Roger Willemsen

Kleine Lichter

Cover: Kleine Lichter
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2005
ISBN 9783100921024
Gebunden, 205 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Seit sechs Monaten liegt der Geliebte im Koma, jetzt bespricht Valerie am Krankenhausbett ein Tonband, das ihn wieder ins Leben zurückführen, zurückverführen, soll. Nun, wo es um alles geht, ist alles in ihrer Sprache Liebe. Wie kann man fühlen und sich nicht verlieren? Wie kann man dem Mangel begegnen, der alle Liebe treibt? Wie kann man erhalten, was man nicht halten kann? Zwischen Wien, wo sie liebt, und Tokio, wo sie arbeitet, hin und her gerissen, beschwört Valerie die eigene Liebesgeschichte noch einmal herauf und zeichnet die Veränderung ihrer Gefühle akribisch nach - bis zu dem Punkt, an dem sie fast überwunden scheinen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.07.2005

Stephan Maus findet es "tiefenpsychologisch recht aufschlussreich", dass Roger Willemsen den Adressat seiner Romanbetrachtung über die Kraft der Liebe - Maus: seiner "Kulturkanal-Anmoderation zum Themenkonnex Liebe, Lust und Leberwurst" - gleich zu Beginn ins Koma fallen lässt. So kann er nicht wegrennen oder widersprechen, sondern muss sich wohl oder übel - eigentlich nur: übel - alles anhören, was Willemsen die Geliebte des Patienten erzählen lässt, um ihn wieder zu erwecken. Nämlich: "semi-essayistische Binsenweisheiten", "Pirelli-Liebeskalendersprüche", jede Menge ebenso wohlfeile wie abgeschmackte Bilder und - wenn Willemsen richtig in Fahrt kommt - "glitzernden Eso-Pulp". Wie sich das für einen Willemsen gehört, spottet Maus weiter, klingt das alles sehr hübsch und artig, macht aber noch lange keinen Roman. Sondern nur eine öde Simulation von "Tiefgang". Fazit: Möge der Komapatient zu seinem eigenen Besten das Bewusstsein nicht wieder erlangen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.07.2005

"Es ist nicht schief gegangen" lautet eine der Abwägungen des Rezensenten Thomas Steinfeld. Thema des Romans sei die Liebe an und für sich, nicht etwa die von menschlichen Menschen mit Arbeit, Familie etc. Eine Frau spricht auf Kassetten einen langen Monolog für ihren Geliebten, der an einem anderen Ort im Koma liegt, zur Auferweckung gewissermaßen. Dieser Monolog und mithin der ganze Roman sei eine Art Essay, erläutert der Rezensent, geschrieben von einem Autor, den er mit einem Abbe aus dem neunzehnten Jahrhundert vergleicht: "einer der alles beherrscht, theoretisch zumindest". In einem Miniessay reflektiert der Rezensent seinerseits die entscheidenden Gedankenschritte, die ihm für einen Essay über die Liebe essenziell zu sein scheinen. Und in allen Punkten muss er zugeben, "und selbst das steht bei Roger Willemsen". Was jedoch nicht mehr bei Willemsen zu finden sei, sei das Risiko der Selbsterniedrigung, durch die sich "die Liebe offenbart". Dies sei literarisch darstellbar, meint der Rezensent, doch der Autor würde dieses "Risiko" nicht eingehen, eben wie ein "richtiger Abbe".
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.05.2005

Rezensent Hubert Winkels zeigt sich nicht so recht überzeugt von Roger Willemsens aktuellem "literarischen Versuch". Der Autor, der nach Jahren "erfolgreicher" Moderatoren- und Talkmastertätigkeit nun "den Spieß umgedreht" und seinerseits mit dem Erzählen begonnen hat, schildert in seinem Buch die Geschichte eines Komapatienten, an dessen Bett eine Frau sitzt, die zugleich Erzählerin ist und den Geliebten "zutextet". Dieser Art der literarischen "Reduktion", die sich vollkommen auf die Metaphysik der Gefühle konzentriert, kann der Kritiker nicht viel abgewinnen. Seiner Ansicht nach birgt dieses "enorm heikle" Verfahren nämlich die Gefahr des "Geschwurbels". Und auch wenn dieses in Roger Willemsens Fall immerhin "Geschwurbel der intellektuellen Prämienklasse" ist, hofft der Kritiker doch, dass die Liebe in Zukunft nicht mehr derart "malträtiert" werden muss.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.04.2005

Zugegeben, findet der Rezensent Oliver Pfohlmann, das Romandebüt von Roger Willemsen ist in gewisser Hinsicht bemerkenswert. Allein schon aufgrund der "Kommunikationssituation": Die Protagonistin Valerie liebt Rashid, der jedoch seit sechs Monaten im Koma liegt, und sie spricht ihm eine Nacht lang auf Kassette, in der Hoffnung, ihn so ins Leben zurückzuholen. Immerhin "sympathisch" erscheint dem Rezensenten die Idee, jemanden, wie Willemsen schreibt, "so mit Gefühlen zu bestrahlen, dass er leben muss". Die Umsetzung dieser Bestrahlung allerdings lässt in den Augen des Rezensenten zu wünschen übrig. Valeries Satz "Ich rede, um dich anzustecken" sei zwar, wie viele andere ihrer Sätze, "schön und zitierfähig", werde aber vom Erzähler nicht eingelöst, und so werde der Leser weniger angesteckt als von Valeries sich in selbstbezogenen Kreisen ergehenden "Hohem Lied der Liebe" erstickt. Darüberhinaus kranke ihre "pathetische Suada" aufgrund ihrer "stilisierten Kunstsprache" an Unglaubwürdigkeit, was ebenfalls ansteckungshemmend wirke. Mehr noch: Das konsequente "Durchdeklinieren" aller Facetten der Liebe erwecke den Eindruck, dass sich Willemsen nur ein Alibi verschafft habe, um der Liebe essayistisch zu begegnen. "Weniger Literatur also, mehr Literatursimulation", bilanziert der Rezensent.
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