Ricarda Junge

Eine schöne Geschichte

Roman
Cover: Eine schöne Geschichte
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008
ISBN 9783100393289
Gebunden, 256 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Welche Rolle spielt schon ein Name?, denkt Marie, als sie am Bahnhof einer großen Stadt mit einer Studentin verwechselt und in ein Studentenwohnheim einquartiert wird. Dort teilt sie sich ein Zimmer mit Colina, die kurz darauf spurlos verschwindet. Von diesem Moment an verändert sich alles. Die Stadt verschiebt sich, Cafes verschwinden, Straßen gibt es nicht mehr. Manchmal kommt es Marie vor, als würden sich die Dinge vor ihr verstecken, und überall an Stromkästen, Türen und Fensterscheiben kleben plötzlich Zettel. Menschen werden vermisst, Hunde und Katzen gesucht, Wohnungen, Schlüssel, Geldbörsen, Jobs. Was ist das für ein Leben, in dem einem ständig etwas abhanden kommt? Und wie findet man sich zurecht, wenn jeder Plan sofort durchkreuzt wird?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.08.2008

"Eine schöne Geschichte", wie der Titel von Ricarda Junges zweiten Roman lautet, erzählt das Buch nach Ansicht Ariane Breyers keineswegs. Sie fühlt sich vielmehr von dem Roman um eine angehende Jura-Studentin, die kurz nach ihrem Umzug in eine neue Stadt erfährt, dass sie an einer tödlichen Lungenkrankheit leidet, in ein "unbehagliches, hermetisches Universum" versetzt, das sich jeder psychoanalytischen Lesart entziehe. Sie liest das Buch als Versuch, ein Resümee zu ziehen, alles zusammenzuraffen, was einen Sinn hatte, "bevor es vom Tod bedroht wurde". Die Sprache der Autorin wirkt auf sie reduziert, fast ein wenig spröde. Den Text sieht sie von Auflösungserscheinungen und Wiederholungsstrukturen geprägt, seine Einheit von den als Leitmotiven eingesetzten Krankheitssymptome gestiftet. Die Todesnähe und das Auseinanderfallen des Lebens, die die Protagonistin erlebt, erzeugen bei ihr ein beklemmendes Gefühl. Allerdings moniert Breyer, dass der Rhythmus der Erzählung immer wieder durch die Schilderungen des alltäglichen Studentenleben mit Vorlesungen, Parties und Filmvorführungen gestört werde.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.08.2008

Jean-Michel Berg würdigt das Potential des Buches, in dem natürlich keine "schöne Geschichte" erzählt werde, ist am Ende aber doch nicht glücklich. Es geht um die Studentin Marie, die an einer tödlichen Krankheit leidet, die ihr nur noch wenige Wochen zu leben gibt. Während sich Marie bemüht, die Zeit mit ihrem Freund zu genießen und die Todesangst nach Kräften zu verdrängen sucht, verändert sich zunehmend ihre Umgebung: Dinge, Menschen und schließlich ganze Gebäude verschwinden auf rätselhafte Weise und so wandelt sich die Geschichte einer Krankheit mehr und mehr in eine "Groteske", meint der Rezensent. Krankheit und Stadt so nebeneinander zu stellen, hat seinen Reiz, lobt Berg, findet aber, dass Junge im Verlauf des Buches keinem der Motivstränge richtig gerecht wird. Und so wird ihm der insgesamt eher handlungsarme Roman auch zu einem etwas "stehenden Gewässer", das keinen mitreißenden Sog entwickelt.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.04.2008

Auf "irre Weise wunderschön" und vor allem bis zum Schluss höchst spannend findet Rezensentin Nina Apin diese "pralle Endzeitgroteske", in der es ihrem Eindruck zufolge um feministische Schuhfetischistinnen und blauäugige Penner geht, die David Lynch nicht besser hätte erfinden können. Schauplatz sei ein "endzeitzerstörtes Berlin", in dem auf seltsamem Wege immer wieder Menschen und Tiere abhanden kommen würden. Zwischen all diesen skurril-bedrohlichen Szenarien werde dann auch noch geliebt und auf die Probe gestellt, was eine Psyche in einem zerfallenden Ambiente auszuhalten vermag. Schließlich könne man die rasante Science-Fiction-Story auch noch als Satire auf die real-existierende Boheme von heute lesen. Die Begeisterung der Rezensentin kennt ob all dieser Varianten keine Grenzen.