Thomas Glavinic

Der Jonas-Komplex

Roman
Cover: Der Jonas-Komplex
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016
ISBN 9783100024640
Gebunden, 752 Seiten, 24,99 EUR

Klappentext

 Die Summe eines Jahres, der Querschnitt eines Lebens, das Abenteuer der Liebe. Ein Jahr im Leben eines Wiener Schriftstellers, zwischen Drogen, Alkohol und Frauen. Ein Abenteuer, das Jonas und seine große Liebe Marie bis zum Südpol führen soll. Und ein dreizehnjähriger Junge, der leidenschaftlich Schach spielt, um seinem Alltag zu entfliehen. Dazu Nebenfiguren wie aus einem Tarantino-Film: Ein Anwalt der Hells Angels, ein WingTsun-Großmeister und eine Mörderin, die die Leichen ihrer Liebhaber mit einer Kettensäge zerlegt. Die wirkliche Welt trifft auf die Sehnsucht nach einem anderen Leben.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 31.03.2016

Thomas Glavinics neuer Roman "Der Jonas-Komplex" ist ein gewaltiges Werk, verkündet Rezensent Alexander Cammann. Auf knapp achthundert Seiten erzählt der Autor drei scheinbar unzusammenhängende Geschichten, die er in immer kürzerer Abfolge ineinander verschachtelt, erklärt der Rezensent. Da ist der sehr autobiografisch eingefärbte Strang eines Schriftstellers in Wien, da ist Jonas, den man schon aus einem anderen Buch kennt, und den Glavinic mit seiner Freundin auf eine Südpolexpedition schickt, und schließlich gibt es einen Jungen in der Steiermark, der misshandelt wird und sich ins Schachspiel flüchtet, und mit dem Glavinic ebenfalls Parallelen hat, fasst Cammann zusammen, der die rauschhafte Verschaltung der Ebenen großartig findet: "sehr groß und sehr gut", versichert er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.03.2016

Thomas Glavinics exzessiver Hang zu Rausch und Entgrenzung bekommt seinen Büchern in jedem Fall gut, muss Rezensentin Wiebke Porombka zugeben. Denn auch der "Jonas-Komplex", den die Kritikerin als Fortführung seiner brillanten, "universellen Angst- und Verlorenheitsenzyklopädie" liest, ist wieder derart ungebändigt, dass das Rezensentenherz ganz aus dem Takt gerät. Mehr noch als die Schilderungen von Neurosen, Exzessen, Verzweiflung und die zahlreichen "Authentizitätsknallerbsen", die Porombka in einen "sanften Kicherrausch" versetzen, bewundert die Kritikerin die Struktur des Romans: Wie eine Versuchsanordnung erscheint ihr das Buch, in dem Glavinic anhand von drei Protagonisten - einem zwischen Alkohol, Koks, Panik und Zermürbung pendelnden Schriftsteller, einem bei einer promiskuitiven Trinkerin aufwachsenden Jungen mit Missbrauchsgeschichte und eben jener Jonas-Figur, die sich grotesken Überlebensspielen hingibt - Bindungsunfähigkeit, Selbstentblößung, Entgrenzungsrausch und Erlösung durch Liebe durchprobiert. Bei all der Tragik ist das Buch auch noch hinreißend komisch, schwärmt die Rezensentin.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.03.2016

Da ist es wieder, das heruntergekommene Autoren-Ich aus Thomas Glavinics großartigem Literaturbetriebs-Roman "Das bin doch ich", freut sich Rezensent Alex Rühle. Und noch einem alten Bekannten begegnet er in "Der Jonas-Komplex" - eben jenem Milliardär Jonas, der sich schon in "Das größere Wunder" ganz seinem Freiheits- und Welterkundungsdrang hingab. Gemeinsam mit einem kleinen einsamen Jungen, der bei einer alkoholsüchtigen Nymphomanin aufwächst und sich die Tage mit Schachspiel vertreibt, tanzen die drei Protagonisten einmal mehr am Abgrund, verrät der Kritiker, der sich mit Glavinics rasantem und derben Humor wieder bestens amüsiert. Überhaupt zeigt sich der Rezensent begeistert von der anarchischen Muskelkraft des Autors, der hier mit vollem "erzählerischem Risiko" und großer Schönheit von Liebe und Sex erzählt. Gelegentlich hätte Rühle dem Buch aber einen Lektor mit "richtig dicken Eiern" gewünscht.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 16.03.2016

Rezensentin Eva Behrendt hat zwei markante Männerbücher gelesen, die offenbar interessante Querverwese erlauben: Thomas Glavinics viril über die Stränge schlagenden Roman "Der Jonas-Komplex", der in drei Erzählsträngen von Personen handelt, die mit dem Autor selbst identisch sein könnten oder auch nicht, und Michael Kumpfmüllers Roman "Die Erziehung des Mannes", in dem der Autor schildert, wie ein Mann im Laufe der Jahre endlich beziehungsfähig wird. Bei beiden Büchern handelt es sich um "Seelenerkundungen starker Icherzähler", konstatiert die Kritikerin, zudem sind beide Bücher nahezu nach Vorbild einer psychoanalytischen Therapie dreigeteilt, wühlen in der Materiallage der frühen Kindheit und bieten ihren Figuren Vaterschaft als Lösung an, erfahren wir aus dieser Doppelbesprechung. Doch auch Unterschiede macht die Kritikerin fest: Während Glavinic mitunter geradezu teuflisch unterhaltsam vom Exzess des Nachtlebens erzählt, folgt Kumpfmüller seiner Figur auf "manchmal allzu ernsthafte" Weise. Und während ersterer zum Loblied aufs Alleinsein anhebt, ist Kumpfmüllers Figur in ein Netz aus Beziehungen eingebunden, aus dem sie reifer hervorgeht. Am Ende schlägt das Herz der Rezensentin doch mehr für Glavinic als den grüblerischen Kumpfmüller.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.03.2016

Bisher ist Thomas Glavinic das Spiel mit der Selbstinszenierung in seinen Büchern immer ganz gut gelungen, meint Rezensent Patrick Schlereth. Im neuen Roman "Der Jonas-Komplex" geht das aber leider schief, fährt der Kritiker fort. Es mag daran liegen, dass hier gleich zwei von Glavinics Lieblingsfiguren auftreten: Er selbst als exzentrischer, zwischen Lebenslangeweile und Alkohol, Drogen und Sex schwankender Schriftsteller, und Jonas, reich, keiner Grenzüberschreitung abgeneigt und Namensgeber des "Jonas-Komplex'", also der Angst vor Herausforderungen, vermutet der Rezensent. Dass ein dritter Protagonist, ein einsames dreizehnjähriges Schachtalent, ebenfalls autobiografische Züge trägt und sich mit dem Autor und Ich-Erzähler den Neid auf den erfolgreichen und faszinierenden Jonas teilt, erscheint dem Rezensenten dann doch zu überreizt. Und so rät er dem Autor dringend, mal den Blick über das eigene Spiegelbild hinaus zu wagen.
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