Raul Hilberg

Die Quellen des Holocaust

Entschlüsseln und Interpretieren
Cover: Die Quellen des Holocaust
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783100336262
Gebunden, 256 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Udo Rennert. Mit einem 8-seitigen Bildteil. Raul Hilberg zeigt an zahlreichen Beispielen, wie er mit den Quellen umgeht und sie zum Sprechen bringt. Er führt vor, wie aus einem kargen, in interessegeleiteter Tarnsprache formulierten Papier (Befehl, Anordnung, Anweisung, Bericht etc.) ein Dokument dessen wird, was der jeweilige Urheber eigentlich gemeint hat. Dokumente sprechen eben nie für sich, sondern erst dann, wenn sie sachkundig befragt und mit ausgefeilten quellenkritische Methoden bearbeitet werden.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.01.2003

Raul Hilbergs ganze Erfahrung als "Pionier der empirischen Holocaust-Forschung" fließt in dieses Buch, das Sybille Steinbacher als Novum bezeichnet. Um Hilbergs Methode und sein Arbeitsethos zu charakterisieren , zitiert ihn die Rezensentin aus einem Interview mit Claude Lanzmann, worin Hilberg verkündet hat, es gehe ihm nicht um Erklärungen, sondern um die Details, die er zu einem Gesamtbild zusammenfügen wolle, um dem Schrecklichen möglichst nahe zu kommen. Eine Erkenntnis dieses Kompendiums lautet für Steinbacher, dass jede Quelle von Bedeutung sein kann und dass noch längst nicht alle Quellen abgefragt oder ausgeschöpft sind. Wie man der Materialflut Herr werden kann, breitet Hilberg in fünf Kapiteln aus, berichtet Steinbacher. Er untersuche die verschiedenen Quellentypen, analysiere ihre Komposition und den Stil, deute Inhaltliches und nehme Auslassungen ebenso ernst wie das Gesagte. Nur von der Oral history scheint Hilberg nicht viel zu halten, so Steinbacher. Der Leser jedenfalls wird, folgt man Steinbachers Rezension, einerseits eingeführt in exemplarisches historisches Arbeiten, andererseits erfährt er eine Menge über die Hierarchieebene der NS-Bürokratie und die komplexe Organisation des Massenmords an den Juden.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.12.2002

Der Historiker Raul Hilbig hat für "Die Quellen des Holocaust" den diesjährigen Geschwister-Scholl-Preis bekommen, informiert Rezensent Christoph Jahr, zu recht, wie er findet, denn hier bündeln sich seiner Meinung nach "die Erfahrungen eines fünfzigjährigen Forscherlebens". Jahn führt kurz in die Arbeit Hilbergs ein, indem er die mannigfaltigen Schwierigkeiten bei der Quellenauswertung und -interpretation skizziert. Dadurch kommt er zu dem Schluss, Hilbergs Buch sei ein "unverzichtbares Lehrbuch der Quellenkritik", das auch deutlich mache, warum gerade die Ansätze, das Unbegreifliche des Holocausts zu verstehen, so unterschiedlich ausfallen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.10.2002

Der Einblick, den der Holocaust-Forscher Raul Hilberg dem Leser in seine mühsame Arbeit gewährt, ist beeindruckend, findet Werner Renz. Mit 22 Jahren, als Student der Columbia University und nach einer gelungen Emigration aus Wien, hatte sich Hilberg entschlossen, berichtet der Rezensent, sein Leben der Erforschung dieses Kapitels zu widmen. Fast sein ganzes Leben habe er daraufhin in Archiven und Bibliotheken verbracht Quellen nicht nur über die Täter, sondern auch über die Opfer zutage gefördert. Nun berichte Hilberg über die Schwierigkeiten des Forschers im Umgang mit diesen Quellen, über ihre trügerischen Aussagen, über die Gefahr, Fehlinterpretationen anzustellen. "Unübertrefflich" zeigt dieser "Werkstattbericht" Renz zufolge, dass die Erforschung des Holocaust noch lange nicht abgeschlossen sei. Für diese "Anstrengung", meint der Rezensent, gebe Hilberg der Geschichtswissenschaft mit dieser "kleinen Quellenkunde" einen "hervorragenden Leitfaden" an die Hand.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.10.2002

Raul Hilberg ist nach Ansicht des Rezensenten Michael Wildt ein hervorragender Erforscher vermeintlich harmloser Quellen des Holocausts, wie etwa der Fahrpläne der Deutschen Reichsbahn. Das macht dieses Buch, in dem Hilberg seine Forschungsstrategien transparent und der Öffentlichkeit zugänglich macht, auf zwei Ebenen zu einem spannenden Dokument. Zum einen ist es eine Quelle von Inspiration, wie man historisch forschen kann, zum anderen liest es Wildt als einen "persönlichen Wegweiser, der Einblicke in seine Arbeitsweise gibt". So ist das Buch sowohl ein "Vademekum zu Quellen des Holocaust" wie ein "beredtes Zeugnis einer jahrzehntelangen Forscherpassion". Ein weiterer interessanter Aspekt des Buches ist für Wildt das Aufzeigen der Grenzen der Quellenforschung, aus denen "sich die Vergangenheit nie vollständig herauslesen" lässt. Diesen Mangel gesteht auch der nach Wildts Empfinden aufs geschriebene Wort fixierte Hilberg zu. Mit alternativen Quellen, visuellen zum Beispiel oder der 'oral history', kann der Forscher jedenfalls nicht viel anfangen, soviel ist dem Rezensent nach der Lektüre von Hilbergs Arbeit klar - auch wenn das seiner Forschungsleistung keinen Abbruch tut.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.10.2002

Mit dem "Rohstoff", den "Quellen zu seiner Rekonstruktion" und dem Umgang mit ihnen hat sich der weltbekannte Holocaust-Historiker beschäftigt und dabei, so Dieter Pohl, "eine ungewohnte Perspektive" eröffnet. Es ist ihm um die Interpretation der Berge von Dokumenten verschiedenster Art, von schriftlichen Zeugnissen der Täter, Tagebüchern von Opfern oder gar materiellen Resten aus Ghettos und Lagern zu tun und er führt sie in diesem "Essay" vor, so Pohl, aus der "praktischen Erfahrung des Wissenschaftlers". Ob es sich um die Struktur von Sprache, ihrem "Gesagtem, aber auch dem Ungesagten" in ihr handelt, oder um neueste "Massenbefragungen von Überlebenden": es gäbe wohl niemanden, so legt Pohl nahe, der mit derart großem Überblick und so großer Genauigkeit diese "Tour d?Horizon" vor dem Leser ausbreiten könnte als Hilberg.
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