert hat. Tatsächlich lese sich Pynchons historischer Roman aus dem Jahr 1970, in dem ein trinkender und kiffender, an Sam Spade erinnernder Privatdetektiv, Erkundigungen über den Ehemann einer Verflossenen einziehen soll, flüssig und unterhaltsam, gibt der Rezensent zu. Wenn er nichts als ein mit vielen erzählerischen Bluffs versehenen "roman noir" und die durchaus virtuos rekonstruierte Welt von 1970 geboten bekommen hätte, fände Winkler dies allerdings nur "traurig und langweilig", wie er betont. Da sich aber der amerikanische Autor zudem als eminent geschichts- und politikbewusst erweist, indem er in diesem Roman vom Ende eines "Paradieses" erzählt, da das FBI Hippies zu Spitzeln machte und unter Nixon "quasi faschistische" Machtstrukturen installiert wurden, hat auch der Rezensent ihn mit höchster Spannung gelesen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.09.2010

War Thomas Pynchons letzter Roman "Gegen den Tag" für Rezensent Wolfgang Schneider ein literarisches Schwergewicht, scheint ihm dessen neues Werk "Natürliche Mängel", ein munterer Mix aus Hippiekult, Detektivroman und Comic, erstaunlich leicht und zugänglich. Ja, er spricht gar von einem "Pynchon light". Das ist freilich nicht negativ gemeint, im Gegenteil. Die Genreparodie um den dauerbekifften Detektiv Sportello findet er höchst vergnüglich und durchaus spannend. Bei aller Komik im Vordergrund, die die chaotischen Figuren mit ihren Comedy-Dialogen verbreiten, erblickt er in dem Werk auch ein "hintergründig sentimentalisches Buch über die Hippie-Jahre um 1970 und die Subkultur, in der Pynchons Werke verwurzelt sind".
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 23.09.2010

Als "neues Meisterwerk" annonciert Thomas E. Schmidt diesen neuen Pynchon-Roman, den er der leichteren "kalifornischen" Art unter den Romanen des großen amerikanischen Autors zurechnet. Das im wesentlichen am Muster einer Detektivgeschichte orientierte Buch sei nämlich im Gegensatz zu den großen, sublimen Werken Thomas Pynchons komödiantisch und flapsig, der Protagonist überaus klar umrissen und identifikationsfähig. Selbigen stellt der Kritiker uns als den kiffenden Privatdetektiv Larry Sportello vor, auf der Grenze zwischen dem sonnenbeschienenen und dem dunklen L.A. balancierend. Objekt der Ermittlung, im Zuge derer Sportello sich in "die große Verbrechens-, Drogen-, Entertainments- und Bewusstseinslandschaft von Los Angeles" grabe, ist Schmidt zufolge ein merkwürdiger - äh - jüdischer Nazi, der entführt wurde. Zur Freude des Kritikers gibt es auch in diesem Buch viele von den "netten Pynchon'schen Dödeln", die mit psychedelischen Drogen experimentieren. Atmosphärisch ist der Plot, wie man liest, mit Reminiszenzen an die Roaring Sixties aufgeladen, mit den Morden Charles Mansons, die ihre Unschuld beendeten, sowie Krieg, Folter und traumatisierte Veteranen. Dabei streife Pynchon alles, was auch die USA der Gegenwart ausmachen würde, wie eine "vorweggenommene Archäologie", um den Helden schließlich durch die Trugbilder seines Bewusstseins ans Licht zu führen, schreibt der Kritiker.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.09.2010

Nicht nur Pynchon-Liebhabern legt Rezensentin Silvia Staude diesen Roman wärmstens ans Herz. Das Lebensgefühl der sechziger Jahre, die Drogen und die Sehnsucht nach Freiheit - all das erweckt der Autor wieder zum Leben und verarbeitet es in eine Kriminalgeschichte, die ganz in der noir-Tradition steht, so Staude. Privatdetektiv Larry Sportello soll im Auftrag einer ehemaligen Geliebten ihren verschwundenen Liebhaber ausfindig machen und stößt neben Prostituierten und Kleingangstern schließlich auf ein Drogenkartell, das seiner Klientel gleichzeitig auch den Entzug vermittelt. Begeistert ist die Kritikerin, dass auch der Leser in die Spurensuche mit einbezogen wird: Über hundert in dem Roman genannte Songs geben versteckte Hinweise, mit denen der wachsame Leser versuchen kann, Pynchons Gedankengänge nachzuvollziehen. Nicht zuletzt lobt die Rezensentin Nikolaus Stingls "tapfere" Übersetzung, die den scharfen Dialogen und dem Slapstick-Humor dieses "leichtfüßigen" Romans gerecht werde.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.09.2010

Im Jahr 1970 spielt dieser Roman, in dem Thomas Pynchon in Anlehnung an die klassische Noir-Literatur eine Darstellung damaliger Hippie-Kultur unternimmt. Was aber, wie Rezensent Ulrich Gutmair feststellt, auch auf eine Genealogie unserer Gegenwart hinausläuft, etwa wenn eine der Figuren aus Pynchons sehr buntem Arsenal auf das "Arpanet" stößt, oder wenn der Autor eine Art Hommage auf seinen jüngeren Kollegen William Gibson ins eigene Buch einbaut. Exzellent wie stets - und durchaus Hollywood-würdig - findet der Rezensent die Dialoge des Romans, der als "Sittengemälde" genauso gut funktioniere wie als milieugesättigtes und sehr unterhaltsames Stück Kriminalliteratur.